“Das Hauptproblem besteht im Amt des Papstes“

50 Jahre Treffen Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras

Vatikan 1964: Pilgerfahrt ins Hl. Land
Die Tagespost, 14. Mai 2014

Was erwartet sich Jerusalems griechisch-orthodoxer Patriarch vom Treffen zwischen Franziskus und Bartholomaios? Ein Gespräch mit Theophilos III. Von Oliver Maksan 

Seligkeit, fünfzig Jahre nach dem Treffen von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras hier in Jerusalem: Welche ökumenischen Früchte konnten seither geerntet werden?

Nun, ein Ergebnis dieses Treffens war die Aufhebung der gegenseitigen Anathemata. Danach begann der offizielle Dialog zwischen beiden Kirchen. Dieses Gespräch brachte viele Früchte. Verdächtigungen und Vorurteile gehören der Vergangenheit an. Das ist ein sehr positiver Schritt.

Von diesen atmosphärischen Verbesserungen abgesehen: Ist man seither auch der Kirchengemeinschaft näher gekommen?

In einem gewissen Sinne ja. Denn die Kirchen arbeiten in Richtung Einheit. Aber es gibt sehr viele Interpretationen, was das heisst: Einheit der Kirche. Da gibt es keinen Konsens. Das Hauptproblem der Trennung zwischen den Kirchen besteht aber vor allem im Amt des Papstes.

Gibt es aus orthodoxer Sicht eine Möglichkeit, das Papstamt unter bestimmten Bedingungen zu akzeptieren? Der heilige Papst Johannes Paul II. hat ja eingeladen, darüber nachzudenken.

Wenn Sie durch die patristische Literatur gehen, dann finden Sie einen Gedanken, der das Christsein bestimmt: Die Herrschaft über sich selbst. Die Freiheit der Kinder Gottes. Das ist charakteristisch für den Christen. Gott hat uns das Geschenk gegeben, eigenverantwortlich zu handeln. Die letzte Autorität ist der Schöpfer, und Christus ist das Haupt seiner Kirche. Ich habe aber den Eindruck, dass Katholiken der Papst wichtiger ist als Christus.

Wie kommen Sie darauf?

Das entnehme ich meinen Begegnungen mit Katholiken. Vielleicht liegt es an ihrer Erziehung. Ich weiss es nicht.

Papst Franziskus spricht von sich häufig als Bischof von Rom und nicht als Papst. Ist das ein Zeichen in Richtung Orthodoxie?

Seine Heiligkeit der Papst kann sich natürlich nennen, wie er möchte, und seine Titel behalten. Es geht zunächst um die Einheit im Glauben und im Heiligen Geist.

Aber was wäre denn Ihre Vision kirchlicher Einheit?

Ich glaube nicht an Visionen. Das ist ein westliches Konzept. In meiner Ansprache an Papst Benedikt hier 2009 habe ich gesagt, dass wir den Begriff der Einheit der Kirchen nicht nur administrativ und strukturell interpretieren sollten. Wir brauchen die Gemeinschaft im Glauben und Denken.

Erwarten Sie sich Fortschritte in dieser Richtung durch das Treffen von Papst und Patriarch in wenigen Tagen?

Ich glaube nicht, dass etwas Aussergewöhnliches passieren wird. Ich verstehe nicht, warum die Katholiken so enthusiastisch sind angesichts dieses Treffens.

Nun, es war Patriarch Bartholomaios, der dieses Treffen hier im Heiligen Land vorgeschlagen hat, nicht der Papst.

Dieses Treffen ist zu sehen im Rahmen des bestehenden Dialogs zwischen beiden Kirchen. Und das ist sehr wichtig. Ich glaube aber nicht, dass spezifische Fragen diskutiert werden. Dafür ist auch die Zeit zu kurz.

Haben Sie mit Patriarch Bartholomaios in Bezug auf das bevorstehende Treffen gesprochen?

Ja, natürlich. Wir sind schliesslich in der Grabeskirche die Gastgeber von beiden, Papst und Patriarch. Es gibt hier in Jerusalem ja nur einen Patriarchen.

Aber mit dem lateinischen und dem armenischen Patriarchen residieren noch zwei andere Träger dieses Titels hier.

