“Kein Bistum in der Schweiz hat einen so starken Rückgang an Priestern erlebt

– wie das Bistum St. Gallen”


Pfarrei forum, 15. Ausgabe 2011

Weniger Priester, was nun? Wie sich die Rolle der Diözesanpriester wandelt.

Die Zahlen wirken drastisch. In zwanzig Jahren hat das Bistum St. Gallen noch 25 Priester, die jünger als 65 Jahre sind. Dies geht aus einer Untersuchung des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts in St. Gallen hervor. Ist die Prognose ein Anlass, die Alarmglocken zu läuten? Eher muss die Rolle der Priester neu geschrieben werden.

Kein Bistum der Schweiz hat einen so starken Rückgang an Priestern erlebt, wie das Bistum St. Gallen. Dies haben die Zahlen aufgedeckt, die das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) erhoben hat. Es gibt aber auch kein Bistum, das so viele junge Seelsorgerinnen und Seelsorger hat, wie St. Gallen. Auch dies ein Ergebniss der genannten Untersuchung. Das heisst, dass man zwar von einem Priestermangel sprechen kann, zumindest wenn man mit den Zahlen von früher vergleicht. Kein Mangel herrscht jedoch an Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Denn viele Aufgaben, die früher geweihte Priester erfüllt haben, werden heute von theologisch ausgebildeten Laienkräften ausgeübt.

St. Galler Forschung

Das SPI ist eine von den Katholiken des Kantons St. Gallen massgeblich unterstützte Forschungsstelle. In einer umfangreichen Recherche hat ihr Mitarbeiter, Roger Husistein, die zahlenmässige Entwicklung der Weltpriester in der Schweiz untersucht; Zahlen wie sie erstmals so ausführlich und aussagekräftig vorliegen. Sie zeigen, dass der Rückgang an Priestern nicht nur in St. Gallen, sondern mehr oder weniger stark in allen Bistümern des Landes festgestellt wird. Das SPI hat seine Untersuchung vor einem Monat in einem Buch publiziert: “Diözesanpriester in der Schweiz”. Dabei begnügte es sich nicht einfach mit der Wiedergabe von Zahlen, sondern suchte den Befund auch zu deuten und Schlüsse zu ziehen: Was heisst es, wenn die Zahl der Diözesanpriester so drastisch am Schwinden ist? Wie gestaltet sich das kirchliche Leben, wenn Laien den Seelsorgeberuf ausüben? Welches ist die Rolle, die den Priestern bleibt? Zum Beispiel in den Teams der Seelsorgeeinheiten?

Verlorene Inszenierung

Eine der ersten Deutungen im Buch stammt von Franz Kreissl, dem Leiter des Amts für Pastoral und Bildung im Bistum St. Gallen. Er geht davon aus, dass die vertraute Inszenierung des Glaubenslebens endgültig und unwiderruflich vorbei ist. Die Kirche im Dorf, der Pfarrer im Pfarrhaus und die Schäfchen rundum, das gibt es höchstens noch auf alten Bildern. Heute werden viele Aufgaben in der Seelsorgeeinheit wahrgenommen. Pastoraltheolog(innen)en, Katechet(innen)en und Sozialarbeiter(innen) bilden ein Team, in welchem jeder und jede die eigenen Fähigkeiten entfalten kann. In den Pfarrhäusern wohnen Laien und Diakone, die die Gemeinde leiten. Und der geweihte Priester? Wird er nur noch für die Feier der Messe und die Spendung der Sakramente gebraucht? Fühlt er sich darüber hinaus überhaupt noch gebraucht?

Die neue Rolle

Von diesen Fragen geht Franz Kreissl in seinen Überlegungen aus. Für ihn ist es klar, dass die Rolle des Priesters neu geschrieben werden muss. Nicht nur vom Priester allein; gefragt sind bei dieser neuen Deutung ebenso die Gemeinde und das Seelsorgeteam. Kreissl spricht in vier Stichworten an, in welcher Richtung diese neue Rolle gesucht werden könnte. Geht man von den Erwartungen aus, dann ist der Priester zunächst einmal als “Mittler des Heiligen” gefragt. Der Priester repräsentiert für viele die Nähe zum sakralen Bereich; bei ihm sucht man einen Menschen, der an das Unsagbare, Geheimnissvolle der religiösen Welt heranführen kann – und vergisst, dass man dem Sakralen letzlich doch nur in sich selbst begegnen kann. Ein zweites Stichwort heisst “Spiritualität”; nach Kreissl könnte der Priester als eine Art Spiritual des Seelsorgeteams wirken, für die geistliche Vertiefung des Seelsorgeeinheit besorgt sein. Erfolgreich ist er dann, wenn er – drittes Stichwort – ein Netzwerker ist. Wenn er es versteht, Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, zu motivieren, neue Perspektiven zu eröffnen.

Ein priesterliches Volk

Am wichtigsten aber ist dies: Laut dem letzten Konzil hat der geweihte Priester Christinnen und Christen daran zu erinnern, dass sie durch die Taufe selber zu einem priesterlichen Geschlecht geworden sind. Das Weihepriestertum steht im Dienst des Priestertums aller Getauften. Auf dieses kommt es an. Von daher scheint es gar nicht so wichtig, ob es viele oder wenige geweihte Priester gibt. Entscheidend ist, dass das Volk Gottes seine priesterliche Rolle wahr nimmt.

Instruktion:Der.Priester:  Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde
Priester-Ordensleute
Christifideles-laici: Über die Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt

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