“Die Endlichkeit des Lebens nicht aus den Augen verlieren”

“Die Endlichkeit des Lebens nicht aus den Augen verlieren”: Gespräch zur Sepulkralkultur

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Von Christian Peschken / EWTN

20. September 2025

Sterben ist teuer – und wird immer teurer. Laut aktuellen Statistiken steigen die Kosten für Bestattungen seit Jahren, nicht zuletzt durch Inflation, höhere Friedhofsgebühren und den Trend zu individuellen Abschiedsformen. Mehrere tausend Euro für Sarg, Urne, Grab und Trauerfeier sind längst die Regel. Doch was passiert, wenn sich Familien das nicht leisten können? Immer öfter übernehmen Kommunen sogenannte Sozialbestattungen – schlicht, reduziert, anonym. Wird die letzte Reise damit zur sozialen Frage?

Genau diesen Fragen widmet sich das Museum für Sepulkralkultur in Kassel. Das Wort leitet sich ab vom lateinischen “sepulcrum” (Grab, Begräbnisstätte) und bezeichnet alles, was mit Sterben, Bestattung, Trauer und Erinnerung zu tun hat. Dort läuft vom 26. September 2025 bis 15. März 2026 die Ausstellung “Was kostet der Tod? – dazwischen 3.0. Du, das Leben und die Endlichkeit”.

Christian Peschken (EWTN) sprach mit Dirk Pörschmann, dem Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal sowie Direktor des Zentralinstituts und Museums für Sepulkralkultur in Kassel über steigende Kosten, gesellschaftliche Verantwortung und die Frage, wie Würde im Tod auch in Zukunft gesichert werden kann.

Von der Bestattung über Grabpflege bis hin zu Gebühren – viele Angehörige sind von den Kosten überrascht. Woran liegt es, dass sich die Preise so entwickelt haben?

Welche Bereiche unseres Lebens haben in den letzten Jahren keine Kostensteigerung erfahren? Wir sterben, wie wir leben und so ist es nicht verwunderlich, dass auch die Kosten im Kontext von Abschiedsfeier und Bestattung gestiegen sind. Dienstleistungen sind teurer geworden. Die Inflation hat ein Übriges dazu getan. Nichtsdestotrotz gibt es kostengünstige Angebote. Es gibt Angebote für den schmalen und den gefüllten Geldbeutel. Die Bestattungskultur bietet vielfältige Möglichkeiten, und so denke ich, dass für alle Menschen ein passendes Angebot vorhanden ist. Allerdings muss man dieses finden. Das bedeutet Recherche und Auseinandersetzung, und hierbei sollten die Angehörigen nicht außen vor sein.

Neben der klassischen Erdbestattung spielen Feuerbestattungen, anonyme Grabfelder oder auch Naturbestattungen eine wachsende Rolle. Was sagt dieser Wandel über unser Verhältnis zu Tod und Erinnerung aus?

Der größte Trend, der den Wandel der Bestattungskultur stark beeinflusst hat, ist die massive Zunahme der Feuerbestattungen. Mittlerweile werden rund 80 Prozent der Leichen in Deutschland kremiert. Die Kremation ist die Voraussetzung für viele Beisetzungsarten, so etwa den Begräbniswald, die Seebeisetzung oder demnächst im Fluss in Rheinland-Pfalz. Auch für die Ausbringung der Asche auf privaten Grundstücken, wie es in Bremen und jetzt auch in Rheinland-Pfalz möglich ist. Die Säkularisierung unserer Gesellschaft, und die Tatsache, dass mittlerweile weniger als 50 Prozent der Bestattungen von den Kirchen durchgeführt werden, trägt dazu bei, dass der Markt vielfältiger wird. Es gibt viele Möglichkeiten, doch dies bedeutet auch, dass man sich mit diesen Möglichkeiten auseinandersetzen muss. Und dies am besten im Gespräch mit seinen Angehörigen, denn sie sind es, die weiterleben. Es ist wichtig, dass wir im Gespräch mit denen sind, die um uns trauern werden, damit unsere Wünsche auch im Sinne unserer Angehörigen sind. Wir sterben nur einmal. Wir werden nur einmal bestattet, und hier gilt es vor allem darauf zu achten, dass im Gespräch mit den Angehörigen Bestattungs- bzw. Beisetzungsarten gewählt werden, die dazu führen, dass die Trauer der Angehörigen in gesunder Weise gelebt werden kann.

