Kritik an “Tod auf Bestellung”

In Den Haag wollen Euthanasie-Befürworter die erste Sterbe-Klinik eröffnen

Die Tagespost, 10.02.2012, von Stefan Rehder

Die Pläne der “Niederländischen Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende” (NVVE), ab dem 1. März sechs ambulante Euthanasie-Teams einzusetzen, die Sterbewillige zu Hause auf Verlangen töten oder bei einem Suizid begleiten sollen (DT, 9.2.), hat in den Niederlanden und Deutschland eine Welle der Kritik ausgelöst. Ärzte, Lebensrechtler und Kirchenvertreter reagieren bestürzt auf den Vorstoss. Selbst die Niederländische Ärztevereinigung KNMG zeigte sich “skeptisch” und warnte vor unabsehbaren Folgen für das Arzt-Patient-Verhältnis.

Wir halten es für problematisch, dass in diesen Fällen die Beziehung zwischen Arzt und Patient ausschliesslich auf die Sterbehilfe konzentriert ist”, erklärte Eric van Wijlick, der bei der KNMG das Projekt “Unterstützung und Beratung bei Euthanasie in den Niederlanden” leitet. Die KNMG ist die grösste Ärztevereinigung in den Niederlanden und vertritt die Interessen von mehr als 53 000 Medizinern. Laut van Wijlick bestehe in den Fällen, in denen ein Arzt ihm nicht bekannte Patienten nur unter dem Aspekt der Euthanasie aufsuche, zudem “die Gefahr, dass die Alternativen schnell aus dem Blick geraten”.

Die NVVE begründet die Einführung der mobilen Euthanasie-Teams, die aus je einem Arzt und einem Pfleger bestehen sollen, mit der Behauptung, auch zehn Jahre nach der Legalisierung der “Tötung auf Verlangen” und des “ärztlich assistierten Suizids” gäbe es in den Niederlanden immer noch Menschen, die sich eine Beendigung ihres Lebens wünschten, aber keinen Arzt fänden, der dazu bereit sei.

Eugen Brysch, Geschäftsführender Vorstand der “Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung”, will dies nicht gelten lassen. Derzeit fänden 80 Prozent der gemeldeten Euthanasie-Fällen in den Niederlanden zu Hause statt. “Mit dem neuen Modell soll der Hausarzt umgangen werden und keine Zweitmeinung mehr nötig sein”, ist Brysch überzeugt.

Das am 1. April 2002 in den Niederlanden in Kraft getretene Gesetz sichert Ärzten, die Patienten auf deren Verlangen töten oder bei einem Suizid zur Hand gehen, Strafffreiheit zu, wenn diese die im Gesetz vorgeschriebenen “Sorgfaltskriterien” beachten. Dazu gehört auch, dass der Arzt vor der Durchführung der Euthanasie “mindestens einen anderen, unabhängigen Arzt” konsultiert. “Wenn ein Hausarzt, der den Patienten gut kennt, die Sterbehilfe ablehnt und auch keinen Kollegen bittet, sie zu übernehmen, wird er seine Gründe haben”, meint Raymond Voltz, Vizepräsident der “Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin”. Für den Direktor des Zentrums für Palliativmedizin des Kölner Universitätsklinikums unterstreicht die Weigerung der Hausärzte die Fragwürdigkeit des neuen Vorstosses und werfe ein negatives Licht auf die gesetzlichen Vorgaben. “Wenn die ambulante Sterbehilfe nach den Regularien korrekt ist, dann sind die Regularien zu lasch”, so Voltz. Auch der Präsident der Ärztekammer Nordrhein-Westfalen Rudolf Henke zeigte sich bestürzt über die Pläne der NVVE. “Es bleibt unsere tiefe Überzeugung, dass das Töten nicht ins Handwerkszeug von Ärztinnen und Ärzten gehört”, so Henke. Es dürfe kein gesellschaftliches Klima entstehen, das Sterbehilfe für Menschen, die Angst vor körperlichen Schmerzen, seelischen Nöten oder Vereinsamung haben, zum Mittel der Wahl mache. Beim Ausbau von Palliativstationen, Hospizen und der ambulanten Palliativversorgung habe es nach Worten Henkes gerade in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen zwei Jahrzehnten grosse Fortschritte gegeben. Doch noch immer würden viele der schwerstkranken und sterbenden Menschen von den Angeboten nicht erreicht. “Unser Ziel ist es, dass niemand unter Symptomen wie Schmerzen, Atemnot oder Übelkeit leiden muss oder sich am Lebensende alleingelassen fühlt.” Laut Henke machte Ärztinnen und Ärzte “tagtäglich die Erfahrung, dass unheilbar kranke Menschen, deren körperliche Leiden wirksam bekämpft und deren Sorgen ernst genommen werden, auch die letzten Tage ihres Lebens als lebenswert erleben”.

Unterdessen hat die NVVE ihre im vergangenen Jahr bekannt gewordenen Pläne für die Errichtung einer “Lebensendeklinik” weiter konkretisiert. So schätzt NVVE-Direktorin Petra De Jong, dass die Klinik, die am 1. März in Den Haag eröffnet werden soll, Kapazitäten für rund 1 000 sterbewillige Menschen im Jahr bereithalten müsse. Für ihre Inbetriebnahme sei ein Startkapital von 800 000 Euro erforderlich, sagte die Lungenfachärztin. Bis Mitte des Jahres sollen dort auch Menschen ihre letzten Stunden verbringen, die von den ambulanten Euthanasie-Teams zu Hause besucht wurden, “in Folge der Umstände aber nicht zu Hause sterben können”.

Die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), Mechthild Löhr, bezeichnete die Einführung der ambulanten Euthanasie und die geplante Eröffnung einer “Sterbeklinik” als “Tod auf Bestellung” und “kultivierte Form der Barbarei”. Auf diese Weise werde der Tod kommerzialisiert und drohe zu einem “Jedermann-Angebot” zu werden. Kritik an der Sterbeklinik äusserte auch Friedrich Hauschildt, Vizepräsident im Kirchenamt der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD). In einem Interview mit dem Radiosender ERF Plus kritisierte er die hinter der Euthanasie stehende Vorstellung, menschliche Selbstbestimmung erstrecke sich auch auf den Anfang und das Ende des Lebens. Die Kirche könne diese Ansicht nicht teilen. “Wir betrachten das Leben als Gabe von Gott, über die wir nicht einfach verfügen können”, so Hauschildt.

Schreckliche Visionen! Anmerkung der Redaktion

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