Papst Benedikt XVI.: Liturgie ist keine Show
Religion nicht mit modischen Mätzchen und kessen Moralismen interessant machen
Die liturgischen Anliegen von Papst Benedikt XVI. sind in der Vergangenheit mehrfach und ausführlich dokumentiert worden. Auch im Band 11 seiner gesammelten Schriften, Theologie der Liturgie, wird eine Predigt bei der Bischofskonferenz in Fulda 15 Jahre nach dem Konzil zitiert, in der der Papst zum Thema “Unterhaltungswert von Liturgie” Stellung nimmt:
“Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns nachdrücklich daran erinnert, dass die Liturgie in der Sprache der Kirche “Actio” heisst. Sie ist eine Handlung und deswegen gibt es die “participatio actuosa”, die tätige Beteiligung aller Gläubigen. Aber da ist dann vielfach in geringerem oder grösseren Mass der Eindruck entstanden, die Liturgie müsse von den Gläubigen gemacht werden… und das hat, etwas grob gesagt, dazu geführt, dass man anfing, ihr Gelingen schliesslich an ihrem Unterhaltungswert zu messen.
Sie sollte recht spannend gestaltet werden… aber dabei ist uns etwas Merkwürdiges widerfahren: gerade so ist ihre eigenen innere Spannung verlorengegangen. Die kommt nämlich nicht von dem, was wir tun, sondern davon, dass hier etwas getan wird, was wir selbst alle zusammen gerade nicht tun können… hier wirkt eine Vollmacht, die keiner sich selbst geben kann, dass wirklich das Ganz-Andere geschieht, der Ganz-Andere unter uns hereintritt…
Die Eucharistie hat den Tod des Herrn gekostet und nur darum kann sie Gabe der Auferstehung sein. Darum kommt es in der Eucharistie nicht auf von uns produzierten Abwechslungen an. Alle Abwechslungen finden ihr Ende und alle Unterhaltung wird schliesslich langweilig –wie sehr wissen wir das heute. Es kommt darauf an, dass das Immerwährende, das Eigentliche uns gegenwärtig wird und dass wir auf dieses zugehen… In der Liturgie kommt es nicht auf Abwechslung an, sondern gerade darauf, das immer tiefer zu erfahren, was nicht zu wechseln braucht, weil es die eigentliche Antwort ist, die wir suchen…
In der Liturgie geht es nicht um solches, das wir vordergründig augenblicklich verstehen können, wie wir eine Zeitungsschlagzeile verstehen. In der Liturgie wird die ganze Tiefe des Menschseins angesprochen, die viel weiter reicht als unser Alltagsbewusstsein” (Joseph Ratzinger, Theologie der Liturgie, Gesammelte Schriften Bd.11, S. 629).
An anderer Stelle schreibt er, der sogenannten Liturgischen Bewegung sei es nicht um “Machen von Texten, um das Erfinden von Aktionen und Formen” gegangen, “sondern um die Wiederentdeckung der lebendigen Mitte, um das Eindringen in das innere Gewebe der Liturgie, zu neuem, von innen her geformten Vollzug.” (ibid, S. 633) Davon habe man sich immer mehr entfernt. Das Ergebnis sei nicht Wiederbelebung, sondern Verwüstung:
“Auf der einen Seite steht eine zur Show degenerierte Liturgie, in der man die Religion mit modischen Mätzchen und kessen Moralismen interessant zu machen versucht, mit Augenblickserfolgen in der Gruppe der Macher und mit einer nur um so breiteren Abwendung all derer, die in der Liturgie nicht den geistigen Showmaster suchen, sondern die Begegnung mit dem lebendigen Gott, vor dem unser Machen belanglos wird…Weil es so steht, ist ein neuer, geistlicher Impuls vonnöten, der uns Liturgie als gemeinschaftliches Tun der Kirche zurückgibt und sie dem Belieben der Pfarrer oder der Liturgiekreise entreisst” (ibid).
Eine solche neue liturgische Bewegung könne man nicht machen, wie man überhaupt nichts lebendiges “machen” könne, sondern man könne ihrem Heraufkommen dienen, indem man sich selbst den Geist der Liturgie neu aneigne, deren Gewordenes und Gewachsenes der unantastbare Abglanz der ewigen Liturgie sei.
Nach dem Konzil sei an die Stelle der gewachsenen und gewordenen Liturgie eine “gemachte” als “plattes Produkt des Augenblicks” getreten, nach dem Muster “technischer Produktion”.
Liturgie werde nicht von der Gemeinde “gemacht”, sondern die Gemeinde empfange sie vom Ganzen der Kirche. Die Gemeinde sei nur dann beim Herrn und in seinem Namen versammelt, wenn sie ganz beim Ganzen sei, in der Einheit mit dem Papst, mit den Bischöfen und mit den Gläubigen aller Orte und Zeiten.
Der Mensch sei ein Geschöpf, das den Kerker der Endlichkeit sprengen und aus der Geschlossenheit seines Ich und dieser ganzen Welt ausbrechen wolle. Dem Menschen sei diese Welt zu klein, auch wenn er eines Tages zum Mars fliegen könnte. Er sehne sich nach dem Ganz-Anderen, nach der Begegnung mit dem lebendigen Gott und nach einem Leben, das grösser ist als der Tod. Das Geheimnis Gottes habe Jesus Christus uns durch sein Sterben und Auferstehen zugeeignet, das wir in der Eucharistie feiern, die eine unlösbare Einheit von Opfer und Mahl darstelle. Darin gründe die Unersetzlichkeit der Eucharistie, bei der etwas geschehe, was weit über jede Art menschlicher Feier und menschlicher Zusammenkunft hinausreiche.
Höchster Auftrag der Kirche sei die Verherrlichung des lebendigen Gottes, aus der das Heil der Menschheit komme (ibid). [jb]
Buchtipp: Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI., Theologie der Liturgie, Gesammelte Schriften, Bd. 11, 3. Auflage, Freiburg 2010
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