Bekenntnis zum Frieden
25 Jahre nach dem historischen Gebetstreffen in Assisi
Gemeinsame Absage an die Gewalt
Benedikt XVI. pilgert 25 Jahre nach dem historischen Gebetstreffen mit Religionsführern nach Assisi.
Assis, Die Tagespost, 28.10.2011, von Guido Horst
Einmal Rom – Assisi und zurück: Auf den Spuren der seligen Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. ist Benedikt XVI. am Donnerstag mit dem Zug in die Franziskus-Stadt gereist. An Bord des “Silberpfeils” der italienischen Eisenbahn eine Reisegesellschaft der ganz besonderen Art: Dreihundert Oberhäupter und Vertreter anderer christlicher Bekenntnisse und Weltreligionen. Und da der Bahnhof im Vatikan über keine Oberleitungen verfügt, musste eine Diesellok den eleganten Hochgeschwindigkeitszug in die nahe gelegene “Stazione San Pietro“ ziehen – und dann ging es los, mit Papst Benedikt in einem Abteil der ersten Klasse.
Johannes XXIII. hatte den Zug gewählt, um vor der Eröffnung des Zweiten Vatikanums den Beistand des heiligen Franz für die grosse Bischofsversammlung zu erbitten. Johannes Paul II. tat es ihm gleich, als er zum ersten Weltfriedenstag in die Franziskus-Stadt fuhr. 25 Jahre nach dem ersten Friedenstreffen in Assisi hatten sich Religionsführer wieder versammelt, um vor aller Welt zu demonstrieren, dass der Glaube an einen Gott nicht zu Spaltungen führen muss, sondern auch Eintracht hervorbringen kann. Es sollte eine Pilgerfahrt sein, und Benedikt XVI. reihte sich ein in den Zug, der dann am Abend am Grab des heiligen Franziskus ein Friedensversprechen ablegen wollte.
Zur ersten Station, der gewaltigen Kirche Santa Maria degli Angeli, traf der Papst wie seine Gäste, die der Einladung nach Assisi gefolgt waren, vom Bahnhof Assisis kommend in einem weissen Minibus ein, neben und hinter ihm die vatikanische Delegation: von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, dem Präsidenten des Ökumene-Rat Kurt Kardinal Koch bis hin zu den anderen Leitern der römischen Dikasterien, die für diese Veranstaltung federführend waren. Jeden einzelnen der Gäste begrüsste der Papst am Eingang zu der Kirche nochmals persönlich. Viele bekannte Gesichter waren dabei: Der orthodoxe Patriarch Bartholomaios aus Istanbul, der anglikanische Ehrenprimas und Erzbischof Rowan Williams oder David Rosen vom israelischen Grossrabbinat. Einer jedoch fehlte: Der Dalai Lama hatte seine Teilnahme diesmal nicht zugesagt.
Die grosse Marienkirche, in der die erste Begegnung der Religionen stattfand, erhebt sich, etwa drei Kilometer von Assisi entfernt, über der kleinen Portiuncula-Kapelle. Zur Zeit des heiligen Franz lag sie als Ruine danieder. Hier hörte der “poverello” die Stimme des Herrn: “Siehst du nicht, dass mein Haus verfällt? Baue es wieder auf!” Woraufhin Franziskus die Kapelle mit den eigenen Händen wieder errichtete. Die Portiuncula war sozusagen das Bühnenbild, vor dem die Religionsführer sprachen. Ehrfürchtig verneigten sie sich vor dem Papst, der im Kreise seiner Gäste vor der Gnadenkapelle sass, nach jeder Wortmeldung gab es einen päpstlichen Händedruck.
Die dreihundert Delegierten repräsentierten 31 christliche Konfessionen und zwölf nicht-christliche Religionen dieser Welt. Eintracht und Einmütigkeit in ihre kurzen Ansprachen. Der Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., wandte sich dagegen, die Botschaft der Religionen durch Gewalt zu entstellen. Religionen dürften sich nie zu kriegerischen Zwecken instrumentalisieren lassen. Der Anglikaner Rowan Williams hob das Ideal der brüderlichen Verbundenheit aller Menschen als gemeinsames Gut der Religionen hervor. Menschen dürften einander nie Fremde sein. Rabbi David Rosen aus Israel trug seine Ansprache wie ein gelernter Schauspieler vor. Er erinnerte an Johannes Paul II., der das Friedenstreffen vor 25 Jahren aus der Taufe gehoben hatte und dankte Benedikt XVI. dafür, dass man nun wieder in Assisi zusammenkomme.
