Wort des Bischofs

Zum Gallusjubiläum 612 – 2012

Liebe Schwestern und Brüder

Wenn wir herausragende Menschen der Vergangenheit dem Nachhaltigkeitstest unterziehen, steht in unserer Region der Heilige Gallus sicher hoch auf dem Podest. Grund genug, ihn auch 1400 Jahre nach seiner Ankunft im Steinachtal zu feiern. Er ist mehr als zufälliger Namensgeber von Kloster, Stadt, Kanton und Bistum. Er hat als geisterfüllte Persönlichkeit die Entwicklung unserer Region unverkennbar geprägt. Die Botschaft seines Lebens hat nachhaltige Spuren in Kirche und Gesellschaft hinterlassen.

Was können wir von Gallus für unser persönliches Leben und unser Christsein lernen?

Zugegeben: Rein historisch belegt wissen wir nicht sehr viel von ihm. Aber eines ist seit der ersten Geschichtsschreibung seiner Vita bis heute treu überliefert: Er folgte in seinem Leben einem inneren Ruf. Und dies sogar gegen den Willen seines strengen Abtes Kolumban. Gallus trennte sich von der Gemeinschft der irischen Mönche, um in Abgeschiedenheit und Gebet seine innere Pilgerschaft der Gottsuche zu vertiefen.

Liegt darin nicht schon ein entscheidender Impuls für unser Leben?

Wir beschäftigen uns sehr aktiv mit der Organisation unseres Alltags und unserer Beziehungen. Für Ruhe, Besinnung und Einkehr bleibt wenig Raum.

  • Viele sind in den persönlichen Ausdrucksformen des Christseins im schnellen Wandel unserer Zeit heimatlos geworden.
  • Eine christliche Familienkultur, die früher mit viel Selbstverständlichkeit gepflegt wurde, wird kaum mehr weitervermittelt an die nächsten Generationen.
  • Die Entfremdung vom Gemeinschaftsleben der Pfarrei, vom regelmässigen Gottesdienst und von den Sakramenten, die das Leben begleiteten, schwächen die prägende Kraft des Glaubens.

Darüber zu jammern oder gar Schuld zuzuweisen, hilft nicht weiter. Vielmehr kann uns Gallus in seinem Jubiläumsjahr Wegweiser sein.

Eingebunden in die kirchliche Tradition seiner Zeit hat er seine Spiritualität ganz tief in der biblischen Botschaft verwurzelt. Die Tiefe dieser Botschaft nicht nur zu kennen, sondern sie auch konkret zu leben, war ein Wesenszeichen der irischen Mönche. Das Fallen in die Dornen verbunden mit dem Psalmvers “Haec requies mea in aeternum” – frei übersetzt “Hier ist meine Bleibe für immer” – war für Gallus weisendes Zeichen vom Himmel, dass Gott ihn an diesem Ort haben wollte. Uns heutigen Menschen ist dieser direkt lebensweisende Zugang zu Texten der Heiligen Schrift weitgehend verloren gegangen.

Im soeben gehörten Johannesevangelium fragen die beiden Jünger, die von Johannes dem Täufer auf den Messias hingewiesen werden: ” Meister, wo wohnst Du?”. Er antwortet ihnen :” Kommt und seht”. Jesus kennen lernen, bei ihm wohnen, mit ihm in freundschaftlicher – ja liebender Beziehung zu stehen, das ist die Wurzel unseres Glaubens und unseres Lebens. Diesen Zugang zu Jesus, seinem Leben und seiner Botschaft zu fördern, ist Ziel unserer pastoralen Initiativen. Ich danke allen, die dafür neue Formen finden und die sich auch mühen, in der Tradition Überliefertes so fruchtbar zu machen, dass Menschen mit den Fragen von heute darin Halt und Weisung finden.

Gallus hat den Glauben nicht nur mit Worten gepredigt, sondern durch sein Leben bezeugt. Christsein der Zukunft heisst, Zeugnis zu geben durch unser Leben und bereit zu sein, mit allen in Dialog zu treten, die “nach dem Grund unserer Hoffnung” fragen. Den Glauben teilen, den Glauben mitteilen und ins Gespräch einer offenen Gesellschaft zu bringen, ist eine grosse Herausforderung unserer Zeit. Sie setzt eine persönliche Glaubensvertiefung voraus.

Papst Benedikt XVI. hat mit dem Aufruf zur “Neuevangelisierung” genau dieses Thema zur zentralen Aufgabe der ganzen Kirche für die kommenden Jahre gemacht. Es trifft sich deshalb gut, dass unser Gallusjahr mit der Weltbischofssynode zu diesem universalkirchlichen Thema zusammenfällt. Beten wir, dass die Beratungen der Bischöfe fruchtbar und wegweisend werden für die Gestalt einer Kirche, die sich im Blick auf das Wesentliche dem Wandel nicht verschliesst. Es bleibt ihre bleibende missionarische Sendung, den Menschen von heute glaubwürdig die tragende und heilende Btschaft Jesu zu verkünden, die “Zeichen der Zeit” zu erkennen und sich gegen die Entsolidarisierung in der Gesellschaft aktiv einzusetzen.

Am Ort, wo Gallus gelebt und gewirkt hat, fand dieser Prozess über Jahrhunderte statt. Die Ausstrahlung der bedeutenden Benediktinerabtei St. Gallen, die Entwicklung einer selbstbewussten Stadt und die Gründung eines Kantons, der seinen Namen trägt, zeugen vom starken Anfangsimpuls, den der Mönch Gallus gesetzt hat. Wenn seine Gedanken heute alle Bereiche unseres Zusammenlebens in Kirche, Gesellschaft, Stadt und Kanton bewegt, erkennen wir wie nachhaltig sein Lebenszeugnis ist. Gallus hat tiefe Wurzeln des christlichen Glaubens in unserer Region hinterlassen. Er ist geblieben und hat neue Wege gesucht und beschritten. Seinem Beispiel zu folgen bedeutet aber nicht stehn zu bleiben und nach hinten zu schauen. Es fordert uns heraus, Aufbrüche zu wagen, wo sie notwendig sind, Brücken zu bauen und heute von Gott zu reden in unserer Sprache.

Mit dem gemeinsamen Planen und Feiern des Jubiläumsjahres ist ein guter Grund gelegt für die weitere Gestaltung einer lebensfördernden Gemeinschaft in Stadt, Kanton und Bistum. Möge Gott unsere Initiativen über das Gallusjubiläum hinaus fruchtbar werden lassen und uns in der gemeinsamen Verantwortung mit seinem Segen begleiten.

Für Ihre Verbundenheit danke ich Ihnen herzlich und grüsse Sie mit den besten Wünschen für das Jahr 2012.

Ihr Bischof

+Markus Büchel

Quelle
Bistum St. Gallen

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