‘Das’ liebe Gott – es lebe der Zeitgeist!
Über die Aussagen von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder
Wetzlar, kath.net/idea, 8. Januar 2013, von Michael Inacker /idea
Einen besonderen Weihnachtsgruss hatte sich zum Jahresende eine führende CDU-Politikerin ausgedacht. So flüssig, dass es fast schon überflüssig war, philosophierte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder über Kinderbücher und das Lesen mit Kindern. Dabei passierte etwas, das typisch ist für jene Anbiederung an den Zeitgeist, mit der christlich-konservative Politiker immer wieder ihr Publikum überraschen. Gott könne man, wenn man sich denn entschieden habe, sowohl männliche als auch weibliche Attribute zuweisen, sagte die Ministerin im Interview mit der “Zeit”. Und wenn es nach ihr ginge, dann “könnte (man) auch sagen: das liebe Gott”.
In den Reihen von CDU und CSU hagelte es unmittelbar Hohn und Spott. “Verkopfter Quatsch” wurde Schröder vorgeworfen. “Erschreckenden religiösen Analphabetismus” attestierte ihr auch noch ein deutscher Vatikan-Berater, der dann sofort von Schröders Pressesprecher mit Katechismus-Zitaten belehrt wurde, nach denen Gott weder Mann noch Frau ist. Was ein besinnliches Interview der Familienministerin zu den Weihnachtstagen werden sollte, endete als veritabler theologischer Streit mit Schröder als Verursacherin in der Mitte.
Das Problem des christlich-bürgerlichen Milieus
Dabei sollte man der Ministerin weniger ihr theologisches Dilettieren zum Vorwurf machen. Ihre Äusserungen stehen vielmehr für das zentrale Grundproblem der christlichen und bürgerlich-konservativen Milieus in Deutschland. Sie überlassen die Deutungshoheit über die gesellschaftlichen Debatten – bis in die Sprache hinein – freiwillig den nicht-bürgerlichen Kräften im Land. Eine Position nach der anderen ist so in den vergangenen Jahrzehnten von “christlich-bürgerlichen” Politikern, aber auch den Kirchen im öffentlichen Diskurs geräumt worden. Jedes Mal glaubte man, die eigene Position sei überholt, nicht mehr zeitgemäss – gerade weil man selbst zu eigenen Überzeugungen nicht steht und den Aktivisten des Zeitgeists auf den Märkten und Talkshows widerspruchslos oder anbiedernd das Feld überlassen hat. So dreht sich die Schweigespirale immer weiter. Man übersieht dabei, dass es bei vielen Themen schweigende Mehrheiten gab und gibt, die nur darauf warten, dass Persönlichkeiten mit Vorbildfunktion angeblich unbequeme und unpassende Wahrheiten mutig und kämpferisch vertreten.
Wenn Werte umgedeutet werden
Es verrutschen die Massstäbe: Denn man kann durchaus für die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf argumentieren – ohne einem politisch-korrekten Feminismus zu huldigen, der sich im Austausch von männlichem und weiblichem Artikel verliert. Diejenigen, die “der Gott” für unzeitgemäss halten, haben ja nicht wirklich die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Sinn. Ihnen geht es um mehr: Sie wollen eigentlich eine andere Gesellschaft und am Ende auch eine Umwertung von Werten. Frau Schröder gibt einen Konservatismus auf, der immer auch modern war. Denn konservativ ist eben nicht das Festhalten an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt.
Der Autor, Dr. Michael Inacker (Berlin) ist Vorsitzender der Internationalen Martin Luther Stiftung.
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