Die “eine Kirche” geht den Ortskirchen voraus

Vor den neuen Kardinälen ruft Papst Benedikt zum Dienst an der Einheit und Wahrheit auf

Rom, DT, 21. November 2012, von Guido Horst

Die feierliche Kardinalserhebung am Samstag hat ganz sinnfällig zum Ausdruck gebracht, dass die universale Kirche in ihren Riten und Gewändern bunter ist als die in Europa. Allein Grosserzbischof Baselios Cleemis Thottunkal aus Indien, das Oberhaupt der mit Rom verbundenen syromalankarischen Christen, hob sich durch Bekleidung und Kopfbedeckung von den übrigen fünf Kandidaten ab. Dementsprechend war es auch eine andere, kreisrunde Kardinalsinsignie, die ihm Benedikt XVI. auf den Kopf drückte. Aber auch der Maronit, Patriarch Béchara Boutros Rai, unterschied sich mit einer purpurroten Kapuze von den anderen. Das waren James Michael Harvey, bislang Präfekt des Päpstlichen Hauses, John Olorunfemi Onaiyekan aus Nigeria, Rubén Salazar Gómez aus Kolumbien und Luis Antonio Tagle von den Philippinen.

Das kleine und insgesamt fünfte Konsistorium in der Amtszeit Papst Benedikts fand im Petersdom über dem Petrusgrab statt, in mehreren Stuhlreihen verfolgten die in Rom anwesenden Kardinäle die Zeremonie, die in einen Wortgottesdienst eingebettet war. Einzeln traten die neuen Kardinäle nach vorne zum Papst, um nach dem neuen, vereinfachten Verfahren alle drei Gegenstände der Ernennung in Empfang zu nehmen: die rote Kopfbedeckung, den Kardinalsring und die Ernennungsurkunde mit der Angabe der Titelkirche in Rom.

Papst Benedikt, passend zur Intention dieses Konsistoriums, das die “europalastige” Kardinalserhebung vom Februar ergänzen sollte, aber auch passend zum Glaubensjahr, predigte über den Glauben an “die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche”. Und er wollte besonders auf die Bedeutung des Begriffes “katholisch” eingehen. Die Kirche, so der Papst, sei im Besonderen darum katholisch, weil Christus in seiner Heilssendung die gesamte Menschheit umfasse. Während die Sendung Jesu in seinem Erdenleben auf das jüdische Volk beschränkt geblieben sei, “war sie doch von Anfang an darauf ausgerichtet, allen Völkern das Licht des Evangeliums zu bringen und alle Nationen in das Reich Gottes eintreten zu lassen”.

Jesus habe seine Kirche nicht zu einer Gruppe gesandt, sondern an die Menschheit im Ganzen, um sie im Glauben in einem einzigen Volk zu versammeln, mit dem Ziel, sie zu retten, wie das Zweite Vatikanische Konzil es in der Dogmatischen Konstitution “Lumen gentium” gut zum Ausdruck bringe.

Die Universalität der Kirche, meinte Papst Benedikt weiter, greife also auf die Universalität des einzigen göttlichen Heilsplans für die Welt zurück. “Dieser universale Charakter tritt am Pfingsttag deutlich hervor, als der Geist die christliche Urgemeinde mit seiner Gegenwart erfüllt, damit sich das Evangelium auf alle Nationen ausbreite und in allen Völkern das eine Gottesvolk wachsen lasse.” Die universale Sendung der Kirche steige also nicht von unten, aus der Tiefe auf, sondern komme von oben herab, vom Heiligen Geist, und von ihrem ersten Augenblick an sei sie darauf ausgerichtet, sich in jeder Kultur auszudrücken, um so das eine Volk Gottes zu bilden.

Im Umkreis der Apostel seien also die christlichen Gemeinden aufgeblüht, fuhr der Papst fort, aber sie sind “die” Kirche, “die in Jerusalem, in Antiochien oder in Rom immer dieselbe eine und universale Kirche ist. Und wenn die Apostel von Kirche sprechen, dann sprechen sie nicht von einer bestimmten Gemeinde, sondern von der Kirche Christi und beharren auf dieser einen, universalen und umfassenden Identität der Catholica, die sich in jeder Ortskirche verwirklicht.”

