Dritte Chance für den Pfarrer von Meilen
Die erneuerte Kirchenpflege stärkt Bischof den Rücken
Tagesanzeiger, 12.05.2011, von Lorenzo Petrò.
In Benken zerstritt sich Pfarrer Othmar Bischof mit einem Kollegen, in Meilen kündigen Mitarbeiter und die halbe Kirchenpflege. Nun soll alles gut sein.
Vor einem Jahr gab die katholische Kirchenpflege von Meilen ihrem Pfarrer Otmar Bischof eine zweite Chance. Dies, nachdem drei von sieben Kirchenpflegemitglieder den Bettel hingeschmissen hatten, weil sie mit Bischof nicht mehr zusammenarbeiten wollten. Sie störten sich an dessen Führungsstil. Josef Annen, Generalvikar der katholischen Kirche im Kanton, sah Handlungsbedarf und ordnete ein Coaching für den umstrittenen Pfarradministrator an.
Die zurückgetretenen Kirchenpfleger sind mit ihrer Haltung nicht alleine: Seit der Einstellung von Pfarrer Bischof im Sommer 2009 sind drei Religionspädagoginnen, eine Sekretariatsmitarbeiterin und eine Hauswartsmitarbeiterin gegangen. In der kleinen Pfarrei gibt es bald keinen mehr, der länger da ist als der Chef. Die jüngste Kündigung liegt wenige Wochen zurück. Bischof hatte sich schon an seinem vorherigen Arbeitsort Benken, als streitbare Figur erwiesen. Als Pastoralassistent zerstritt er sich mit dem Pfarrer, den er der sexuellen Belästigung bezichtigte. Der Konflikt eskalierte, und als der wütende Pfarrer seinem Pastoralassistenten Bischof eines Sonntags nach der Messe auf dem Kirchhof die Faust ins Gesicht schlug, wurden beide versetzt.
“Liebenswürdigkeit abgewürgt”
Fragt man in Meilen die Ehemaligen nach den Umständen ihrer Kündigung, hört man überall das Gleiche: Wer sich Bischofs diktatorischer Art nicht unterordne, werde schikaniert. So freundlich und unauffällig der Pfarrer vor seiner Gemeinde stehe, so unerbittlich verhalte er sich gegenüber den Mitarbeitern.
Eine ehemalige Meilemer Religionspädagogin spricht von einem starken Kontrollbedürfnis. Jedes Detail müsse über Bischofs Tisch, jede Kleinigkeit bedürfe eines Antrages. In Diskussionen werde er schnell laut, vergreife sich im Ton, werde manchmal grob. Eine andere Betroffene sagt, ungeliebte Mitarbeiter würden vor allen anderen blossgestellt. Zudem habe Bischof systematisch Liebenswürdigkeiten im Team unterbunden. “Kleine Geschenke und persönliche Gespräche in der Kaffeepause waren plötzlich nicht mehr gerngesehen.” Die Sekretärin, vor einem Jahr eingestellt, kündigte nach wenigen Monaten. Zu den Details schweigt die Frau. “Aber der Umgang mit uns Mitarbeitenden war nicht hinnehmbar.”
Schwierige Eigendynamik im Team
Obwohl sie die Probleme mehrfach bei den zuständigen Stellen angesprochen habe, habe sich nichts an der Situation geändert. Ein Freitagmorgen in der Pfarrei Sankt Martin, kurz nach zehn Uhr, Kaffeepause. Von unterbundenen Gesprächen im Team ist hier nichts zu spüren. Es fällt aber auf, dass in der Runde vor allem einer spricht: Bischof. Er ist eben aus dem Gottesdienst gekommen, wo er vor einem kleinen Grüppchen Pensionierter über die Juden gesprochen hat, die Jesus steinigen wollten. Von Menschen, die mit dem Finger auf andere zeigten, statt ihr Augenmerk auf eigene Unzulänglichkeiten zu richten: “Sie erheben sich über andere, sie sind überheblich!” Es ist nicht etwa eine persönliche Verteidigungsrede. Die Kirche in Rom hat die Bibelstelle zum Zitat des Tages ernannt. Für die unschönen Vorwürfe seiner ehemaliger Mitarbeiter hat Bischof eine andere Erklärung parat: In den vier Jahren vor seinem Amtsantritt war die Meilemer Pfarrei mehr als zwei Jahre ohne Pfarrer.
Ohne Führung habe sich im Team eine ungute Eigendynamik eingestellt. Vielleicht sei er auch nicht immer der Diplomatischste, gibt Bischof zu, was einen Teil der Kränkungen erklären könne. Als Teamleiter sieht er es jedoch als seine Aufgabe an, Mitarbeiter entsprechend ihrer Eignung einzusetzen und wenn nötig ungeeigneten Mitarbeitern die Kündigung nahezulegen. Schliesslich kommt doch noch eine von Bischofs Mitarbeiterinnen zu Wort. Der Pfarrer nehme es halt genau, sagt seine Sekretärin. “Ich habe es aber gern, wenn der Chef sagt, wie er es haben will.” Die Frau ist seit zwei Monaten in Meilen. Auch die erneuerte Kirchenpflege stärkt Bischof den Rücken. Präsidentin Barbara Wirth-Fux ist guten Mutes, “dass mit dem heutigen Team endlich Ruhe einkehrt” in der Pfarrei. Sie macht auch falsche Vorstellungen von den Arbeitsbedingungen bei der Kirche verantwortlich für das böse Blut. “Viele Leute glauben, hier pflege man einen besonders harmonischen Umgang.” Dabei sei es wie in jedem Unternehmen: “Es menschelt.”
Pfarrwahl verschoben
Sollten die Probleme doch zum Teil auf einer Überforderung von Otmar Bischof als Chef beruhen, ist Besserung absehbar: Im Oktober gibt es Verstärkung in der Person eines zweiten Seelsorgers. Gemäss Kirchengesetz stünde nach spätestens zwei Jahren, also im Sommer, die Wahl von Bischof zum Meilemer Pfarrer an. Doch Kirchenpflege und Generalvikariat scheinen der Sache noch nicht zu trauen: An der Kirchgemeindeversammlung vom kommenden Sonntag ist die Wahl Bischofs nicht traktandiert. Die neue Regelung könne grosszügig ausgelegt werden, sagt Generalvikar Annen. Speziell wenn besondere Umstände vorlägen, etwa viele Wechsel in der Kirchenpflege. Der umstrittene Pfarrer erhält also eine dritte Chance. Seine Wahl soll frühestens im Herbst erfolgen. Möglicherweise auch erst in einem Jahr, wenn Gras über die Vorwürfe gewachsen ist.
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