Ja, ich bedaure, dass sie sich diesen Titel anmassen. Sie sind Patriarchen in Jerusalem, aber nicht von Jerusalem. Nur der griechische Patriarch ist Patriarch von Jerusalem. Nur er kann für alle Christen des Heiligen Landes sprechen.

Lassen Sie uns über die Ökumene im Heiligen Land sprechen. Wo sehen Sie Felder der Zusammenarbeit der hiesigen Kirchen?

Da gibt es eine ganze Reihe. Die Lage in der Region beschäftigt uns natürlich alle. Wie kann man die christliche Präsenz im Nahen Osten und hier im Heiligen Land sichern? Darauf müssen wir Antworten finden. Auch die Bewahrung der Heiligen Stätten hier und des christlichen Charakters Jerusalems ist eine gemeinsame Aufgabe.

Bringen die arabischen Umwälzungen mit ihren Auswirkungen auf die Christen die Kirchen näher zusammen?

Nun, wir arbeiten ja schon zusammen. Aber natürlich muss man Kräfte bündeln, um den Herausforderungen begegnen zu können. In Amman haben wir ein Büro des Patriarchats eröffnet, um syrischen Flüchtlingen zu helfen. Wir schauen dabei nicht auf ihre religiöse oder ethnische Zugehörigkeit. Kürzlich haben wir etwa versucht, einer grösseren Gruppe von syrisch-orthodoxen Flüchtlingen zu helfen. Wir unterscheiden da nicht.

Derzeit gibt es eine Welle von Übergriffen jüdischer Extremisten gegen christliche und muslimische Einrichtungen. Auch orthodoxe Einrichtungen hat es getroffen. Wie sehr beunruhigt Sie das?

Diese Leute wollen das Vertrauen zerstören, das zwischen den Kirchen, den Religionsgemeinschaften und den staatlichen Stellen aufgebaut wurde. Ich weiss nicht, wer dahintersteht. Sind es Einzelne oder organisierte Gruppen? Niemand weiss es.

Für Spannungen zwischen Juden und Christen sorgt momentan auch die Aufregung um den Abendmahlssaal. Die Franziskaner wollen ein erweitertes Nutzungsrecht. Viele Juden sind dagegen. Unterstützen Sie die Katholiken in ihrer Forderung?

Wir beten dort ebenfalls einmal im Jahr. Und viele Christen besuchen die Stätte. Wir stehen dieser Frage deshalb nicht neutral gegenüber. Aber die Lage dort ist kompliziert. Muslime betrachten den Ort als islamische Stiftung. Die Ansprüche der Juden sind ebenfalls bekannt. Es ist ein sehr sensibles Thema.

Sollte Ihrer Meinung nach der Status quo um des interreligiösen Friedens willen also beibehalten werden?

Schauen Sie, diese Stätte des Davidsgrabes und des Abendmahlssaales ist Juden, Christen und Muslimen heilig. Das ist auch so beispielsweise beim Felsendom auf dem Tempelberg. Unsere Position ist, dass wir keine Forderungen bezüglich des Eigentums an diesen Stätten erheben, sondern nur an ihrer Heiligkeit teilhaben wollen. Solange wir freien Zugang haben und beten können, ist das mehr als genug. Wenn es aber eine Einigung zwischen den Parteien in der Frage des Abendmahlssaales gibt, dann ist das auch gut.

Auf Beschluss der katholischen Bischöfe des Heiligen Landes feiern die hiesigen Katholiken seit 2013 zusammen mit den orthodoxen Christen Ostern. Begrüssen Sie diese vorläufig noch probeweise Angleichung der Kalender als ökumenischen Brückenschlag?

Nein, es hat nur Verwirrung gebracht. Es wurde nicht mit uns koordiniert. Ich verstehe, dass die Gläubigen vor allem in gemischt-konfessionellen Familien gemeinsam die Feste feiern wollen. Aber wir lehnen die unilaterale Vorgehensweise der lateinischen Kirche ab.

Historisch gesehen gab es viele Spannungen zwischen lateinischer und griechischer Kirche, Stichwort Kreuzzüge. Steht die Geschichte noch zwischen den Kirchen?

Nein, ich glaube, das haben wir hinter uns gelassen. Bei den Muslimen mag das anders sein, aber zwischen uns Christen steht es nicht mehr. Da hat es Versöhnung gegeben. Die Dinge haben sich völlig verändert.

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