Mediendesaster im Vatikan

Dringend sollte der Vatikan die eigene Medienarbeit überdenken

Die Tagespost, 15.02.2012, von Guido Horst 

Anfang dieser Woche ist das vatikanische Presseamt zum insgesamt fünften Mal mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit gegangen, um die Vorgänge zu kommentieren, die unter dem Begriff “Vaticanleaks” bereits zu einem Dauerspektakel geworden sind: Vertrauliche Dokumente werden aus den Büros der Kurie geschmuggelt, in der Regel aus den Räumen des vatikanischen Staatssekretariats, und dienen Zeitungen und Magazinsendungen als Stoff für reisserische Storys, die den Vatikan schlecht aussehen lassen. Diesmal wählte der Chef des Presseamts, der Jesuitenpater Federico Lombardi, den Weg über eine Erklärung gegenüber Radio Vatikan, dessen Direktor er ebenfalls ist. Interessierte Kreise haben die Worte des Vatikansprechers überflogen, bewegt haben sie nichts.

Wer immer nur verurteilt und dementiert, wird mit der Zeit nur noch als Hintergrundrauschen wahrgenommen. Die Medienarbeit des Vatikans ist derzeit rein reaktiv, das Gesetz des Handelns liegt bei denen, die dem Papst eins auswischen wollen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Pater Lombardi ist absolut unschuldig. Er ist lieb. Und überaus nett. Manche nennen ihn einen Heiligen. Wenn er spät abends in der Jesuitenkurie nach seinen vier Jobs – Direktor des vatikanischen Fernsehens, Leiter des Presseamts des Papstes, Chef von Radio Vatikan und im Jesuitenorden zuständig für die Region Europa – auch noch die Küche aufräumt, möchten manche glauben, eine Reinkarnation des heiligen Ignatius vor sich zu haben. Aber als Pressemann der römischen Kurie ist Pater Lombardi eine stumpfe Waffe. Er ist ein an die Leine gelegter Pressesprecher. Alles, was er verlauten und vermelden darf, erreicht ihn vom vatikanischen Staatssekretariat. Von der ersten Sektion dieser Zentralbehörde, die wie fünf Meter Beton über allen Dikasterien der Kurie liegt und darüber entscheidet, ob die Regierung des Papstes funktioniert. Genau diese erste Sektion des Staatssekretariats ist dafür bekannt, dass sie manchen Vatikanprälaten beschäftigt, der das Ende des Pontifikats von Benedikt XVI. herbeisehnt. Wen wundert es also, dass die erste Sektion des Staatssekretariats – wie schon im “Fall Williamson” – manchen Anteil daran hat, dass der deutsche Papst im Regen steht. Und Pater Lombardi ist das nach aussen hin hörbare Totenglöckchen, das das Versagen der päpstlichen Medienarbeit mit erbärmlichem Geklingel verkündet.

Doch was heisst “im Regen stehen”? Man muss das präzisieren: Die katholische Kirche geht auf ein vom Papst angekündigtes “Jahr des Glaubens” zu und sucht in den Ländern des Westens Energien für einen Neuaufbruch. Stichwort: Neu-Evangelisierung. Dazu steuert Benedikt XVI. eine reiche Verkündigung bei. Kaum eine grosse Audienz, kaum eine Predigt oder Ansprache vergeht, in der der Papst in seiner gedanklich klaren Art nicht Kernfragen des Glaubens freilegt und erklärt. Aber sein Wort dringt nicht durch. Jeder popelige Getränkehersteller bringt seine Werbe-Botschaft professioneller rüber. Dringend sollte der Vatikan die eigene Medienarbeit überdenken. Nur zu reagieren, genügt nicht. Das, was Petrus der Welt heute zu sagen hat, hätte diese Anstrengung wirklich verdient.

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