Pontifikalamt am Pfingstsonntag, 27. Mai 2012 update

Homilie des Bischofs von Chur, Dr. Vitus Huonder

Brüder und Schwestern im Herrn,

wenn wir vom Geist sprechen, meinen wir damit oft eine Gesinnung, eine Haltung oder eine Einstellung. So sagen wir etwa von einem Menschen, er sei ein guter Geist, und meinen damit, er hätte eine gute Gesinnung; er sei ein Mensch, der Gutes tut und für die Umgebung eine Wohltat ist.

Wir verstehen unter Geist auch eine intellektuelle Fähigkeit, eine Fähigkeit, eine Situation zu erkennnen und die Dinge so anzupacken, dass daraus etwas wird, dass etwas zu einem guten Ergebnis führt. In diesem Sinn sagen wir: Dieser Mensch hat Geist. Natürlich kann dies auch negativ erfolgen, indem wir von einem bösen Geist sprechen, oder von einem schwachen Geist. Jedenfalls so betrachtet, ist Geist eine Eigenschaft des Menschen. Dem Menschen ist Geist eigen.

Analog könnten wir auch von Gott in dieser Weise sprechen. Der Geist wäre dann eine Eigenschaft Gottes und Ausdruck des Wirkens Gottes. Doch wie Jesus im heutigen Evangelium vom Geist spricht (Joh 15,26-27; 16,12-15), ist er viel mehr als eine “Eigenschaft” Gottes. Der “Beistand” oder der “Geist der Wahrheit” wird deutlich als Person erkannt, als ein in sich ruhendes Wesen. Denn Beistand und Helfer sein, kann nur eine Person.

Bisher hat Jesus immer vom Vater gesprochen, jetzt spricht er vom Beistand, den der Vater senden wird. Er unterscheidet den Beistand vom Vater und schreibt ihm gleichzeitig göttliche Eigenschaften zu. Auf diese Weise erfahren wir die Existenz einer dritten göttlichen Person. Damit offenbart uns Jesus das innerste Geheimnis Gottes: Die Dreifaltigkeit. Die Theologie versucht dieses Geheimnis mit den Worten auszudrücken: In Gott sind drei Personen. Oder: Es gibt einen Gott, doch in drei Personen. Das macht das christliche Bekenntnis aus.

Diese Offenbarung hat Bedeutung für den Menschen, für die Vollendung des Menschen. Es ist nicht nur ein Mehr-Wissen über Gott. Der Mensch kann nur durch den Heiligen Geist die Fülle des Seins, damit die Fülle der Erlösung erlangen. Das geht aus dem hervor, was uns Jesus selber lehrt. Der Heilige Geist ist für den Menschen nicht nur von  “theoretischer” Bedeutung. Denn nur durch den Heiligen Geist kann der Mensch zur vollen Erkenntnis des dreifaltigen Gottes gelangen. Anderseits wirkt sich die Erkenntnis des dreifaltigen Gottes auf den Zustand des Menschen aus, auf sein Heil.

Jesus sagt: “Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen” (Joh 16,12). Das heisst wohl nicht, dass Jesus nicht die ganze Wahrheit verkündet hat, das heisst vielmehr, dass der Mensch, dass die Jünger noch nicht fähig waren, die ganze Wahrheit zu verstehen. Sie sind auf den Geist der Wahrheit, auf den Heiligen Geist angewiesen, um die ganze Wahrheit zu begreifen – oder die Wahrheit ganz zu begreifen.

Jesus selber sagt, er hätte ihnen noch vieles zu sagen, aber sie könnten es nicht tragen, nicht ertragen. Die Jünger sind nicht in der Lage, das Geheimnis des Glaubens in seiner Fülle zu erkennen und aufzunehmen. Durch den Heiligen Geist soll gleichsam ihr Aufnahmevermögen geweitet werden. Durch den Heiligen Geist sollen sie fähig werden, das Geheimnis des Glaubens in seiner ganzen Tiefe zu erkennen und dadurch an der vollen Glückseligkeit Anteil zu haben. Denn die grössere Erkenntnis des Glaubens führt zur grösseren Glückseligkeit. Wo das Gefäss grösser ist, da mehrt sich der Inhalt.

Es muss sich also im Menschen drin etwas verändern,  um Gottes Gaben aufnehmen zu können. Der Mensch braucht neue Augen, neue Ohren, ein neues Herz, ein grösseres Herz, um die ganze Wirklichkeit Gottes zu erfassen, zu verstehen und davon leben zu können. Das wird an uns durch den Heiligen Geist geschehen. Deshalb bitten wir mit der Pfingstsequenz: ” O du Licht der Seligkeit, mach dir unser Herz bereit, dring in unsre Seelen ein. Ohne deiner Gottheit Wehen, nichts im Menschen kann bestehen, nichts ohne Schuld und Fehler sein.”

Amen

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