Britische Pressestimmen weitgehend positiv
Papst Benedikt XVI. in England London kath.net/KAP
“Independent”: Papst hat “Unbehagen vieler Briten über ihr eigenes Land” wiedergegeben – “Times”: Menschen sahen “höflichen, weißhaarigen Mann, der mit sanfter Stimme und deutschem Akzent tiefgehende Gedanken über Gott und die moderne Gesellschaft anbot.
Papst Benedikt XVI. hat mit seinem viertägigen Großbritannien-Besuch erfolgreich die Bedenken im Vorfeld zerstreut. Zu diesem Urteil kommt ein Großteil der britischen Presse in ihren Montagsausgaben. “Die hoch umstrittene Reise ist besser, ja viel besser verlaufen, als zu erwarten war”, schreibt der liberale “Independent”. Dies sei wesentlich dem zu verdanken, was der Papst gesagt habe – und wie er es gesagt habe. “Auch ohne das Charisma seines Vorgängers”, heißt es im Editorial, “hat Benedikt XVI. eine wärmere, menschlichere und weniger strenge Seite gezeigt als aus der Distanz”. Auch wenn er sich nicht direkt für die Vertuschung von Missbrauchsfällen entschuldigt habe, sei der Papst in seinen Äußerungen weiter gegangen als bei allen bisherigen öffentlichen Aussagen zu dem Thema, so der “Independent” weiter. “Einen Nerv getroffen” habe der katholische Besucher mit seinen Angriffen auf den “aggressiven Säkularismus”, seinem Beharren auf Wert und Würde jedes Menschen und seiner Warnung vor dem Schielen nach Wohlstand und Berühmtheit. Er habe “das Unbehagen vieler Briten über ihr eigenes Land” wiedergegeben – von Gläubigen wie Nichtgläubigen.
Kritischer fällt die Bilanz des “Guardian” aus. Mit Blick auf die jahrhundertealte Kirchenspaltung zwischen anglikanischer und katholischer Tradition heißt es dort: “Die Annäherung, die es heute braucht, ist weniger jene zwischen Protestanten und Katholiken als die zwischen den religiösen Menschen und den anderen.” Und Benedikt XVI. reise wieder ab, ohne diesen Graben zu schließen.
Nachrichten rund um die Uhr hätten schöne Zeremonien in alle Wohnzimmer “gebeamt”. “Aber um sein spirituelles Königreich mit dem Vereinigten Königreich zu verbinden, hätte sich der Papst mit den modernen Realitäten einlassen müssen – und das Land hätte zuhören müssen”, so der “Guardian”.
Die gegenteilige Auffassung vertritt der Kommentator des konservativen “Daily Telegraph”, Peter Stanford. Benedikt XVI. habe sich auf seiner Reise viel mehr damit beschäftigt, den Dialog der Kirche mit der Zivilgesellschaft wieder anzuknüpfen, als die Menschen zum Übertritt zu bekehren. Er sei bescheiden und mit Charme aufgetreten und “definitiv nicht nach den gängigen Stereotypen als ein Frauenhasser, Schwulen-Prügler oder Frömmler aus dem Elfenbeinturm”.
Die politisch in der Mitte stehende “Times” berichtet von der “fast euphorischen” Stimmung im Flugzeug, als die Papstmaschine von Birmingham Richtung Rom abhob. Der “spirituelle Erfolg” der Reise, von dem Vatikansprecher Federico Lombardi sprach, sei vor allem durch das Durchbrechen von Vorurteilen zu erklären: Benedikt XVI. habe sich eben nicht als der “entrückte teutonische Hardliner” und “Ratzinger, der Rottweiler Gottes” präsentiert. “Statt dessen sahen die Menschen einen höflichen, weißhaarigen Mann, der mit sanfter Stimme und deutschem Akzent tiefgehende Gedanken über Gott und die moderne Gesellschaft anbot.”
Auch im Boulevardblatt “Daily Mail” heißt es, die Reise sei “noch viel erfolgreicher verlaufen, als die katholische Hierarchie zu hoffen gewagt hätte”. Benedikt XVI. habe “zur Seele unseres Landes gesprochen” und “ewige moralische Wahrheiten” postuliert, denen “unsere politischen und religiösen Führer normalerweise lieber ausweichen”. Unter dem Strich habe der Papst “uns gebeten zu prüfen, welche Art Land wir wollen”.
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