Brauchen wir den Staat wirklich?
Auf diese Frage bietet die christliche Geistesgeschichte mehrere erhellende Antworten – ganz ohne Staat scheint es jedenfalls nicht zu gehen
Quelle
Peter Schallenberg
Der kapitalistische Samariter | Die Tagespost – Der Mensch muss frei entscheiden
Peter Schallenberg
C.S. Lewis
31.12.2024
Peter Schallenberg
Eine Woche noch bin ich zum Forschen in Oxford, in Bibliotheken, Kirchen – und Pubs! Vergangene Woche besuchten mich zwei Freunde aus Deutschland. Im Pub diskutierten wir über die Krise der liberalen Demokratie im Westen und über die ausufernde Staatsquote und die ideologische Bevormundung der Menschen durch einen immer stärkeren Staatsdirigismus, nicht nur im Bereich von Klima- und Migrationspolitik. Einer der Freunde fragte nach dem zweiten Guiness: “Was kann der Mensch überhaupt vom Staat erwarten?” Oder noch zugespitzter nach dem dritten Pint: “Wozu brauchen wir eigentlich den Staat?”
Darauf gibt es drei sehr gute und einfache Antworten mit drei in Oxforder Bibliotheken reichlich vertretenen Denkern. Aristoteles notiert in seinem Buch “Politeia”: Der Mensch unterscheidet sich vom Tier durch seine Fähigkeit, Gut und Böse, Richtig und Falsch zu unterscheiden. Und seine Zusammenarbeit mit anderen Menschen zur immer besseren Kenntnis dieser Unterscheidung machen Haushalt und Staat notwendig! Also darf der Mensch vom Staat erwarten, gefördert zu werden in seiner Kenntnis von Gut und Böse, von Liebe und Hass. Oder, wie Thomas von Aquin das im Mittelalter von Aristoteles aufgreift: Der Staat soll das natürliche Verlangen des Menschen nach Freundschaft mit anderen Menschen fördern und fordern. Oder in etwas aufgerauter Sprache der katholischen Soziallehre: Raus aus der selbstgenügsamen Kuschelecke, rein in die solidarische Sozialversicherung!
Der Staat und das Ehepaar in warmer Wohnung
Hinzu kommt zweitens Augustinus, der den Staat stärker in der Nachgeschichte von Kain und Abel sieht, als Folge der Erbsünde also, als Verhinderung von Brudermord und Übervorteilung und Korruption, aber auch dadurch am Ende als Vorbereitung von Freundschaft und Liebe durch Gesetz und Gerechtigkeit. Ohne den Staat gäbe es nur den Dschungelkampf verschiedener konkurrierender Räuberbanden und einen Kampf aller gegen alle mit dem Gesetz des Stärkeren. Der Staat steht daher nicht zuletzt für den solidarischen Schutz der Schwächeren (und nimmt dabei das Trittbrettfahrerverhalten der tendenziell tiefenentspannten Zeitgenossen in diversen Hängematten des Bürgergeldes zähneknirschend hin).
Und schließlich ist C.S. Lewis in Oxford, wo er lehrte und lebte, immer ein guter Ratgeber; er notiert in einem Aufsatz: Der Staat existiert zur Förderung und Bewahrung des geordneten Glücks von Menschen. Ein Ehepaar in warmer Wohnung, ein Mann im eigenen Garten arbeitend, eine Gruppe von Freunden im Pub beim Kartenspiel – das soll der Staat ermöglichen. Und wenn er dazu nicht hilft, sind alle Parlamente und Tätigkeiten des Staates pure Zeitverschwendung! Das ist meisterhaft auf den Punkt gebracht.
Wir wanderten entschlossen zum Even Song in die nächste Kirche, von denen es in Oxford fast so viele gibt wie Bibliotheken und Pubs… Denn so viel steht fest: Wer nicht regelmäßig Gott bittet, er möge es uns als attraktiv erscheinen lassen, mit all den verrückten Zeitgenossen, die Gott seine Kinder nennt und wir als unsere Störenfriede kennen, befreundet sein zu wollen, der wird bald am Staat verzweifeln und ihn aufgeben! Und sich bloß still dem Suff ergeben. Bloß nicht!
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