Wenn ein würdevolles Begräbnis für viele Menschen kaum noch bezahlbar ist, wie sehr beeinflusst das die Art, wie wir trauern? Und wie gehen wir als Gesellschaft mit der Sorge um, dass sich “reich” und “arm” auch am Grab unterscheiden?

Es ist eine Binsenweisheit, dass wir sterben, wie wir leben. Und natürlich zeigen sich soziale Unterschiede in den Bestattungsarten und in der Art, wie und mit welchen Ritualen getrauert werden kann. Welche Möglichkeiten genutzt werden können, hängt vom Einkommen ab, aber auch der Wertschätzung von Bestattungskultur. Die zunehmende Spaltung in arm und reich in unserer Gesellschaft macht auch vor dem Tod nicht halt. Zugleich bin ich davon überzeugt, dass es nicht ausschließlich an den finanziellen Ressourcen liegt, ob Bestattungsarten und Rituale für die Angehörigen heilsam in ihrer Trauer sind. Auch hier kann ich nur dafür plädieren, dass wir das Gespräch mit unseren Nächsten suchen und klären, was essenziell und unerlässlich ist und was schön wäre, aber vielleicht nicht bezahlbar.

Gerade die katholische Kirche betont Würde, Hoffnung und Gemeinschaft im Umgang mit Sterben und Tod. Sehen Sie, dass solche Werte heute noch tragen – oder stehen sie zunehmend im Widerspruch zu pragmatischen, kostengetriebenen Entscheidungen?

Die Bedeutung religiöser Rituale im Kontext der Sepulkralkultur ist deutlich rückläufig. Das, was früher in einer langen Tradition Halt geboten hat, verliert durch die Säkularisierung an Bedeutung. Es gibt Alternativen, wie etwa säkulare Trauerredner etc., doch dies bedeutet, dass sich Menschen bewusst entscheiden müssen. Es gibt keinen Automatismus mehr im Ablauf der sogenannten Letzten Dinge. Der Mensch des 21. Jahrhundert muss sich auseinandersetzen und sich entscheiden. Er ist dabei vielmehr Kunde in einer Welt des Konsums. Doch dafür braucht er Zeit und Ressourcen im Kontext seiner eigenen Bildung, aber auch finanzielle Ressourcen. Vor allem braucht er die Bereitschaft, sich mit einem existenziellen Thema zu Lebzeiten auseinanderzusetzen. Das ist nicht leicht.

Wenn Sterben tatsächlich eine soziale Frage ist – was sollte die Politik tun? Welche Reformen oder Weichenstellungen wären aus Ihrer Sicht nötig, damit Bestattungen auch in Zukunft für alle Menschen würdevoll möglich bleiben?

Das ist eine sehr umfassende Frage. Das Sterben steht am Ende des Lebens. Wenn Politik feststellt, dass die Spaltung in arm und reich größer wird, dass also die so genannte Mittelschicht zunehmend an Bedeutung verliert, dann ist es eine zentrale politische Aufgabe, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu gewährleisten. Am Ende des Lebens kann so etwas nicht korrigiert werden.

Wenn die Friedhöfe an Bedeutung verlieren, auch weil sie unterfinanziert sind, wenn die Kommunen immer mehr die Friedhöfe subventionieren müssen, dann wäre es sinnvoll, einmal darüber nachzudenken, wie wir den Friedhof als zentralen Bestattungs-, Trauer- und Gedenkort in unserer Gesellschaft attraktiver machen können.

Vielleicht wäre es ja fruchtbar, darüber zu reflektieren, ob es notwendig ist, dass wir die Gräber bezahlen müssen. Wieso kostet uns die letzte Heimat eine Nutzungsgebühr? Es wäre doch ein Anreiz, wenn es nichts kosten würde, ein Stück Erde auf dem Friedhof für die Bestattung nutzen zu dürfen. Die Ausgestaltung eines Grabes ist individuell und kann hohe Kosten erzeugen. Diese sollte jeder selbst tragen, aber ich fände es wichtig, dass man darüber nachdenkt, ob das Züricher Modell nicht auch eines für uns wäre. Hier sind Grab, Sarg oder Urne und auch Kremation kostenlos.

Es wäre eine andere Form der Wertschätzung unserer Gesellschaft gegenüber einem gelebten Leben, und so könnte die Subventionierung unserer Friedhöfe auch einen positiven Effekt haben. Es ist aus meiner Sicht unerlässlich, dass wir die Endlichkeit des Lebens nicht aus den Augen verlieren. Der Friedhof als öffentlicher und sozialer Ort kann nicht nur hierfür gute Dienste leisten.

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Hinweis: Interviews wie dieses spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gesprächspartner wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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