“Ansteckend friedlich und herzlich”
20 Jahre WJT in Köln – Nach der Begegnung mit Christus kann es kein „weiter so“ geben, machte Benedikt XVI. klar: Der Kölner Diözesanjugendseelsorger Tobias Schwaderlapp erinnert sich an den Weltjugendtag 2005
Quelle
Weltjugendtag 2005 – Wikipedia
18.08.2025
Herr Pfarrer Schwaderlapp, welche Bilder haben Sie vom Kölner Weltjugendtag mitgenommen?
Köln war mein erster Weltjugendtag. Von den Veranstaltungen selbst habe ich relativ wenig mitbekommen, weil ich als Priesteramtskandidat in die Vorbereitungen des Papsttreffens mit den Seminaristen in St. Pantaleon eingebunden war. Einige prägnante Ereignisse des Weltjugendtags sind mir daher durchgegangen. In bleibender Erinnerung ist mir die Atmosphäre im Dom und auf der Domplatte: das friedliche Glaubensfest und die ansteckende Begeisterung so vieler Menschen, die positiv eingestellt waren und sich einfach freuten, zu einer so großen Glaubensgemeinschaft dazuzugehören. Auch die Polizei hat sich mir eingeprägt. Auf Fragen der Lokalmedien nach den Sicherheitsvorkehrungen reagierten sie ganz entspannt. Wenn ich die Atmosphäre des Weltjugendtags rückblickend mit der von Großveranstaltungen heute vergleiche, kann ich nur sagen: Das Spektakel vor dem Dom war superschön und ansteckend friedlich und herzlich.
Wie war das Treffen des Papstes mit den Seminaristen?
Es war für mich damals völlig unproblematisch, dass sich der Papst nur mit Seminaristen treffen wollte, auch wenn es sicher gute Gründe dafür gäbe zu sagen: Der Papst trifft sich mit allen, die sich irgendwie auf den sogenannten Pastoralen Dienst vorbereiten und in die Seelsorge gehen wollen. Das wäre völlig legitim. Ich finde es aber auch in Ordnung, dass sich der Papst ein eigenes Treffen mit Seminaristen gewünscht hat – gerade in einer Situation, in der wir Priester von der Gesellschaft nicht mehr “getragen” werden. Die Rolle des Priesters ist überhaupt nicht mehr vergleichbar mit früher. Und die priesterliche Existenz in der Welt ist auch innerkirchlich so umstritten, dass ich es für wirklich wichtig halte, gerade auch den Seminaristen eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Wie kann es gelingen, in einer sich so verändernden Welt heute ein gelungenes geistliches, priesterliches Leben zu führen? Als Jesus die 72 zu zweit ausgesandt hat, hat er auch ein Zeugnis der Liebe Gottes für seine Diener in der Welt gegeben und sie stärken wollen. Dafür braucht es Lernorte. Für mich war es eine besondere Situation, so nahe beim Papst zu sein: Ich durfte ministrieren und Benedikt das Mikro halten.
Gab es weitere Highlights?
Ein großes Highlight für mich war die Begrüßung des Papstes durch den damaligen protestantischen Bundespräsidenten Horst Köhler, denn ich finde, Köhler hat das einfach super gemacht. Man merkte, dass er ein überzeugter Christ war, der ohne falsche Scheu und ohne konfessionelle Unterschiede zu nivellieren, staatstragend den Papst begrüßt hat. Besonders ein Satz ist mir nachdrücklich in Erinnerung geblieben: “Immer haben Sie dafür Sorge getragen, dass die zentralen Aussagen des Glaubensbekenntnisses auch für die säkulare Kultur und die Politik relevant werden. Das konnte nicht ohne Widerspruch bleiben. Aber Widerspruch ist Ihnen mit Recht lieber als Gleichgültigkeit oder Relativismus. Auch die Sätze des Glaubens sollen ja Salz der Erde sein.” Und dann war natürlich die großartige und mitreißende Feier auf dem Marienfeld mit einer Million Jugendlichen.
Wie hat der Papst die Heiligen Drei Könige in seine Katechesen eingebunden?
Indem er an das Schriftwort erinnerte, dass die Weisen aus dem Morgenland auf einem anderen Weg heimzogen, als sie gekommen waren, machte er deutlich, dass es nach der Begegnung mit Christus kein “weiter so” geben kann. Er hat den Jugendlichen klargemacht, dass sie einen Auftrag in der Welt haben und eine Berufung. Ich darf als junger Mensch groß von meiner Fähigkeit, die Welt zu gestalten und zu verändern, denken und träumen, denn ich muss es nicht alleine machen. Insofern hat der Papst die grassierende Lethargie und das Gefühl vieler Jugendlicher, sowieso nichts ausrichten zu können, nicht gelten lassen.
War Papst Benedikt während Ihrer Seminaristenzeit für Sie ein priesterliches Vorbild?
Nein, schlicht und ergreifend, weil die Lebensumstände, die Aufgaben und die gesamte Biografie völlig unvergleichbar mit meinen sind. Bei Vorbildern denke ich eher an Priester aus meinem Umfeld. Aber wenn ich mir unter den Päpsten, die ich erlebt habe, einen Papst als “meinen” Papst aussuchen dürfte, würde ich sagen: Das ist Benedikt! Es war ein superbereicherndes Pontifikat für mich, von dem ich immer noch profitiere. Ich war in Rom, als er gewählt wurde, und habe die Begeisterung seiner ersten Pontifikatsjahre in Rom erlebt. Das war für mich eine prägende Zeit. Die Enzykliken des Papstes waren für mich ausgesprochen erkenntnisreiche Texte und haben mir viel gegeben.
Kritiker werfen Weltjugendtagen fehlende Nachhaltigkeit vor. Nach dem großen Event komme nichts nach, heißt es manchmal. Wie sehen Sie das?
Das ist ein Totschlagargument. Die WM ersetzt nicht die Bundesliga, aber es ist trotzdem ein Ereignis, das über die Bundesliga hinaus immer wieder ein neues Begeisterungspotenzial entfacht für den Fußball. So ähnlich ist es auch mit Weltjugendtagen. Natürlich müssen sich die Veranstalter überlegen, in welcher Form sie pastoral die Gelegenheit eines Weltjugendtages nutzen wollen. Und das kann der Veranstalter nur teilweise prägen. In den christlichen Glaubensweg hineinwachsen erfordert mehr als den Einsatz einer Woche. Das ist eine längerfristige Angelegenheit. Deswegen ermutigen wir immer: Meldet euch an, und dann macht euch mit den Gruppen auf den Weg. Ihr müsst euch inhaltlich vorbereiten. Eine Vorbereitung in der Gruppe bedeutet, nicht nur eine lustige Truppe sein zu wollen, sondern Weggefährtenschaft auf dem Pilgerweg des Glaubens einzuüben und nachher in Kontakt zu bleiben. Das ist die große Chance, die Weltjugendtage immer wieder bieten.
Was haben die Gastgeber mitgenommen?
Ganz viel. Viele Leute sprechen mich nach wie vor auf den Kölner Weltjugendtag an und sagen: Das war damals großartig. Gerade weil in der Organisation 2005 auch Manches schiefgelaufen ist, sind die gastfreundlichen Reaktionen in den Gemeinden im Gedächtnis geblieben, das Improvisationstalent der Gastgeber.
Wie würden Sie einem Jugendlichen heute die Botschaft des Kölner Weltjugendtags in einem Satz erklären?
“Du bist nicht allein, und du bist zu Großem berufen.”
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