Sorge um die Einheit in der Kirche

Amtliche Mitteilungen – Diözesanbischof

Schreiben von Bischof Vitus Huonder an alle

  • – Priester und Diakone
  • – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge
  • – kantonalen staatskirchenrechtlichen Exekutiven im Bistum Chur

7000 Chur, 13. August 2010

Sehr geehrte Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst
Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge
Sehr geehrte Damen und Herren

Im Hinblick auf den baldigen dritten Jahrestag meiner Bischofsweihe möchte ich mich in Dankbarkeit, aber auch mit Sorge in meinem Herzen an Sie alle wenden. Ich habe mein Bischofsamt unter den Wahlspruch “Alles in Christus erneuern” gestellt. Ich bin allen dankbar, die meinen bischöflichen Dienst in den vergangenen drei Jahren im Sinne dieses Wahlspruchs unterstützt haben und die dies auch weiterhin tun. In diesem Zusammenhang möchte ich gerne an meine Worte erinnern, die ich anlässlich meiner Bischofsweihe gesprochen habe: “Wir wollen auch in Zeiten von Not und Bedrängnis, von Ratlosigkeit und Unsicherheit, von Zweifeln und Ängsten das Vertrauen in unseren Herrn nicht verlieren, vor allem aber wollen wir ihm unsere ganze Liebe schenken und uns so immer stärker an ihn und an sein Werk, die heilige Kirche, binden. Nichts möge uns, in Anspielung an die Worte des heilige Paulus (Röm 8,35), scheiden von der Liebe Christi: Von jener Liebe, welche wir ihm erweisen, aber auch von jener Liebe, mit der er uns geliebt hat und unablässig liebt”. Wenn ich mir diese Worte in Erinnerung rufe, schmerzen mich umso mehr die in der zweiten Julihälfte erfolgten Medienmitteilungen und Medienberichte. Wie angekündigt, möchte Ihnen dazu einige Überlegungen mitteilen.Am 20. Februar 2008 habe ich öffentlich erklärt, dass – mit der Zustimmung des Apostolischen Stuhls – für das Bistum Chur nach der Demission von Herrn Weihbischof Dr. Peter Henrici und dem zu erwartenden Rücktritt von Herrn Weihbischof Dr. Paul Vollmar wiederum zwei Weihbischöfe ernannt werden sollen. Am 7. Dezember 2009 wurde Weihbischof Marian Eleganti durch Papst Benedikt XVI. ernannt.

Das Vorgehen bei der Ernennung von Weihbischöfen ist weltkirchlich geregelt. Dies verbietet mir zwar nicht, mich beraten zu lassen, was ich auch getan habe. Es machte mich aber sehr betroffen, dass in den letzten Jahren praktisch alles, was mit einer Bischofsernennung in unserem Bistum zu tun hatte, unter Missachtung der Vertraulichkeit den Medien zugespielt worden ist. Vor der Bischofswahl von 2007 wurden Kandidaten, über die der Apostolische Nuntius eine Befragung durchgeführt hat, in die Medien gebracht. Meine Wahl und die Namen der beiden weiteren Kandidaten, die ebenfalls auf der Liste des Apostolischen Stuhls gestanden haben sollen, konnte man schon am Tag der Bischofswahl im Internet nachlesen. Ein erster Vorschlag für einen Weihbischof unseres Bistums wurde im März 2008, nach der vom Nuntius durchgeführten Befragung, durch eine gezielte Indiskretion den Medien zugespielt. Als im Vorfeld der Ernennung des Nachfolgers von Weihbischof Dr. Paul Vollmar im Frühling 2009 über eine weitere Person eine vertrauliche Befragung durch den Nuntius durchgeführt wurde, wurde auch deren Name prompt an die Medien weitergegeben. All diese Vorgänge hätten – wie es weltkirchlich gilt – dem so genannten päpstlichen Geheimnis unterlegen. Dieses verlangt strikte Vertraulichkeit. Denn sowohl bei einer Bischofswahl wie auch bei der Ernennung von Weihbischöfen stehen anfänglich wesentlich mehr Personen zur Auswahl, als dann ernannt werden können. Die Vertraulichkeit schützt besonders diejenigen, welche – aus welchen Gründen auch immer – nicht ernannt werden können. Es ist für mich ein grosser Schmerz zu sehen, dass es in unserer Diözese offenbar Personen gibt, denen der Ruf anderer weniger wert ist als die Erreichung eigener kirchenpolitischer Ziele durch öffentliche Kampagnen. Dabei ist es meine grosse Sorge, dass derlei Methoden immer mehr zu Unfrieden führen und die Gläubigen in unserem Bistum in verschiedene Lager spalten.

Nun zu den aktuellen Ereignissen: Kaum hatte ich im März 2008, wie es von Kirchenrecht vorgesehen ist, dem Hl. Vater eine Dreierliste eingereicht, waren der Öffentlichkeit verschiedene Namen bekannt. Dies führte bereits zu Unruhe. Ich habe mir daher Zeit genommen, um die Argumente anzuhören und abzuwägen. Dadurch hat die ganze Angelegenheit über zwei Jahre lang geruht. Nun bin ich dabei, den Faden wieder aufzunehmen. In diesem Sinn habe ich am 6. Juli 2010 ein Vorgespräch mit dem scheidenden Präfekten der Bischofskongregation geführt. Dieses Gespräch hatte insofern einen vorläufigen Charakter, als bei der Leitung der Bischofskongregation ein Wechsel ansteht: Erst Anfang September 2010 wird der bisherige Erzbischof von Quebec, Kardinal Marc Ouellet, das Amt des Präfekten der Bischofskongregation antreten.

