Christliche Urnation Armenien

Armenien erklärte einst als erstes Land überhaupt das Christentum zur Staatsreligion. Den Besucher erwartet ein faszinierendes Land mit einer uralten christlichen Kultur

Quelle
Kloster Geghard – Wikipedia
Kloster Chor Wirap – Wikipedia
Kathedrale von Etschmiadsin – Wikipedia
Sewansee – Wikipedia
Passau: Bayerns mediterranes Juwel | Die Tagespost
Armenien

28.01.2025

Malte Heidemann

Eine Reise durch Armenien, ein Land etwa von der Größe Brandenburgs, wird meist in der Hauptstadt Jerewan ihren Ausgang nehmen. Jerewan ist eine eigenartige Mischung aus bezaubernden Ecken mit behaglichen Restaurants und Cafés, Hinterlassenschaften sowjetischer Architektur und einem hypermodernen Antlitz mit Fassaden aus Glas und Beton, die – ähnlich wie in Baku und weniger aufdringlich auch in Tiflis – Fortschrittlichkeit signalisieren sollen. Die Anzeichen der Armut, die verschämt aus manchem Hinterhof bereits unweit des Zentrums hervorlugen, werden damit allerdings nicht überdeckt. Kulturaffine Besucher finden ein Angebot vor, das zur Beschäftigung mit dem reichen armenischen historischen Erbe einlädt.

An erster Stelle steht das Matenadaran, das Museum für Handschriften und alte Drucke, gleichzeitig Archiv für altes Schriftgut, das unter anderem üppig bebilderte Bibelhandschriften aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit präsentiert. Beim Aufgang zum Gebäude thront die Steinskulptur des christlichen Mönchs Mesrop Maschtoz, der zu Beginn des 5. Jahrhunderts die armenische Schrift entwickelt hat. Er weist auf eine Tafel hinter ihm, in die das armenische Alphabet gemeißelt ist, vor ihm kniet sein Schüler und Biograf Koriun. Zu beiden Seiten des Eingangs ragen überlebensgroße Statuen von mittelalterlichen Gelehrten des Landes auf. In der Ausstellung bieten sich den Besuchern gleich in den ersten Vitrinen prächtige Evangelienhandschriften dar, darunter zwei Exemplare aus dem späten 10. Jahrhundert, eines davon mit einem kunstvoll geschnitzten Buchdeckel aus Elfenbein. Weitere Exponate betreffen etwa die Heilkunst, die Schauspielkunst oder die Musik, ferner finden sich Handschriften aus benachbarten Kulturräumen und Karten.

Zu den Höhepunkten der Jerewaner Museumslandschaft gehört auch das Historische Museum Armeniens, das die Geschichte des Landes von der Steinzeit bis in die Moderne mit einem Schwerpunkt auf der Frühzeit anhand teilweise sehr hochwertiger Ausstellungsstücke anregend und gut strukturiert präsentiert. Mittlerweile erleichtern englische Erläuterungen westlichen Besuchern die Besichtigung.

In Jerewan in eine Marschrutka steigen

Jerewan ist auch deshalb ein geeigneter Ausgangspunkt für die Erkundung des Landes, weil bedeutsame Zeugnisse armenischer Kultur und Geschichte wie ein Kranz um die Hauptstadt herum liegen und in Tagesfahrten bequem zu erreichen sind. Dafür kann man entweder organisierte Touren in englischer Sprache buchen, einen Taxifahrer für eine individuelle Fahrt ansprechen oder eine der zahlreichen Marschrutkas nehmen, Sammeltaxis, die meist dann losfahren, wenn sie voll belegt sind. Sie gibt es in allen Nachfolgestaaten der Sowjetunion und sie sind auch in Armenien eine günstige, zuverlässige und bisweilen kommunikative Weise, in alle Landesteile zu gelangen.

Ein Ort von herausragender Bedeutung und zugleich eines der ältesten Denkmäler der christlichen Zeit ist das Felsenkloster Geghard, das zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Gegründet wurde es wahrscheinlich bereits im frühen 4. Jahrhundert in der Schlucht des Flusses Azat, zu einer Zeit also, als das Christentum Staatsreligion im Königreich Armenien wurde – bereits Jahrzehnte bevor auch Rom diesen Schritt ging. Die Gebäude, die heute Menschen aus aller Welt faszinieren, stammen allerdings frühestens aus dem 13. Jahrhundert und befinden sich teilweise im Felsen. An der Südseite der zentralen Muttergotteskirche, die den gesamten Komplex optisch dominiert, fällt ein Portal auf, das bei mehrfacher Einfassung reichhaltig von geradezu lebensecht wirkenden Granatäpfeln und Weintrauben überwölbt ist und zudem plastische Tiermotive zeigt. Der eher kleine Innenraum des eigentlichen Gotteshauses, dem eine deutlich größere Vorhalle vorgelagert ist, vermittelt eine Ahnung davon, wie Mönche hier viele Jahrhunderte lang in weitgehender Einsamkeit Gott gedient haben. Zwei weitere Kirchenräume liegen vollständig im Felsen und werden von Öffnungen oben spärlich mit Licht versorgt. Insbesondere die zahlreichen Chatschkhare, in die Mauer gehauene Kreuzsteine, die sich auf dem gesamten Klostergelände finden, sowie andere Reliefarbeiten tragen zu besonderen Aura dieser Felsenkirchen bei und machen sie zu außergewöhnlichen Orten der Begegnung mit der armenischen christlichen Kultur des Mittelalters..

