Stiftsbezirk zu wenig geschützt

Mobile Kulturgüter wie die Bestände der Stiftsbibliothek müssten besser geschützt sein

Kulturgüter von internationaler Bedeutung sollen besser geschützt werden. Dazu hat die Staatengemeinschaft das Haager Abkommen II abgeschlossen. Den St. Galler Stiftsbezirk unterstellt die Unesco diesem verstärkten Schutz vorerst aber nicht.

Tagblatt Online, 04. August 2011, René Hornung

Vor eineinhalb Jahren waren die Hoffnungen gross. Der St. Galler Stiftsbezirk werde wohl als eines der ersten Denkmäler weltweit dem Haager Abkommen II unterstellt, das vor allem den Schutz in Kriegszeiten verbessert. Mehrmals wurde berichtet, dass der Bund St. Gallen dafür bei der Unesco anmelden werde.

Für diese Kandidatur mussten fünf Dossiers erstellt und den Experten des Bundes vorgelegt werden. Es geht um Denkmalschutz, Archive und Bibliotheken, Katastrophenschutz, Sicherstellung und Inventarisierung sowie Vandalismus. Koordiniert wurde die Überprüfung der Unterlagen von der früheren St. Galler Rechtsprofessorin Kerstin Odendahl. Sie kam allerdings zu einem ernüchternden Schluss: Weil diese Kulturgüter nicht den höchstmöglichen “innerstaatlichen Schutz” geniessen, könnten sie dem Haager Abkommen II nicht unterstellt werden. Die kantonale Gesetzgebung habe zu grosse Lücken. Katrin Meier, Leiterin des Amtes für Kultur, ist ernüchtert: “Die St. Galler Schutzmassnahmen erfüllen die Anforderungen der Unesco bei weitem nicht.”

Anforderungen gestiegen

Als der St. Galler Stiftsbezirk 1983 – damals zusammen mit der Altstadt von Bern als erstes Denkmal in der Schweiz – das Label eines Unesco-Weltkulturerbes bekommen hatte, waren die Anforderungen noch relativ einfach zu erfüllen. Inzwischen achte diese UNO-Organisation sehr genau auf die Einhaltung aller Vorgaben, so die Einschätzung von Kerstin Odendahl. Im St. Gallen fehle insbesondere der Schutz der Bauten rund um die Kathedrale und der “mobilen Kulturgüter”, etwa der Bücher der Stiftsbibliothek oder der archäologischen Hinterlassenschaften im Boden. “Dabei ist der Stiftsbezirk durch die ins Frühmittelalter zurückreichende Geschichte des Klosters und den karolingischen Klosterplan ein archäologisches Gebiet von europäischer Bedeutung”, kommentiert Christopher Rühle, der Jurist im Amt für Kultur.

Kulturgesetz revidieren

Heute ist der Denkmalschutz im Kanton St. Gallen im Baugesetz geregelt; zuständig sind die Gemeinden. Deshalb müsste die Stadt St. Gallen den Klosterbezirk noch besser schützen. Die kantonale Denkmalpflege kann die Gemeinden bei Schutzinventaren oder -massnahmen nur beraten – eine Interventionsmöglichkeit hat sie nicht.

Die Regierung hat nun das Amt für Kultur beauftragt, im Laufe des Herbstes Vorschläge zu machen, wie die kantonale Gesetzgebung angepasst werden kann. Nötig ist ein verbesserter Denkmalschutz im Baugesetz. Der Schutz der mobilen Kulturgüter könnte mit einer Revision des Kulturgesetzes griffiger werden.

Stellenwert der Archäologie

Diskutiert werden muss auch über die Archäologie. Die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Kanton über den Stellenwert der (kantonalen) Archäologie und deren Arbeit im Klosterbezirk – und aktuell auf dem Gallusplatz – entstanden auch, weil die entsprechende Gesetzgebung veraltet ist; sie stammt aus den 1930er-Jahren. Auf dem Gallusplatz werden derzeit Funde mit dem bekannten karolingischen Klosterplan verglichen.

Stiftsbibliothek St. Gallen
Unseco.St. Gallen

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