Das Konklave der Journalisten

Jenseits der Neugier

Die vertikale Dimension eines geschichtlichen Ereignisses.

Rom, kath.net/as, 15. Februar 2013, von Armin Schwibach

Konklave – die Wahl des Nachfolgers Petri: das Medienereignis schlechthin. Keine andere “Organisation” der Welt, keine andere Religion, keine andere christliche Kirche oder kirchliche Gemeinschaft ist in der Lage, ein derartiges weltweites Interesse auf sich zu konzentrieren wie die katholische Kirche. Journalisten aus allen Ländern kommen an, um sich beim Vatikan für das Ereignis zu akkreditieren. Alle wollen das Vorfeld des vom Geheimnis umwobenen Konklaves abklopfen, vielleicht aus Purpur tragendem Mund “das Neueste”, eine Meinung, eine Wertung hören, aus denen dann eventuelle “Kandidaturen” für die Nachfolge auf dem Stuhl Petri herausdestilliert werden. Katholische Kirche, Papst und Vatikan sind immer ein Interesse wert, vor allem in der jetzigen Ausnahmesituation eines in der Geschichte noch nie in dieser Weise dagewesenen Geschehens: der Papst ist zurückgetreten.

Das Papsttoto fasziniert viele, wobei immer wieder das bekannte Sprichwort vergessen wird: “Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder raus”. So erging es in der Vergangenheit zum Beispiel dem Erzbischof von Genua, Giuseppe Siri, der sogar viermal als “papabile” die Sixtinische Kapelle betrat – 1958, 1963 und 1978 – und sein Leben als herausragender Hirt der ligurischen Erzdiözese beendete, wichtiger Schutzdamm gegen die Wogen eines überschwappenden “Konzilsgeistes”.

Das Papsttoto gehört zum Treiben der Medien, die sich den 117 wählenden Kardinälen gern klischeehaft und unter rein weltlichen Kriterien der eigenen Vorstellung hinsichtlich einer Kirchenregierung nähern. Bekannte und unbekannt Namen werden in die Arena geworfen, doch an und für sich pflegt jeder nur sein persönliches Steckenpferd. Dabei darf natürlich der “schwarze Papst” mit den damit verbundenen (begründeten oder irrationalen) Emotionen nicht fehlen, oder vielleicht ein Papst aus Asien – weit weg halt von Europa mit seinem darbenden Christentum und seinem verdunstenden Glauben, frei nach dem Motto: vielleicht bringt die Ferne ja was Interessantes. Wer die “Kandidaten” im einzelnen sind, was sie geleistet haben, welche inhaltlichen Aussagen ihr bischöfliches Lehramt in der Vergangenheit bestimmt hatten, gerät leicht ins Hintertreffen.

Dazu kommt der aktuelle extreme Sonderfall der Abdankung des Papstes. “Wichtige” Fragen werden gestellt: Wie wird er sich nun kleiden? Wie wird sein Titel lauten? Emeritierter Papst? Emeritierter Bischof von Rom? Papst a.D.? Wie soll man ihn nennen? Wieder Kardinal (obwohl er mit der Wahl zum Papst ja aus dem Kardinalskollegium ausgeschieden war)? Spiessbürger interessieren sich dann vielleicht auch dafür, ob der Papst eine Rente bekommt, wer denn jetzt seine neue Wohnung im Vatikan bezahlen und seinen Lebensunterhalt bestreiten wird, ohne dabei zu bedenken, dass es sich um den emeritierten Erzbischof von München-Freising und emeritierten Professor für Theologie an deutschen Universitäten handelt, der Bücher in Millionenauflagen verfasst hat. Ist er nun “Gefangener im Vatikan”, wie ein deutscher Professor, aus seinem profunden Wissen schöpfend, andeutete? Darf er noch sprechen? Und natürlich: wird er sich mit dem neuen Papst treffen? Sozusagen um ihm zu erklären, was Sache ist?

