Nikolaus: Märchengestalt oder heiliger Konzilsbischof ?
Was es hinter einem christlichem Brauchtum alles zu entdecken gibt
Ein Hintergrundbericht von P. Robert Bösner OSB
St. Pölten, kath.net, 05.12.2011
Vom ersten Konzil nach der 300jährigen Verfolgungszeit der Kirche, dem Konzil von Nicäa (325), ist auch die Liste der Konzilsväter erhalten. Sie haben die Beschlüsse der Beratungen über die wahre Gottheit des Weltenerlösers Jesus Christus mit ihrer Unterschrift sanktioniert. Unter ihnen (ca. 380 an der Zahl) ist auch in griechischer Schrift ein “nikolaos episkopos Myriootees” (Nikolaos, Bischof von Myra) zu finden. Myra war eine antike Küstenstadt in Lykien; heute heisst diese Stadt Demre, nahe bei Attalia, einer modern ausgebauten Touristenstadt im Süden der Türkei. Von seiner Bischofsstadt zog Bischof Nikolaus (wahrscheinlich per Schiff) mehrere hundert Kilometer zur Teilnahme am Konzil nach Nikaia (Nizäa), einer kleinen Stadt nahe Byzanz, der Hauptstadt des Oströmischen Reiches.
So wie viele andere rechtgläubige Bischöfe seiner Zeit war auch er überzeugt, dass die Lehre des Arius aus Ägypten über Jesus Christus nicht zum überlieferten Glaubensgut der Apostel dazugehört. Denn, um den Glauben an den dreifaltigen Gott den Zeitgenossen “plausibel” zu machen, lehrte Arius, dass der Sohn Gottes das erste Geschöpf (!) des Vaters wäre. Ein “Sohn” könne ja dem “Vater” nicht ebenbürtig sein! Seit jenem Konzilsbeschluss beten wir Christen im (grossen) Glaubensbekenntnis: “Wir glauben an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit (Anm: er ist göttlich, ewig), Gott von Gott (Anm: so wie) Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen (Anm:. nicht ein Geschöpf, sondern) eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen.”
In vielem ähnelt dieser antike Konzilsbischof dem sel. Papst Johannes XXIII., der die erste Konzilsperiode des 2. Vatikan. Konzils 1962 einberufen und daran teilgenommen hatte. Auch Bischof Nikolaus war ein stark volksverbundener Seelsorger wie Papst Johannes XXIII., der schon heute in den Herzen der Menschen liebevoll verehrt wird.
Heute, nach ca. 1700 Jahren, haben viele Episoden aus dem Leben des Heiligen Bischofs Nikolaus durch das häufige Erzählen, besonders Kindern gegenüber, märchenhafte Züge bekommen. Aber es bleibt, dass durch die Erinnerung Erwachsener an ihn viele historische Ereignisse seiner gelebten Gottes- und Nächstenliebe im Erzählgut weiterleben. Vor allem aber leben sie durch die wiederholten Erzählungen in den Herzen der Kinder weiter.
Und so übt das liturgische Gedenken des um 354 verstorbenen Bischofs am 6. Dezember sowohl in der Ostkirche, wie auch später bei uns in der Westkirche eine besondere Anziehungskraft aus. Die entgegenkommende Liebe des antiken Bischofs in der Abhilfe der Not der Menschen hat zeitlose Bedeutung für Jung und Alt bekommen. Und es stimmt schon, was das christliche (!) Brauchtum “lehrt”: dass seit der Erlösung durch Jesus Christus und die Gottes-und Nächstenliebe seiner Jünger der Widersacher besiegt ist, und er nur mehr als “Krampus” dem Heiligen (Nikolaus) dienen muss. Er hat nur mehr die Aufgabe, dessen schweren Sack mit den Gaben für die “Braven” zu tragen und ist angekettet, und er kann nicht mehr tun und lassen, was er will. Selbst die “Schlimmen” mit seiner Rute strafen kann er nicht, wenn es ihm der väterliche Heilige, der unwillkürlich den himmlischen Vater symbolisiert, nicht erlaubt.
Wie anders ist es da um das heidnische Brauchtum zu allen Zeiten bestellt, das mehr den Anlass zu allerlei Ausgelassenheit bietet, Kinder und Mädchen in Schrecken versetzt und gelegentlich die zivilen Ordnungskräfte auf den Plan ruft. Es dient nicht der Pflege des gewachsenen Brauchtums, wenn man den (Hl.) Nikolaus als Reklamefigur missbraucht und den “Krampus” auf eine Ebene stellt mit dem von traditionellen Vereinen gepflegten “Perchtenlauf” (symbolisierte Darstellung des Ablaufes der Jahreszeiten seit den Tagen der Vorfahren; mit kunstvoll bereiteter Ausrüstung).
Der “Krampustrubel” der heutigen Zeit ist eigentlich kein Brauchtum, sondern hier billigt man es, dass sich Burschen ohne tiefere Vorbereitung als (von den Ketten des Nikolaus) ent”fessel”te Teufelsgestalten in rauer Kraft anonym (d.h. verkleidet und manches Mal durch starke Getränke enthemmt) austoben und sogar Erwachsene nicht nur schrecken, sondern auch verletzen, sodass es hier oft nicht ohne Einsatz von Ordnungshütern abgeht.
Es gibt tatsächlich manches Interessante und Klärende zu entdecken, wenn man das christliche Brauchtum aufarbeitet aber auch, wie sich hinter manchen modischen Brauchtumsimitationen – touristisch verbrämt – Verfallserscheinungen nur schwer verbergen können.
KR. lic.theol. P. Robert Bösner OSB ist Wallfahrtsrektor in Maria Dreieichen in der Diözese St. Pölten
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