Der neue französische Premier wollte Mönch werden
Sébastien Lecornu – Ob ihm das hilft, die Hürde zu nehmen, an der seine Vorgänger gescheitert sind? Frankreich braucht dringend einen neuen Haushalt und muss seine Schuldenlast verringern – all das mit einer tief gespaltenen Nationalversammlung
Quelle
Hl. Dionysius
Dionysius von Paris – Ökumenisches Heiligenlexikon
Home – Abtei Saint-Wandrille, Gemeinschaft der Benediktinermönche
12.09.2025
Sébastien Lecornu ist seit Mittwoch der zweitjüngste Premierminister der V. Republik und schon der siebte Regierungschef unter Staatspräsident Emmanuel Macron. Lecornus Vor-Vor-Vorgänger Gabriel Attal war der jüngste Premierminister der V. Republik. Nach Auflösung und Neuwahl der Nationalversammlung im Juli 2024 trat Attal zurück. Ob Lecornu das gleiche Schicksal droht?
“Ins offene Messer rennen” gehört seit den letzten Neuwahlen jedenfalls zur Jobbeschreibung des französischen Premiers.
Denn seit über einem Jahr hat nicht nur Macrons Koalition der Mitte ihre Mehrheit verloren. Auch keiner der beiden großen Oppositionsblöcke links und rechts der Mitte kann eine parlamentarische Mehrheit auf sich vereinen. Nach Michel Barnier, der es keine 100 Tage im Amt geschafft hat, und François Bayrou, dessen Vorschlag, das Bruttosozialprodukt durch die Streichung von zwei jährlichen Feiertagen zu heben, ein kleines Erdbeben ausgelöst hatte, darf sich nun also Lecornu die Zähne am Haushalt 2026 ausbeißen. Die französischen Staatsschulden haben sich über die Jahrzehnte auf 3.400 Milliarden angehäuft – allein unter Emmanuel Macron kamen 1.000 Milliarden hinzu –, deren Rückzahlung mittlerweile den größten Posten im Jahreshaushalt ausmacht.
Seit seiner Jugend in der Politik
Die Frontlinien im Parlament verlaufen auch in puncto Budget recht vorausschaubar: Bei Steuererhöhungen macht rechts nicht mit, bei einer Verschlankung des Staatsapparates steigt links aus. Kürzungen im Rentensystem lehnen sowohl die linksextreme Partei “La France Insoumise” (LFI) als auch der rechte “Rassemblement National” ab. Stattdessen fordert die Le-Pen-Partei, die Beiträge zur EU zu senken und die illegale Einwanderung zu stoppen – einschließlich der entstehenden Kosten für den Sozialstaat. Ein scheinbar unlösbares Dilemma für den neuen Mann der Mitte.
Bisher hat sich Sébastien Lecornu davor gehütet, allzu sehr ins politische Scheinwerferlicht zu treten. Dabei steht der 39-Jährige seit seinem 16. Lebensjahr auf der politischen Bühne und hat eine politische Karriere hingelegt, die sich sehen lassen kann. Zunächst als Wahlhelfer und später parlamentarischer Assistent bei der “Union pour un mouvement populaire” (UMP), eine der zahllosen Vorgängerparteien der heutigen bürgerlich-konservativen “Républicains” – die Fusion, Spaltung und Umbenennung von Parteien ist im Nachbarland ein beliebter politischer Zeitvertreib –, mit 28 Jahren dann als Bürgermeister der normannischen Kleinstadt Vernon.
Lecornu gehört – wie etwa auch der frühere Innen- und spätere Justizminister Gérald Darmanin oder auch der frühere Finanzminister Bruno Le Maire – zu den früheren “Républicains”, die bereits 2017 ins Macron-Lager gewechselt sind. “Übergelaufen”, sagt man bei den “Républicains”. Ab 2017 war Lecornu Mitglied verschiedener Regierungen unter Emmanuel Macron – zunächst als Staatssekretär im Umweltministerium, später als Minister für Gebietskörperschaften, für Übersee und schließlich für die Streitkräfte.
Jährlich besucht er die Benediktiner
Sein Leben hätte aber auch anders aussehen können: Der neue Premierminister hat eine katholische Schulbildung genossen und sein Abitur an einer katholischen Privatschule in Vernon abgelegt. In einer Fernsehsendung im Oktober 2024 sprach er zurückhaltend über seine persönliche Phase der spirituellen Suche in seiner Jugend. Damals habe er über eine mögliche geistliche Berufung nachgedacht. Besonders geprägt habe ihn dabei die Benediktinerabtei Saint-Wandrille bei Rouen, die er laut der französischen Wirtschaftszeitung Les Échos bis heute jährlich besucht.
Nun soll Lecornu das tun, woran seine Vorgänger gescheitert sind. Laut dem Elysée-Palast werde der Premierminister zunächst einen Jahreshaushalt aushandeln, bevor er sich an die heikle Frage der Kabinettsbildung heranwagt. Womöglich ein kluger Schachzug – klappt das mit dem Haushalt nicht, dann lohnt sich auch eine neue Regierungsbildung kaum.
Die Oppositionen wetzen die Messer
Bei “La France Insoumise” und dem “Rassemblement National” wetzt man bereits die Messer. Während sich die Partei Marine Le Pens und Jordan Bardellas von Neuwahlen eine absolute Mehrheit verspricht, fordern die LFI-Granden gleich den Rücktritt des Präsidenten. Der Fairness wegen muss hinzugefügt werden, dass sich aufseiten des rechten Rassemblement immerhin die Bereitschaft findet, die Vorschläge des neuen Premierministers anzuhören, was die Linkspartei LFI noch nicht einmal von sich selbst behaupten würde.
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Franziska Harter
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