Das Kardinalskollegium muss afrikanischer werden
Papst Franziskus ernannte bereits viele afrikanische Kardinäle, doch die demographische Wirklichkeit der Weltkirche spiegelt die Versammlung der Kardinäle noch lange nicht wider
Quelle
Ecclesia in Africa (14. September 1995) | Johannes Paul II.
Kardinal R. Sarah (111)
04.05.2025
In wenigen Tagen ist es so weit: dann werden die Türen der sixtinischen Kapelle geschlossen, hinter denen die Kardinäle in Abgeschiedenheit das neue Oberhaupt der katholischen Kirche wählen. Als die vergangenen Tage die wahlberechtigten Kardinäle aus aller Welt nach Rom strömten, fiel dabei eines ins Auge: Es gibt gerade einmal eine Handvoll afrikanischer Kardinäle.
Dabei gewinnt der Kontinent zunehmend an Bedeutung für die Weltkirche: Afrika verzeichnet den stärksten Zuwachs an Gläubigen weltweit. Zwischen 2022 und 2023 allein wuchs die Zahl der Katholiken in Afrika um 3,3 Prozent, wie aus dem Statistischen Jahrbuch des Vatikans hervorgeht. Damit machen Afrikaner nun 20 Prozent der Katholiken weltweit aus.
Auch bei den priesterlichen Berufungen steht der Kontinent an der Spitze: in einem Jahr nahm die Zahl der geweihten Priester um 2,7 Prozent zu, während sie in Europa um 1,6 Prozent sank. Dieser Trend wird sich in Zukunft noch verschärfen: viele der geweihten Priester in Europa sind bereits in fortgeschrittenem Alter, die Priester in Afrika dagegen sind jung.
Fünfmal war Papst Franziskus in Afrika
Das zeigt: die Kirche wird in Zukunft deutlich afrikanischer werden, Afrika wird entscheidend für die Zukunft der Kirche sein. Nicht umsonst bezeichnete Papst Franziskus Afrika als den “Kontinent der Hoffnung”. Doch bislang spiegelt sich die wachsende Bedeutung des Kontinents für die Kirche nicht im Kardinalskollegium wider. Zwar berief Papst Franziskus 17 der 29 afrikanischen Kardinäle – so viel wie keiner seiner Vorgänger – und widmete dem Kontinent während seines Pontifikats immer wieder viel Aufmerksamkeit: Er reiste insgesamt fünfmal nach Afrika und lenkte den Blick der Weltöffentlichkeit immer wieder auf den Kontinent. Er ermutigte Jugendliche im vom Bürgerkrieg zerrütten Südsudan, sich für den Frieden einzusetzen, prangerte die Rohstoffausbeutung der demokratischen Republik Kongo an, sprach den Menschen in kenianischen Slums Mut zu. Mit den Worten “möge Afrika sein eigenes Schicksal in die Hand nehmen! Möge die Welt die katastrophalen Dinge anerkennen, die im Laufe der Jahrhunderte zum Nachteil der einheimischen Völker geschehen sind, und dieses Land und diesen Kontinent nicht vergessen” hat Papst Franziskus einen Nerv getroffen. Deswegen wird dem verstorbenen Papst auf dem Kontinent nicht nur von Kardinälen und Bischöfen, sondern auch von Staatsoberhäuptern großer Respekt gezollt.
Der aus dem von islamistischer Gewalt geplagten Burkina Faso stammende Kardinal Philippe Ouedragao bezeichnete Franziskus als einen “Vater für die Kirche in Afrika”. Doch all die Sympathien, die für Franziskus auf dem Kontinent gehegt werden, täuschen nicht darüber hinweg, dass die Repräsentation Afrikas nicht sein Gewicht widerspiegelt: Afrikanische Kardinäle machen nur etwa 11 Prozent der weltweit lebenden Purpurträger aus, unter den zur Papstwahl berechtigten sind es sogar nur 7 Prozent. Hier anzusetzen und die Entscheidungspositionen der weltkirchlichen Realität anzupassen, wird Aufgabe des nächsten Papstes sein.
Afrikanische Traditionen noch zu wenig in die Liturgie eingebunden
Natürlich steckt die Kirche in Afrika in zweierlei Hinsicht noch gewissermaßen in Kinderschuhen: zum einen ringt der Kontinent damit, inwiefern der katholische Glaube in die eigene Kultur integriert werden kann. Oft wird der katholische Glaube noch mit dem Kolonialismus in Verbindung gebracht, mit etwas, das “von Außen” übergestülpt wurde und das mit der eigenen Kultur und Tradition nicht in Einklang gebracht werden kann. Kardinal Antoine Kambanda aus Ruanda warnte diesbezüglich im Gespräch mit dieser Zeitung, dass “die Gefahr (besteht), den christlichen Glauben wie ein Kleid zu betrachten, das man nur zu bestimmten Anlässen anzieht – und wenn es in anderen Situationen nicht passt, zieht man es aus und zieht stattdessen wieder das afrikanische Kleid an.” Zwar forderte bereits Papst Johannes Paul II. in seinem Schreiben “Ecclesia in Africa” eine stärkere Einbindung afrikanischer Traditionen in die Liturgie, doch die Umsetzung ist vielerorts noch ungelöst. Man könnte also argumentieren, dass die Kirche in Afrika erst einmal tief verwurzelt werden muss, bevor sie weltkirchlich einen Großteil der Verantwortung übernimmt.
Der zweite Punkt, der die Kirche in Afrika zu einer noch reifenden macht, ist dass sie jung ist – in zweierlei Hinsicht: es gibt viele junge Gläubige, Priesteramtskandidaten und junge Geistliche. Aber die Kirche in Afrika ist auch insofern jung, als sich erst jetzt der Klerus allmählich vollständig aus lokalem Personal zusammensetzt. Dass sich die Priester und Ordensleute in Afrika bis in die 1960er überwiegend aus weißen europäischen Missionaren zusammensetzte, ist verständlich: die Menschen vor Ort müssen erst die theologischen Grundlagen verstehen und im Glauben reifen, bevor sie pastorale Verantwortung selbst übernehmen können. Dadurch ist der Pool an Priestern, die für eine Kardinalsernennung in Frage kommen, erst einmal geringer als in den Regionen, in denen die Kirche seit Jahrhunderten verankert ist.
Doch langfristig wird sich das europäische Übergewicht im Kardinalskollegium nicht rechtfertigen lassen. Sonst könnte sich unter den afrikanischen Gläubigen das Gefühl einstellen, das politisch bereits dominiert: dass man zwar an Bedeutung gewinnt, daraus aber keine wachsende Mitsprache resultiert. Das könnte der jungen, wachsenden Kirche in Afrika einen Dämpfer versetzen – und damit der Kirche insgesamt.
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