Wenn die Hirten zu Wölfen werden

Papst Franziskus, Mittwoch, 15. Mai 2013

Der gute HirteQuelle
Morgenmessen im Vatikanischen Gästhaus “Domus Sanctae Martae”

Frühmesse im Vatikanischen Gästehaus “Domus Sanctae Martae”

aus: L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 21, 24. Mai 2013

Bischöfe und Priester, die der Versuchung des Geldes und des eitlen Karrierestrebens nachgeben, verwandeln sich von Hirten in Wölfe, “die das Fleisch ihrer eigenen Schafe fressen”. Papst Franziskus gebrauchte sehr deutliche Worte, um das Verhalten dessen anzuprangern, der, wie er mit einem Zitat des hl. Augustinus sagte, “das Fleisch des Lämmleins nimmt, um es zu essen, und es ausnutzt; er macht Geschäfte und hängt am Geld, er wird habgierig und manchmal treibt er Ämterschacher. Oder er eignet sich aus Eitelkeit die Wolle an, um damit anzugeben”.

Bischöfe und Priester sollten darum beten, diese “echten Versuchungen” zu überwinden, sie bedürften aber auch des Gebets der Gläubigen. Desselben Gebets, um das der Papst am Mittwoch, 15. Mai, die Teilnehmer an der Frühmesse in der Kapelle der Domus Sanctae Marthae gebeten hat.

Der Heilige Vater kommentierte die Lesungen zum Tage: die erste (Apostelgeschichte 20, 28–38) “ist eine der schönsten Stellen des Neuen Testaments”, merkte er an. Sie berichtet vom Verhältnis zwischen Paulus und den Gläubigen von Ephesus, also vom Verhältnis des Bischofs zu seinem Volk, “das von Liebe und Zärtlichkeit geprägt ist”. Über dieses Verhältnis spricht auch das Johannesevangelium (17,11–19), “wo einige Schlüsselwörter genannt werden”, erläuterte der Papst, die der Herr an die Jünger richtet: “seid wachsam”, “bewahrt sie, bewahrt das Volk”, “erbaut es, verteidigt es”. Und “Jesus sagt zum Vater: ‘heilige sie'”.

Mit diesen Worte und Gesten komme ein Schutzverhältnis zum Ausdruck, eine Liebesbeziehung zwischen Gott und dem Hirten und zwischen dem Hirten und dem Volk. “Das”, so präzisierte der Papst, “ist eine Botschaft, die an uns Bischöfe gerichtet ist, an die Priester. Jesus sagt zu uns: ‘Wacht über euch selbst und über die ganze Schöpfung’. Der Bischof und der Priester müssen wachen, wachen gerade über ihr Volk. Sich ihres Volkes annehmen, es zum Wachstum führen. Und Wache stehen, um Alarm zu schlagen, wenn die Wölfe kommen.” All das “weist auf eine äusserst wichtige Beziehung zwischen Bischof, Priester und Gottesvolk hin. Letzten Endes ist ein Bischof nicht Bischof für sich selbst, sondern er ist es für das Volk; und ein Priester ist nicht Priester für sich selbst, sondern für das Volk.” Das sei eine “sehr schöne” Beziehung, die auf gegenseitiger Liebe basiere. Und “dadurch wird die Kirche geeint. Ihr”, so forderte er die Gläubigen auf, “ihr sollt immer an eure Bischöfe und an die Priester denken, nicht wahr? Wir brauchen eure Gebete.”

Im Übrigen, so führte er aus, gründe das Verhältnis zwischen Bischöfen, Priestern und Gottesvolk nicht auf der sozialen Solidarität, in der “der Bischof, der Priester solidarisch ist mit dem Volk: wir hier, ihr dort”. Es handle sich vielmehr um eine “existentielle”, eine “sakramentale Beziehung”, wie sie im Evangelium beschrieben werde, in der “Bischof, Priester und Volk niederknien und beten und weinen. Das ist die geeinte Kirche! Die gegenseitige Liebe zwischen Bischof, Priester und Volk. Wir bedürfen, um das zu tun, eurer Gebete, weil auch der Bischof und der Priester in Versuchung geführt werden können.”

Folglich bestehe die erste Aufgabe eines Bischofs und eines Priesters darin, “zu beten und das Evangelium zu verkünden. Ein Bischof, ein Priester muss sehr viel beten… Er muss immer den Auferstandenen, Jesus Christus, verkündigen. Wir müssen den Herrn darum bitten, dass er gerade uns Bischöfe und die Priester beschütze, damit wir beten, Fürsprache halten, mit Mut die Heilsbotschaft verkündigen können. Der Herr hat uns erlöst! Und er lebt mitten unter uns!” Aber “auch wir”, so fügte er hinzu, “sind nur Menschen und wir sind Sünder”: wir alle können sündigen “und werden auch versucht. Was sind die Versuchungen, denen der Bischof und der Priester ausgesetzt sind? Der hl. Augustinus spricht in seinem Kommentar zum Propheten Ezechiel von zweierlei Versuchungen: vom Reichtum, der zum Geiz werden kann, und von der Eitelkeit. Er sagt: ‘Wenn der Bischof, der Priester zum eigenen Nutzen von den Schafen profitiert, dann ändert sich die Richtung: nicht der Priester, der Bischof ist für das Volk da, sondern dann sind es der Priester und der Bischof, die vom Volke nehmen.'” Habgier und Eitelkeit: das seien die beiden Versuchungen, über die der hl. Augustinus spreche: “Das ist die Wahrheit!

Wenn ein Priester, ein Bischof vorrangig an Geld interessiert ist, dann liebt ihn das Volk nicht, und das ist ein Zeichen. Und er selbst nimmt ein böses Ende. Paulus spricht davon: ‘Ich habe mit diesen meinen Händen gearbeitet.’ Paulus hatte kein Bankkonto, er arbeitete. Und wenn ein Bischof, ein Priester auf den Weg der Eitelkeit gerät, dann tritt er ein in den Geist des Karrierestrebens, er fügt der Kirche grossen Schaden zu.” Und am Ende mache er sich lächerlich, denn “er brüstet sich, es gefällt ihm, sich zu zeigen in all seiner Macht… Und das liebt das Volk nicht!

Ihr seht, was unser Problem ist und was unsere Versuchungen sind: deshalb müsst ihr für uns beten, damit wir arm bleiben, damit wir demütig bleiben, sanftmütig, im Dienst des Volkes”. Der Papst lud die Anwesenden ein, diese Stelle des Evangeliums nachzulesen, um sich von der Notwendigkeit zu überzeugen, “für uns Bischöfe und für die Priester” zu beten. “Wir brauchen das dringend, um treu zu bleiben, um Männer zu sein, die über die Herde wachen und auch über uns selbst.” Und auch deshalb, damit “der Herr uns vor Anfechtungen beschützen möge, denn wenn wir auf den Weg des Reichtums geraten, wenn wir den Weg der Eitelkeit einschlagen, dann werden wir Wölfe. Und nicht Hirten.”

Zusammen mit dem Papst zelebrierten unter anderen Ricardo Blázquez Pérez, Erzbischof von Valladolid in Spanien, sowie der Jesuit Andrzej Koprowski, Programmdirektor von Radio Vatikan, die zusammen mit einer Gruppe von Mitarbeitern des Senders gekommen waren.

© Copyright 2013 – Libreria Editrice Vaticana

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