1. Sonntag der Fastenzeit – Invocabit

“Wenn er mich anruft, dann will ich ihn erhören…”

Quelle

Die Sonntage der Fastenzeit haben sowohl in der ordentlichen wie in der ausserordentlichen Form des Römischen Ritus als auch in der evangelischen Gottesdienstordnung einen eigenen Namen. Der ökumenisch verwendete Name des Sonntags “Invocábit” leitet sich vom Beginn des lateinischen Introitus (Eröffnungsgesang) ab: “Invocábit me, et ergo exáudiam eum …” – “Wenn er mich anruft, dann will ich ihn erhören…”

Evangelium nach Matthäus 4,1-11

In jener Zeit wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden.
Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger.

Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.
Er aber antwortete: In der Schrift heisst es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.

Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heisst in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuss nicht an einen Stein stösst.
Jesus antwortete ihm: In der Schrift heisst es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.

Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.
Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.

Darauf liess der Teufel von ihm ab, und es kamen Engel und dienten ihm.

Kommentar zum heutigen Evangelium
Hl. Gregor der Grosse (um 540 – 604), Papst und Kirchenlehrer
Homilien über das Evangelium, Nr. 16

“Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden” (Röm 5,19)

Wenn wir aufmerksam verfolgen, wie die Versuchung des Herrn vor sich ging, können wir ermessen, in welchem Ausmass wir von der Versuchung befreit worden sind. Der Feind “von Anfang an“ trat dem ersten Menschen, unserem Urahn, mit drei Arten von Versuchung entgegen: er bediente sich der Essgier, der Ruhmgier und der Habgier… Auf die Wirkung der Essgier setzte er, als er ihm die verbotene Frucht zeigte und ihn überredete, davon zu essen. Der Ruhmgier bediente er sich, als er sagte: “Ihr werdet wie Gott” (Gen 3,5). Und mit der Habgier rechnete er, als er versprach: “Ihr erkennt Gut und Böse”. Denn Habgier gilt nicht nur dem Geld, sondern auch den Ehrenbezeigungen…

Als er aber den zweiten Adam versuchte, führte das gleiche Vergehen, das den ersten Menschen hatte zu Fall bringen können, zur Niederlage des Teufels. Er rechnete mit der Essgier, als er forderte: “Befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird!” Auf die Ruhmgier setzte er mit den Worten: “Wenn du Gottes Sohn bist, so stürze dich hinab”. Und der Habgier wollte er sich bedienen, als er ihm alle Reiche der Welt zeigte und ihm zu verstehen gab: “Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest”… So nahm der zweite Adam den Teufel gefangen. Er vertreibt ihn aus unseren Herzen auf dem gleichen Weg, auf dem er ihm den Zugang zu ihnen und seine Macht über sie gestattet hat.

Bei der Versuchung des Herrn müssen wir ein weiteres bedenken…: Er hätte seinen Versucher in den Abgrund stürzen können, hat aber seine persönliche Macht nicht offenbart; er beschränkte sich darauf, dem Teufel mit Anweisungen der Heiligen Schrift zu begegnen. Das tat er, um uns mit seiner Geduld ein Beispiel zu geben und uns anzuleiten, mehr auf Belehrung als auf Rache zu setzen… Erkennt, wie gross die Geduld Gottes ist, und wie gross unsere Ungeduld! Wir werden bereits wütend, wenn uns Ungerechtigkeit oder Beleidigung trifft…; der Herr aber ertrug die Feindseligkeit des Teufels und antwortete ihm nur mit milden Worten.

Lesungen

Buch Genesis 2,7-9.3,1-7

Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.
Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte.
Gott, der Herr, liess aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse.
Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?
Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen;
nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen, und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben.
Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben.
Gott weiss vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.
Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und ass; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er ass.
Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz.

Psalm 51(50),3-4.5-6.12-13.14.17

Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld,
tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen!
Wasch meine Schuld von mir ab,
und mach mich rein von meiner Sünde!

Denn ich erkenne meine bösen Taten,
meine Sünde steht mir immer vor Augen.

Gegen dich allein habe ich gesündigt,
ich habe getan, was dir missfällt.

Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz,
und gib mir einen neuen, beständigen Geist!
Verwirf mich nicht von deinem Angesicht,
und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir!

Mach mich wieder froh mit deinem Heil;
mit einem willigen Geist rüste mich aus!
Herr, öffne mir die Lippen,
und mein Mund wird deinen Ruhm verkünden.

Brief des Apostels Paulus an die Römer 5,12-19

Brüder!

Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod, und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten.
Sünde war schon vor dem Gesetz in der Welt, aber Sünde wird nicht angerechnet, wo es kein Gesetz gibt;
dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, welche nicht wie Adam durch Übertreten eines Gebots gesündigt hatten; Adam aber ist die Gestalt, die auf den Kommenden hinweist.
Doch anders als mit der Übertretung verhält es sich mit der Gnade; sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteil geworden.
Anders als mit dem, was durch den einen Sünder verursacht wurde, verhält es sich mit dieser Gabe: Das Gericht führt wegen der Übertretung des einen zur Verurteilung, die Gnade führt aus vielen Übertretungen zur Gerechtsprechung.
Ist durch die Übertretung des einen der Tod zur Herrschaft gekommen, durch diesen einen, so werden erst recht alle, denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit reichlich zuteil wurde, leben und herrschen durch den einen, Jesus Christus.
Wie es also durch die Übertretung eines einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so wird es auch durch die gerechte Tat eines einzigen für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben gibt.
Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden.

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