Papstamt kein Karriereziel
Dankgottesdienst in der Berliner St. Hedwigs-Kathedrale:
Kirchenvertreter und Politiker würdigen den “Theologen-Papst“ aus Deutschland. Von Hinrich E. Bues
Berlin, die Tagespost, 1. März 2013
Schon lange vor dem offiziellen Beginn ist die St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin überfüllt. Aus Dank für die guten Erlebnisse ihrer drei Kinder bei den zwei Weltjugendtagen in Köln und Madrid ist ein Ehepaar aus Berlin gekommen. Sie wollen dem Papst für seinen grossartigen Dienst unter den jungen Menschen danken.
Ein Priester aus Paderborn hat sich auf den langen Weg in die Hauptstadt gemacht, weil er das Ja des damaligen Kardinals Ratzingers zum Ruf in den Petrusdienst so grossartig fand. Diese Demut, diese Bereitschaft, das sei wahrhaft priesterlich gewesen. Kritisches gäbe es natürlich immer zu äussern, aber wir Deutschen würden zu sehr nach der Nadel im Heuhaufen suchen, anstatt das Gute zu sehen. Benedikt XVI. sei ohne Frage ein grossartiger Theologe.
Ein älterer Mann aus Ost-Berlin ist in die Kathedrale gekommen, weil er den Papst vor 17 Monaten im Olympiastadion erlebt hatte. Er sei so traurig über den Rücktritt und wolle für den grossartigen Dienst des Papstes danken. Drei Stimmen von so vielen, aber vielleicht doch repräsentativ.
Priester, Mönche, Nonnen drängen sich im Kirchenschiff. Das politische Berlin ist in der Person von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Philipp Rösler, Parlamentspräsident Norbert Lammert und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sowie anderer Repräsentanten ebenso gekommen. Nur Bundespräsident Joachim Gauck fehlt, der den Papst noch vor kurzem im Vatikan besucht hatte. Auch Gäste aus den protestantischen und orthodoxen kirchlichen Gemeinschaften wollen ihren Respekt und ihre Zuneigung zum scheidenden Pontifex zeigen. Kurz vor dem Beginn der Heiligen Messe breitet sich Stille aus, gemischt mit Weihrauch, und deutlich sichtbarer Traurigkeit auf den Gesichtern. Fast trotzig klingt das “Gelobt sei Jesus Christus – in Ewigkeit, Amen” aus dem Mund der Gläubigen zu Beginn der Heiligen Messe.
Zur Begrüssung betont der Berliner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, dass Papst Benedikt immer wieder auf den “Berg des Glaubens” gestiegen sei, um den Menschen dann die Wahrheit des Evangeliums herabzubringen. Der “Theologen-Papst” habe andererseits auch aus den tiefen Quellen von Gottes Wort immer wieder geschöpft, um damit die Gläubigen zu stärken, wie es dem Petrus-Amt aufgetragen worden sei. “Nicht um Menschen, sondern um Gott zu gefallen”, die Worte des heiligen Paulus aus der ersten Lesung des Tages präzisierten in fast unheimlicher Weise den Dienst des 265. Nachfolgers Petri. “Könnt Ihr den Kelch trinken, den ich trinken muss?”, die Frage aus dem Evangelium des Tages an die beiden Söhne des Zebedäus, das ist die Dimension des Papstamtes. “Der Erste soll euer Sklave sein!“ – wie zeitlos die lebendigen Worte Christi sind! Wer will da noch klagen, dass Benedikt XVI. “zu wenig regiert habe”, wie einige meinen, ihm jetzt vorwerfen zu müssen?
Bei diesen Vorlagen hat es Erzbischof Robert Zollitsch leicht. Er erinnert in der Predigt an den Besuch des Papstes vor 17 Monaten in Berlin. Er habe mit den Menschen “über Gott reden” und das Evangelium unverfälscht verkündigen wollen. Er habe keine Ehre bei Menschen gesucht, sondern wirklich als “demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn” gewirkt. Das Papstamt sei “kein Karriereziel von Joseph Ratzinger gewesen“. Nicht Machtausübung habe Benedikt gewollt, sondern sich dem Dienst an der Wahrheit und für die Menschen immer wieder selbst untergeordnet und dabei schonungslos und mit grosser analytischer Kraft die Gefahren des Zeitgeistes, die “Diktatur des Relativismus” angesprochen, Globalisierung, Kapitalismus und den Machbarkeitswahn kritisiert, die Religionsfreiheit vor den Vereinten Nationen und die Ökologie des Menschen vor dem Deutschen Bundestag angemahnt, in Ausschwitz und in Israel sich gegen jeglichen Antisemitismus gestellt. Sein Pontifikat sei ein “geistliches Pontifikat” gewesen, das die Frage nach Gott in den Mittelpunkt gestellt habe. “Beten wir weiterhin für Benedikt, den Gesegneten, der auch für uns beten wird”, so der letzte Appell des Erzbischofs, der kein Wort über die vielen Vorgänge in Deutschland verlor, die dem Papst das Leben so beschwerlich gemacht hatten.
Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Périsset, erinnert in seiner kurzen Dankesrede an die letzte Deutschland-Reise des Heiligen Vaters 2011 mit den Stationen in Berlin, Erfurt und Freiburg. Dem einzigen Papstwähler unter den versammelten Geistlichen in der Kathedrale, dem Berliner Kardinal Woelki, gab er alle guten Wünsche für das bald beginnende Konklave mit auf den Weg und versichert ihn seines Gebetes um die Wahl eines würdigen Nachfolgers auf dem Stuhl Petri.
Für die “Generation Benedikt”, einem Mediennetzwerk junger Katholiken, das sich kurz nach dem Weltjugendtag 2005 mit Papst Benedikt gegründet hatte, war dieser Tag einer “mit gemischten Gefühlen“, wie Mike Schuster, der Berliner Sprecher, dieser Zeitung sagte. So verständlich das Eingeständnis des Papstes sei, nicht mehr die nötige Kraft zu haben, das Schiff Petri zu lenken, so traurig mache dies dennoch. Gerade die jungen Menschen würden dem Papst unendlich viel durch sein geschriebenes und gesprochenes Wort verdanken. Benedikt habe so vielen Jugendlichen geholfen, mehr vom Glauben zu verstehen. Immer wieder habe er betont: Ihr müsst wissen, was Ihr glaubt und warum Ihr glaubt. Der Papst habe immer wieder ermutigt, sich nicht zu verstecken, sondern zum eigenen Glauben und zu eigenen Überzeugungen zu stehen. Der grosse Andrang zum Gottesdienst zeige, dass der Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI. die Menschen in seiner Heimat nicht unbewegt lasse.
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