Eucharistie und Sozialstaat
Will Gott den Staat als Vorbereitung seiner Ewigkeit? Einige Gedanken zur Haltung des gläubigen Staatsbürgers zwischen Krippe und Moraltheologiekonferenz von Peter Schallenberg
München – Pfarrkirche St. Peter
München, St.Peter: Reihenläuten mit Glocke 3,2 und Festgeläut (mit alter Kamera)
15.01.2025
Peter Schallenberg
Tatsächlich ist das kein Druckfehler und auch kein verfrühter Karnevalsgag, sondern sehr ernst gemeint, jedenfalls bei manchen Theologen und Sozialethikern in den USA: Der Sozialstaat und die ihn tragende Demokratie leben von den privaten Tugenden der Bürger und deren privaten Überzeugungen. Und dazu gehört für den Katholiken wohl ganz ohne Zweifel die Eucharistie. Wie geht das zusammen?
Ich war beim Innsbrucker Kreis, einer jährlichen Konferenz von Moraltheologen. Für das nächste Jahr wurde “Tugend und Demokratie” als Thema festgelegt. Es wurde rasch klar, wie viele wertvolle Ansätze es dazu im amerikanischen Raum gibt, die wir in Europa noch kaum wahrnehmen. Im Hintergrund steht ja nicht nur die Frage nach den privaten Werten der Bürger. Dahinter steht auch die seit Augustinus bedrängende Frage: Ist der Staat nur irgendeine geschickt funktionierende Räuberbande oder hat er objektive Pflichten gegenüber Gott? Will Gott den Staat als Vorbereitung seiner Ewigkeit? Und was erwartet Gott vom guten Staat?
Die notwendige Fassung dessen, was wir Staat nennen
Zwei Tage später war ich dann in der herrlichen Dreikönigsvesper im Alten Peter in München. Jeder, der schon einmal da war, kennt das eindrückliche Ereignis, wenn die Monstranz mit dem Allerheiligsten von oben herab langsam, durch einen barocken Mechanismus ruckelnd bewegt, nach vorn unten zur Anbetung und zur eucharistischen Prozession herabkommt. In der Weihnachtszeit ist das besonders eindrücklich: Der Sohn kommt herab aus der Herrlichkeit der Liebe des Vaters, um uns in diese Herrlichkeit für Zeit und Ewigkeit hineinzunehmen. Während der Prozession in der Kirche ordnete ich mir das etwas, und zwar so: Was tun wir denn, wenn wir anbeten und den Herrn in Brotsgestalt verehren? Wir danken, wir treten in Dienst, wir sind bereit zum Gericht.
Nochmals genauer und mit Blick auf den Staat und die Gesellschaft, die wir als anbetende Christen gestalten wollen nach Gottes Sinn: Wir danken Gott für unser Dasein; im Blick zurück und auf unseren Anfang, der uns verpflichtet. Wir verpflichten uns zur Mitarbeit an Gottes Schöpfung und Gesellschaft; im Blick auf die Gegenwart und unseren Dienst am Menschen. Und wir erklären uns bereit, uns dereinst dem gnädigen Gericht Gottes in Verantwortung zu unterwerfen; im Blick nach vorn und auf seine aus der Ewigkeit kommende Erwartung an uns und unsere Talente und Tugenden. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bündeln wir vor dem Blick Gottes, der uns keinen Zeitvertreib, wohl aber das tatkräftige Vertreiben des Bösen erlaubt. Zum Schluss sangen wir mit Inbrunst “Ich steh an deiner Krippe hier”, mit der wunderbaren Zeile “Ach, daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, daß ich Dich möchte fassen!” Tatsächlich hängt das germanische Wort Seele ja mit See zusammen: Es braucht ein ganzes Leben in Fülle und Tiefe, um zu erfassen und zu ermessen, was es in den Augen Gottes bedeutet, dass ich da bin. Und ihm helfen darf, dass jeder Mensch dies dankbar und dienstbereit und verantwortungsvoll erkennt. Fast macht uns das fassungslos, aber es ist schlicht die notwendige Fassung dessen, was wir Staat nennen.
Katholischen Journalismus stärken
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Stärken Sie katholischen Journalismus!
Unterstützen Sie die Tagespost Stiftung mit Ihrer Spende.
Spenden Sie direkt. Einfach den Spendenbutton anklicken und Ihre Spendenoption auswählen:
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.
Themen & Autoren
Peter Schallenberg
Eucharistie
Gott
Moraltheologen
Peter Schallenberg
Sozialleistungen
Schreibe einen Kommentar