Unabhängig davon, ob und wie für einen zweiten Weihbischof einmal entschieden werden wird, sehe ich mich veranlasst, auf Dr. Martin Grichting zu sprechen zu kommen. Ich tue es, weil er von der “Biberbrugger Konferenz” und auch von anderen Personen öffentlich angegriffen worden ist, sich aber in der derzeitigen Situation nicht äussern kann. Dr. Grichting hat inzwischen während der vergangenen zwei Jahre unter anderem als Moderator Curiae und als Generalvikar unter Beweis gestellt, dass er teamfähig und kompetent ist. Dies bestätigen mir viele positive Rückmeldungen aus unseren diözesanen Gremien und den Pfarreien. Ein immer wiederkehrender Vorwurf, den man Generalvikar Grichting macht, ist derjenige, dass er den staatskirchenrechtlichen Institutionen kritisch gegenüberstehe. Dabei bleibt unerwähnt, dass er in seiner Zeit als Pfarrer während etwa 10 Jahren Mitglied eines Kirchgemeindevorstands war, sich von einer Kirchgemeinde hat zum Pfarrer wählen lassen und heute noch als Vertreter des Bischöflichen Ordinariats Mitglied des Parlaments der Katholischen Landeskirche von Graubünden ist. Auch ist er seit der Staatskirchenrechts-Tagung von Lugano (2008) zusammen mit Vertretern der staatskirchenrechtlichen Organisationen Mitglied der “Fachkommission Kirche und Staat” der Schweizer Bischofskonferenz, die den Auftrag hat, Lösungen für die anstehenden Probleme zu erarbeiten. Er hat damit den Tatbeweis erbracht, dass er die staatskirchenrechtlichen Organisationen in ihrer derzeitigen Rolle respektiert und bereit ist, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Ich bin allen Gläubigen dankbar, die in der guten Absicht, der Kirche zu dienen, in den staatskirchenrechtlichen Institutionen mitarbeiten. Dieser Dienst ist wertvoll, da er dazu beiträgt, die materiellen Voraussetzungen für die Erfüllung der Sendung der Kirche zu schaffen. In der Kirche gibt es, wie das II. Vatikanisches Konzil (Dekret über das Laienapostolat, N. 2) betont hat, eine “Einheit der Sendung”, aber auch eine “Verschiedenheit des Dienstes”. Die staatskirchenrechtlichen Organisationen können deshalb nicht in der Praxis zu Instrumenten der Kirchenleitung gemacht werden. Ich möchte niemandem schlechte Absichten unterstellen. Im Ergebnis erlebe ich es jedoch leider immer wieder, dass ich daran gehindert werde, die mir übertragene Aufgabe des Leitens, aber auch des Heiligens und Lehrens, auszuüben, so wie es das II. Vatikanische Konzil von Neuem gelehrt hat. Wenn staatskirchenrechtliche Organisationen die Medien instrumentalisieren, wenn sie versuchen, politische Instanzen in Bund und Kantonen für ihre Zwecke einzuspannen, wenn sie im Falle von bestimmten Personalentscheidungen kaum verhüllte Drohungen äussern, dann hilft dies keinesfalls, Meinungsverschiedenheiten zu lösen. Ein solches Vorgehen bewirkt oft gerade das Gegenteil und läuft auf eine Druckausübung hinaus. Es kommt hinzu, dass die gleichen staatskirchenrechtlichen Organisationen, die sich so verhalten, bekanntlich für Demokratie in der Kirche eintreten. Demokratie heisst aber immer – wir sehen es jeden Tag in der Politik – Kritik und Infragestellung. Wenn nun Institutionen, die für Demokratie eintreten, der Kritik nicht mit besseren Argumenten entgegentreten, sondern die Person, welche die Kritik äussert, mit einer Medienkampagne zum Schweigen bringen wollen, geraten sie mit ihren eigenen Grundsätzen in Widerspruch und machen sich unglaubwürdig.

Mit Ihnen allen teile ich die Sorge um die Einheit der Kirche. Diese Einheit ist die Einheit mit Christus, welcher der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Einheit gibt es somit nur in der Wahrheit. In dieser müssen wir uns immer mehr finden. Diese Einheit zeigt sich darin, dass wir das gleiche Glaubensbekenntnis annehmen, dass wir die gleichen Sakramente des Glaubens feiern und dass wir mit dem Nachfolger des Hl. Petrus und dem Bischofskollegium, ja mit der Kirche auf der ganzen Welt, eng verbunden sind. Darüber hinaus gibt es im Leben der Kirche aber auch viel Zeitgebundenes und Wandelbares, das einen gesunden Pluralismus zulässt. Unser staatskirchenrechtliches System gehört nicht zum überlieferten Glaubensgut. Und darum muss es möglich sein, darüber so oder anders zu denken und auch zu sprechen.

Ich vertraue darauf und bete täglich darum, dass es uns in unserem Bistum immer mehr gelingen wird, im Wesentlichen eins zu sein, so dass wir ein wahrhaft lebendiges Glied am Leib der Universalkirche sind und bleiben. Und ich danke Ihnen allen für jeden Beitrag zu dieser Einheit, den Sie in Ihrer Aufgabe leisten. Indem ich Gottes Gnade für Sie alle und für unser Bistum erbitte, grüsse ich Sie, verbunden mit meinem bischöflichen Segen, herzlich

+ Vitus Huonder
Bischof von Chur

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