In eine völlig andere Welt katapultiert seine Besucher das Ensemble rund um den römischen Sonnentempel von Garni aus dem 1. nachchristlichen Jahrhundert, nur wenige Kilometer von Geghard entfernt. Die Walnussbäume, die den Weg zum Tempel säumen, verleihen dem Gelände einen leichten, fast heiteren Charakter. Der Tempel selbst mit seiner umlaufenden Säulenhalle thront auf einem Podium und bietet mit der Bergwelt im Hintergrund ein imposantes Bild. Unmittelbar daneben entstand vermutlich ebenfalls im 4. Jahrhundert eine christliche Basilika, von der nur noch die Fundamente erhalten sind. Ein Badehaus gehört zu den weiteren Attraktionen des Geländes. Dort lässt sich die Funktionsweise der Heizungsanlage anhand von deren Relikten vergleichsweise gut nachvollziehen, zudem hat man Mosaiken mit Gestalten aus der antiken Mythologie freigelegt.

Eines der berühmtesten Fotomotive Armeniens zeigt einen starken Kontrast: Das Kloster Chor Wirap, etwa 60 Kilometer südlich von Garni, liegt auf einer Anhöhe und es scheint, als ob es schutzbedürftig in der imaginären Hand des dahinter gelegenen Berges Ararat wie von einem großen, mächtigen Bruder behütet würde. Allein, das Araratmassiv befindet sich auf türkischem Territorium und die Grenze zwischen beiden Ländern ist geschlossen.

Wo Noahs Arche auf Grund gelaufen sein soll

Um die Region zu besichtigen, in der die Arche Noah nach biblischer Überlieferung auf Grund gelaufen ist, müsste man von hier einen sehr weiten Umweg über Georgien nehmen. In Chor Wirap, so besagt es die Legende, schmachtete der bedeutende Missionar Gregor der Erleuchter zu Beginn des 4. Jahrhunderts viele Jahre im Kerker, ehe der armenische König ihn freiließ, um sich von Gregor von einer schweren Krankheit heilen zu lassen. Als dies gelungen war, ließ sich der König zum Christentum bekehren – und erhob es um das Jahr 301 kurzerhand zur Staatsreligion in seinem Reich. Das Erdloch, in dem Gregor gesessen haben soll, ist bis heute zu besichtigen. Das Kloster selbst wirkt weniger spektakulär als andere Klöster des Landes, es lebt sehr von der Erhabenheit der schneebedeckten Gipfel des Großen und des Kleinen Ararat, die den Armeniern als Symbol ihres Landes gelten – und der Lage an einer Nahtstelle, die an ein nicht verheiltes nationales Trauma erinnert, den Genozid durch die Türken im Jahre 1915.

Wenige Kilometer westlich der Stadtgrenzen von Jerewan liegt ein weiterer bemerkenswerter Ort: Etschmiadsin, das seit den frühen 1990er-Jahren auch wieder seinen alten Namen Wagharschapat trägt. Hier befindet sich das Zentrum der Armenischen Apostolischen Kirche mit dem Sitz ihres Oberhauptes, des Katholikos, hier werden Priester zum Dienst für Gott, Mensch und Kirche ausgebildet. Außer den Besuchergruppen gehören über das weitläufige Gelände flanierende Theologen ebenso zum Bild wie Handwerker, die sich an verschiedenen Ecken und Enden zu schaffen machen. Die Kathedrale von Etschmiadsin, wie Geghard UNESCO-Weltkulturerbestätte, ist eine der ältesten und ihrem Ruf nach schönsten des ganzen Landes und geht auf den bereits erwähnten Gregor den Erleuchter zurück, den ersten Katholikos überhaupt. Seit einer ganzen Reihe von Jahren wird die Kathedrale allerdings grundlegend restauriert und ist, wie auch das Museum, für Besucher nicht zugänglich. Man darf auf das Ergebnis der langwierigen Arbeiten gespannt sein.

Über den Sewansee, der ebenfalls nur ungefähr eine Autostunde nordöstlich der Hauptstadt gelegen ist, soll der Schriftsteller Maxim Gorki einst gesagt haben, er sei wie ein Stück Himmel, das zwischen die Berge gefallen sei. In der Tat ist das im Volksmund so bezeichnete “armenische Meer” eine bezaubernde Region des Landes, die dazu einlädt, sich Badefreuden hinzugeben, aber auch Zeugnissen der Vergangenheit nachzuspüren. Dafür bietet sich etwa das Sewankloster mit drei Kirchen aus dem 9. Jahrhundert auf einer kleinen Halbinsel an, von deren höchstem Punkt aus man einen herrlichen Rundblick über den nördlichen Teil des Sees genießt.

Der kulturelle Reichtum Armeniens ist immens, die hier beschriebenen Orte bieten nur eine kleine Auswahl an herausragenden Kulturstätten. Landschaftliche Schönheit und eine schmackhafte Küche sind weitere Gründe, dieses kleine südkaukasische Land zu besuchen, das abseits der westeuropäischen Touristenströme liegt.

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