Unsichtbar, aber nicht aus der Welt
Franziskus schätzt Präsenz und Rat des Vorgängers Benedikt XVI.
Vatikanstadt, kath.net/ KNA, 9. Februar 2014, – Von Johannes Schidelko (KNA)
Die Befürchtungen um eine konkurrierende Doppelspitze, um ein Neben- oder Gegeneinander von zwei Päpsten im Vatikan erwiesen sich als unbegründet. Seit seinem Amtsverzicht vor einem Jahr lebt der emeritierte Papst Benedikt XVI. zurückgezogen und für die Öffentlichkeit nahezu unsichtbar im Vatikan. Er widmet sich dem Gebet, der Meditation – und einer umfangreichen Korrespondenz.
Sein Nachfolger Franziskus schätzt die Präsenz und den Rat und die gelegentliche Begegnung mit dem Vorgänger. “Es ist, wie den Grossvater im Hause zu haben, einen weisen Grossvater”, begeisterte sich der Argentinier bei einer Begegnung mit Journalisten. Und gemeinsam mit seinem Vorgänger gab Franziskus seine erste Enzyklika “Lumen fidei” heraus.
Zu Rechtsstatus und Zuständigkeit an der Kirchenspitze hat sich Benedikt XVI. bei seinem Abschied unmissverständlich geäussert. Bei einer letzten Begegnung mit dem Kardinalskollegium am Mittag des 28. Februar sagte er: “Unter euch ist der nächste Papst: Ich verspreche ihm Gehorsam.” Und dieses Gelöbnis wiederholte Benedikt XVI. auch persönlich, als Franziskus ihm zehn Tage nach seiner Wahl in Castel Gandolfo einen Besuch abstattete.
Das Verhältnis zwischen Franziskus und seinem Vorgänger Benedikt XVI. sei “bestens”; es bestehe eine “aussergewöhnlich herzliche” persönliche Beziehung zwischen den beiden, meint Vatikansprecher Federico Lombardi. In seinem endgültigen Domizil, dem ehemaligen Kloster “Mater Ecclesiae” in den vatikanischen Gärten, stehe Benedikt XVI. seinem Nachfolger stets zur Verfügung, wann immer er dies wünscht. Vor allem aber begleite er den Weg mit der Kirche im Gebet, so Lombardi.
Mit Benedikt XVI. zogen auch die vier Damen der geistlichen Gemeinschaft “Memores Domini”, die ihm zuvor den Haushalt im “Appartamento” des Apostolischen Palastes geführt hatten, ins Kloster um. Ausserdem ist auch sein Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein seinem Dienstherrn gefolgt. Als Präfekt des Päpstlichen Hauses ist er zugleich enger Mitarbeiter von Papst Franziskus – und bildet so ein zusätzliches Bindeglied zwischen den beiden.
Benedikt XVI. hält sich an die selbstverordnete Zurückgezogenheit. Nur einmal nahm er die Einladung zu einem offiziellen Termin an: zur Einweihung einer Statue des heiligen Michael in den vatikanischen Gärten. Und das, obwohl ihn Franziskus nach eigenen Worten mehrmals zu mehr Präsenz ermuntert hat: “Heiligkeit, empfangen Sie (Besuche), leben Sie Ihr Leben, kommen Sie zu uns!”, betonte der Argentinier vor Journalisten. In der Tat haben sich beide in den Weihnachtstagen gegenseitig besucht. Vor allem aber sind beide hin und wieder telefonisch in Kontakt.
Freilich empfängt der emeritierte Papst immer wieder Gäste – sogar “relativ viele”, meinte ein Insider. Noch mehr pflegt er Briefkontakte; täglich erhält er Stapel von Post, die er ausführlich beantwortet. “Sie sollen mir schreiben”, heisst es von ihm, wenn jemand den Kontakt zu ihm sucht. Einer dieser Briefe – an den Mathematiker und atheistischen Buchautor Piergiorgio Odifreddi – erschien in einer römischen Tageszeitung. Der Vatikan veröffentlichte ansonsten von ihm nur die Predigt, die er im Spätsommer bei einer Messe für den “Ratzinger-Schülerkreis” hielt.
Und natürlich steht der emeritierte Papst in engem Kontakt zu seinem Bruder, Prälat Georg Ratzinger. Mit ihm feierte er Mitte Januar dessen 90. Geburtstag – mit einem Konzert vor 40 Gästen in einem Tonstudio in den vatikanischen Gärten. Mit Georg zusammen war Benedikt XVI. auch im Sommer 2013 zu einem Kurzbesuch nach Castel Gandolfo gefahren. Und ihn besuchte er Anfang Januar in der Gemelli-Klinik, als der frühere Regensburger Domkapellmeister an plötzlicher Herzschwäche litt.
Zu wissenschaftlichem Arbeiten oder theologischer Forschung reichen die Kräfte von Benedikt XVI. freilich nicht mehr – sonst hätte er auch sein Amt weiterführen können, soll er selbst gesagt haben. Nach dem Kräfteeinbruch vor einem Jahr hat er sich inzwischen wieder erholt. Gesundheitlich gehe es ihm, sagen Vertraute, für sein Alter gut.
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