Mit solchen und ähnlichen Fragen wird der Direktor des vatikanischen Presseamts nun fast tagtäglich bestürmt. Dass das Appartamento eines verstorbenen Papstes im Apostolischen Palast versiegelt und der Fischerring als eines der Zeichen des Petrusamtes zerstört werden wird, übt dabei eine besondere Faszination aus. Es ist, als käme drängend die Erinnerung an jenen Film mit Anthony Quinn aus dem Jahr 1968 hoch, als in einer dramatischen Anfangsszene von “In den Schuhen des Fischers” der Siegelring des verstorbenen Papstes mit einem Hammer und einem besonderen Meissel zertrümmert wird. Dabei geht es doch “nur” um die Zerstörung des päpstlichen Siegels, das nicht identisch ist mit dem Ring, den der Papst am Finger der rechten Hand trägt. Aber die Phantasie ist gross, und anscheinend haben viele den so oft gesehenen und auch ein paar Mal fast verlorenen Fischerring Benedikts XVI. sehr lieb gewonnen. Sogar die Frage nach einer “besonderen Zerstörungszeremonie” wurde daher gestellt.

Alles verzeihbar: die Neugier ob der sakralen Mystik um die Gestalt des Papstes rechtfertigt vieles. Wobei gerade jetzt eines klar sein sollte: niemand weiss nichts. Die Situation ist derart ausserordentlich, dass selbst eine 2000 Jahre alte Institution wie die Una Sancta keine Übung in ihr hat. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt herrscht im Wesentlichen Verwirrung, verbunden mit der angestrengten Suche nach Lösungen von noch nie da gewesenen Problemen.

So muss auch das Konklave in den rechten Zusammenhang gestellt werden, ohne den es nichts anderes als die politische Veranstaltung einer Wahlmonarchie ist, verbunden mit dem “Kampf” von Seilschaften, denen es nur um das eine geht: Macht.

Zum Schluss seiner Ansprache vor dem römischen Klerus am gestrigen Donnerstag, die unter dem Thema “Das II. Vatikanische Konzil – Erinnerungen und Hoffnungen eines Zeugen” stand, unterschied Papst Benedikt XVI. das “Konzil der Väter” – das wahre Konzil – vom “Konzil der Medien und der Journalisten”. Letzteres sei fast ein Konzil für sich gewesen, “und die Welt hat das Konzil über sie, über die Medien, wahrgenommen”, so dass das Konzil, das unmittelbar zu den Menschen gelangte, dieses Konzil der Medien gewesen sei. Benedikt XVI. hob hervor:

Während sich das Konzil der Väter innerhalb des Glaubens verwirklicht und den “intellectus” gesucht und so versucht habe, die Zeichen Gottes in jenem Moment zu verstehen, “verwirklichte sich das Konzil der Journalisten natürlich nicht im Glauben, sondern innerhalb der Kategorien der heutigen Medien, das heisst außerhalb des Glaubens, mit einer anderen Hermeneutik. Es war eine politische Hermeneutik: für die Medien war das Konzil ein politischer Kampf, ein Machtkampf zwischen verschiedenen Strömungen in der Kirche”. Anliegen dieser Hermeneutik ist es laut dem Papst gewesen, das Sakrale zu beenden, was auch für den Kult gegolten habe: “Profanisierung auch des Kultes: der Kult ist kein Kult, sondern ein Akt des Zusammenseins, der gemeinsamen Teilnahme und so auch der Teilnahme als Aktivität”.

In ähnlicher Weise läuft auch das Konklave Gefahr, zum “Konklave der Medien” zu werden, ohne das Einzigartige in diesem komplexen Prozess zu erkennen: das Wirken des Heiligen Geistes in seinen schwachen und starken Instrumenten. Wie sagte Benedikt XVI. am 10. Februar noch zum Gebet des Angelus? Der Mensch “ist nicht Urheber seiner Berufung, sondern antwortet auf den göttlichen Vorschlag; und die menschliche Schwäche darf nicht ängstigen, wenn Gott ruft. Man muss auf seine Kraft vertrauen, die gerade in unserer Armut wirkt; man muss sein Vertrauen immer mehr in die Macht seines Erbarmens setzen, das verwandelt und erneuert”.

Die kommenden Wochen werden die Gelegenheit bieten, das Innenleben und die Mechanismen einer Institution näher kennenzulernen, die niemals von ihrer vertikalen Ausrichtung getrennt und auf eine reine Horizontale herunterdekliniert werden darf, ohne dabei den Blick auf ihre Wesensstruktur zu verlieren.

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