Ein Stück Theologie des deutschen Papstes vor seinen Kardinälen. Diese erinnerte der Papst auch an ihre grosse Aufgabe: “Wenn ihr das rote Birett empfangt, werdet ihr an seine Bedeutung erinnert, dass ihr bereit sein müsst, euch tapfer bis zum Blutvergiessen für die Förderung des christlichen Glaubens, für den Frieden und für die Ruhe des Gottesvolkes einzusetzen.” Von jetzt an seien die neuen Kardinäle noch enger und inniger mit dem Stuhl Petri verbunden.

Am Samstagnachmittag fanden im Vatikan die “visite di calore”, die “Höflichkeitsbesuche” statt, Freunde, Bekannte, Angehörige oder einfach Neugierige hatten die Gelegenheit, den Vatikan zu betreten und die Neuernannten aufzusuchen und zu beglückwünschen. Inder, Maroniten und Afrikaner in ihren bunten Gewändern unterstrichen nochmals die Intention des Papstes, mit diesem Konsistorium die Universalität der katholischen Kirche zu zeigen. Am Sonntagmorgen feierte der Papst dann in Konzelebration mit den sechs neuen Purpurträgern eine Dankmesse im Petersdom – und wieder gab es eine ausgearbeitete Predigt zu hören. Benedikt XVI. sprach über das Christkönigsfest dieses Tages, des letzten Sonntags im Kirchenjahr, genauer über das Königtum Jesu: “Es ist klar, dass Jesus keinerlei politische Ambitionen hat”, sagte er zum Sonntagsevangelium, in dem die Menschen nach der Brotvermehrung Jesus zu ihrem König machen wollten. “Doch Jesus weiss, dass das Reich Gottes ganz anderer Art ist, sich nicht auf Waffen und auf Gewalt gründet. Und so ist es gerade die Brotvermehrung, die einerseits zum Zeichen seiner Messianität wird, aber andererseits einen Wendepunkt in seinem Wirken darstellt: Von jenem Moment an wird der Weg zum Kreuz immer deutlicher; dort, in der äussersten Liebestat, wird das verheissene Reich, das Reich Gottes aufleuchten.”

Das sei auch der Grund, warum ein Vertreter der Macht wie Pilatus angesichts eines wehrlosen, gebrechlichen, erniedrigten Menschen wie Jesus verwundert sei – verwundert, weil er von einem Reich, von Dienern reden hört. Jesus spreche zwar von einem König, von einem Reich, aber er beziehe sich dabei nicht auf die Herrschaft, sondern auf die Wahrheit. “Jesus ist gekommen, um ein neues Königtum zu offenbaren und zu bringen: das Königtum Gottes; er ist gekommen, um Zeugnis abzulegen für die Wahrheit eines Gottes, der die Liebe ist.”

Und wieder wandte sich Papst Benedikt am Ende der Predigt mit einer Mahnung an seine Kardinäle: “Euch, liebe, verehrte Mitbrüder im Kardinalskollegium – in besonderer Weise denke ich an die gestern kreierten Kardinäle – wird diese anspruchsvolle Verantwortung aufgetragen: Zeugnis zu geben für das Reich Gottes, für die Wahrheit. Das bedeutet, gegenüber den Interessen der Welt und ihrer Mächte immer den Vorrang Gottes und seines Willens hervortreten zu lassen. Ahmt Jesus nach, der in der vom Evangelium beschriebenen Erniedrigung vor Pilatus seine Herrlichkeit hat aufleuchten lassen: die Herrlichkeit, bis zum äussersten zu lieben und das eigene Leben für die geliebten Menschen hinzugeben.” Das sei die Offenbarung der Reiches Jesu. “Und darum wollen wir, ein Herz und eine Seele, miteinander beten: Dein Reich komme.”

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