“Den Glauben öffentlich teilen”

Eine WJT-Bilanz von Alejandro Rodríguez

-Historiker an der katholischen Universität CEU San Pablo in Madrid. Von Regina Einig

Madrid, Die Tagespost, 22.08.2011

Worin besteht für ihre Landsleute die Quintessenz des Weltjugendtags?

Als Kernbotschaft ist hier angekommen, dass der Glaube nicht versteckt werden darf, sondern gemeinsam mit anderen öffentlich geteilt werden soll. Der Glaube ist ein Geschenk an die Gesellschaft.

Benedikt XVI. hat im Escorial zu jungen Hochschullehrern gesprochen; Sie haben an der Begegnung teilgenommen. Was war aus Ihrer Sicht dort die zentrale Botschaft?

In den Hochschullehrern sieht der Papst Multiplikatoren für die Evangelisierung. Sie sollen intellektuelle Demut pflegen und sich vor der sprichwörtlichen Professoreneitelkeit hüten. Der Papst hat sehr differenziert gesprochen, doch diese innere Einfachheit, die er von Professoren fordert, scheint mir besonders wichtig.

Wie bewerten Sie die Passagen, in denen der Papst über die Geschichte sprach?

Die Passagen, in denen der Papst über die Geschichte der Universität in Europa sprach, sind im Zusammenhang mit seinen früheren Reden zu sehen. Auch in seiner Ansprache im College des Bernardins in Paris hat er die Geburt der Universität aus der Kirche nachgezeichnet. In Paris sprach er über die benediktinische Tradition, im Escorial hat er den Bezug zum christlichen König Alfons X. hervorgehoben. Dass Glaube und Vernunft in eine Rede über die Hochschultradition Europas gehört stellt ebenfalls Kontinuität zu den Universitätsreden Benedikts XVI. her. Das ist dem Papst besonders wichtig, weil der Zusammenhang von Glaube und Vernunft im Wissenschaftsbetrieb vielfach als obsolet betrachtet wird.

Die Plätze im Escorial sind über ein Bewerbungsverfahren vergeben worden. Kennen Sie auch Nichtchristen oder Kirchenferne, die dabei sein wollten?

Viele sogar, gerade aus Spanien.

Welche Reaktionen gab es?

Der Papst hat tiefen Eindruck hinterlassen. Wie er drei, vier tiefe Gedanken entwickelt und zusammengeführt hat, das war meisterhaft. Unisono hiess es, dass der Papst in der persönlichen Begegnung menschlich sehr gewinnt. Viele haben ihn schon zuvor wegen seines wissenschaftlichen Formates geschätzt, ihn aber im Fernsehen als schüchtern und weniger volksnah wahrgenommen als Johannes Paul II. Ich konnte nach der Rede einige Worte mit ihm wechseln. Es ist ein Privileg für uns Christen, dass der bedeutendste Intellektuelle der Gegenwart auf dem Stuhl Petri sitzt.

Benedikt XVI. wird Johannes von Avila zum Kirchenlehrer erheben. Signalisiert er der Kirche Reformbedarf, wenn er einen Protagonisten der Gegenreformation so ehrt?

Ich sehe diese Ernennung zunächst als Entscheidung, in der die persönliche Wertschätzung Benedikts XVI. und seines Vorgängers Johannes Pauls II. für die spanische Mystik des 16. Jahrhunderts und die religiöse Tradition der Gegenreformation zum Ausdruck kommt. Die beiden spanischen Kirchenlehrer des Goldenen Zeitalters sind bekannt: Die heilige Teresa von Avila und der heilige Johannes vom Kreuz. Johannes von Avila hingegen kennen ausserhalb Spaniens nur wenige. Sogar bei uns ist er etwas in Vergessenheit geraten, obwohl er eine hochinteressante Gestalt ist. In Spanien hat die Gegenreformation den Gedanken der Läuterung stark entfaltet, sowohl mit Blick auf den Klerus als auch in bezug auf die Klöster. Der Gedanke der Reinigung beschäftigt auch den Heiligen Vater sehr. Gerade über das Ringen um mehr Lauterkeit spricht er immer wieder. Gegen den sexuellen Missbrauch Minderjähriger in der Kirche hat er heilsame Strenge gezeigt. Wie die Protagonisten der Gegenreformation strebt auch Benedikt XVI. eine geistliche Erneuerung des Klerikerstandes und dessen Untadeligkeit an. Das wurde auch in seiner Ansprache an die Seminaristen deutlich, als er den Kandidaten davon abriet, sich weihen zu lassen, wenn sie nicht wirklich vorbereitet sind.

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