Syrien: “Keine Chance mehr für Friedenslösung”

Er gehört zu den Letzten, die noch auf eine Verhandlungslösung in Syrien setzen:

Papst Benedikt XVI.

Vor Diplomaten hat er am Montag einen nationalen Dialog in dem Bürgerkriegsland angemahnt und gewarnt, bei einem Weitergehen des militärischen Konflikts werde es “nur Verlierer” geben. Doch der deutsche Friedensforscher Thomas Hoppe hält die Zeit der Diplomatie in Syrien für abgelaufen. Dabei hatte er selbst vor Monaten ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft gefordert:

“UNO-Sondervermittler Lakhdar Brahimi hat ebenso ergebnislos wie sein Vorgänger verhandelt. Vor einer Woche sind in Moskau die Gespräche gescheitert.

Es spricht nichts dafür, dass Diplomatie noch eine Chance hat. Die Frage nach einem militärischen Eingreifen stellt sich heute anders.

Vor einem halben Jahr wäre es viel einfacher gewesen, Korridore zu schaffen, in denen man humanitäre Hilfe leisten kann. Natürlich hätte man dazu Soldaten benötigt – ein Aufwand, der an anderen Orten auch geleistet wurde. Warum in Syrien nicht gehen soll, was woanders problemlos möglich war, kann ich nicht erkennen. Nun gilt es zu verhindern, dass Assad Chemiewaffen einsetzen kann. Die humanitären Aspekte geraten weitgehend in den Hintergrund.”

Hoppe glaubt längerfristig sogar an ein Auseinanderbrechen des syrischen Staates:

“Vor einem halben Jahr war ich optimistischer. Inzwischen ist die Gewalt so sehr eskaliert und so viel brutales Eigeninteresse – auch der Oppositionsgruppen – sichtbar geworden, dass ich eher damit rechne, dass es zu einer Zersplitterung Syriens kommen könnte. Dann würde es nicht zu so etwas wie einer neuen Verfassungsordnung kommen.”

Bashar al-Assads Rede an sein Volk zu Beginn dieser Woche hat ein Ende des Konflikts eher in weitere Ferne rücken lassen, glaubt der in Hamburg lehrende Professor im Gespräch mit dem Kölner Domradio.

“Beide Parteien gehen davon aus, dass sich dieser Konflikt militärisch gewinnen lässt. Für die Bevölkerung bedeutet das in den nächsten Wochen und Monaten noch mehr Entbehrungen, Hunger, Kälte und mangelnde medizinische Versorgung. Flüchtlingselend in jeder Form. Und ein Ende der Auseinandersetzungen lässt sich nicht absehen.”

In seiner Polit-Rede am Montag hatte der Papst vor “Missverständnissen” in den westlichen Ländern über die Bedeutung der Menschenrechte gewarnt: Nur wenn der “Schutz der Menschenrechte nicht nur der Befriedigung der individuellen Bedürfnisse diene”, sei er “authentisch”.

Das hat aus Hoppes Sicht durchaus Bedeutung für Syrien:

“Insoweit eine grosse, als damit der Rahmen aufgezeigt wird, auf den eine künftige Ordnung hin orientiert sein muss, wenn sie von den Menschen angenommen werden soll. Gemeint sind in dieser Überlegung, dass man Menschenrechte nicht mit einer Aufforderung zu Egoismus verwechseln soll. Es geht darum, die eigenen Interessen innerhalb der Interessenlagen vieler anderer Staaten wahrgenommen zu sehen. Das ist der Sinn, der auch hinter dem Gedanken der Demokratisierung steht: zu Formen von Interessensausgleich vorzudringen, bei denen man das Instrument der Gewalt gar nicht mehr braucht.”

domradio 09.01.2013 sk

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