Der Generalsekretär der Internationalen Konferenz der islamischen Schulen, Kyai Haji Hasyim Muzadi, sprach sich für eine gründliche religiöse Bildung aus, um die Gläubigen vor einem Missbrauch der Religion für politische, kulturelle oder wirtschaftliche Zwecke zu bewahren. Um ein friedliches Zusammenleben der Religionen zu gewährleisten, müssten aber auch die Unterschiede respektiert werden, sagte der Indonesier. Und der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Olav Fykse Tveit, erinnerte an die besondere Verpflichtung der Christen für ein friedliches Zusammenleben der Religionen und Völker. “Das Kreuz steht nicht für Kreuzzüge, sondern ist ein Zeichen, dass Gottes Liebe jeden Menschen umarmt”, sagte er. Anders als bei den Friedenstreffen von Assisi 1986 und 2002 hatte der Vatikan diesmal auch Agnostiker und Atheisten eingeladen. Dieser Gruppe gab die in Paris lebende Philosophin und Bulgarin Julia Kristeva eine Stimme.
Nicht alle Ansprachen waren gleich verständlich. Aber schon die Choreografie der Zusammenkunft signalisierte Einmütigkeit. Die Teilnehmer beteten nicht zusammen, sondern jeder legte ein Bekenntnis zu Frieden und Gewaltfreiheit ab.
Der Papst, der in seiner Ansprache zwei Arten von Gewalt unterschied – den Terrorismus, der vielfach religiös motiviert sei, und die Gewalt infolge der Abwesenheit Gottes –, formulierte auch ein Schuldbekenntnis. Leider sei in der Vergangenheit auch im Namen des christlichen Glaubens Gewalt ausgeübt worden. Dies erfülle die Kirche mit Scham.
Zum anschliessenden Mittagessen ging es gemeinsam in den Konvent der Franziskaner von Assisi. Auch hier sollte der Charakterzug der Pilgerfahrt durch den schlichten Speiseplan zum Ausdruck kommen. “Pilger der Wahrheit, Pilger des Friedens”, so lautete das Motto dieses Tags. Es gab Reis, Obst, kein Fleisch und statt Wein nur Wasser. Anschliessend zog man sich in die Gästezimmer der Franziskaner zurück. Dort hatte jeder Gelegenheit zum persönlichen Gebet und zur Meditation.
Am Nachmittag zogen die Delegationen in die historische Altstadt von Assisi. Unterhalb der Kirche San Francesco sass man wieder in einem weiten Kreis. Wieder wurden Ansprachen gehalten. “Nie wieder Gewalt! Nie wieder Krieg! Nie wieder Terrorismus”, rief Papst Benedikt auf dem Vorplatz zur Basilika aus, wo sich auch zweitausend geladene Gäste eingefunden hatten. Der Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio, Andrea Riccardi, war ebenso zu sehen wie der leitende Priester von Comunione e Liberazione, Julian Carron.
Die Religionsführer erneuerten schliesslich ihren Aufruf zur Verständigung und Gewaltfreiheit. Nacheinander lasen einzelne Delegierte die zwölf Punkte der “feierlichen Verpflichtung auf den Frieden” vor. Das diesjährige Treffen in Assisi bekräftigte damit den Appell des letzten Weltfriedenstreffens im Jahr 2002. Am Ende glich der Platz vor der Franziskus-Basilika einem Lichtermeer.
Vor der Portiuncula-Kapelle des heiligen Franziskus hatte das Friedenstreffen begonnen, vor dem Grab des “kleinen Armen” sollte es enden. Schweigend zogen die Religionsführer durch die Krypta der Basilika, in der Franz in seinem einfachen Stein-Sarkophag begraben liegt. Minibusse brachten die Delegierten zum Bahnhof von Assisi. Und zurück nach Rom ging es wieder mit dem Zug.
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