“Die Abtreibungspille passt zum Narrativ der autonom handelnden Frau”

Der “Safe Abortion Day” ist ein Etikettenschwindel, sagt die Lebensrechtlerin Cornelia Kaminski. Ein Gespräch über “sichere” Abtreibungen und den zunehmenden Einsatz der Abtreibungspille

Quelle
Abtreibungskliniken: Briten dürfen nicht beten | Die Tagespost (die-tagespost.de)

27.09.2024

Stefan Rehder

Frau Kaminski, am 28. September begehen Abtreibungsbefürworter den Internationalen “Safe Abortion Day”. Um was geht es da?

Der “Safe Abortion Day” ist ein Etikettenschwindel. Weltweit gibt es unter diesem Motto Aktionen, die gar nicht darauf abzielen, Abtreibungen sicherer zu machen, sondern sie vollständig zu legalisieren. Hintergrund ist die falsche Behauptung, ohne liberale Abtreibungsgesetze würden unzählige Frauen an Abtreibungen sterben, die nicht den medizinischen Standards entsprechen. Tatsächlich sterben diese Frauen aber, weil auftretende Komplikationen nicht angemessen medizinisch behandelt werden, was durchaus möglich wäre.

Der Tag müsste also eigentlich “Legalize Abortion Day” heißen. Nur passt das nicht zu dem erklärten Ziel der Weltgesundheitsorganisation, Abtreibungen als Gesundheitsdienstleistungen zu deklarieren und vor allem in Ländern Afrikas, in denen sie noch nicht erlaubt sind, als Teil eines Pakets zur Senkung der Müttersterblichkeit zu etablieren. Dieses Framing gehört zur Strategie des Weltbevölkerungsprogramms der WHO, wie Dr. Bela Ganatra von der WHO vergangenen Freitag beim Internationalen Abtreibungskongress FIAPAC in Brüssel erklärte.

In den USA werden mehr als die Hälfte aller vorgeburtlichen Kindstötungen mittels der Abtreibungspille durchgeführt. Auch in Deutschland nimmt die Zahl der chemischen Abtreibungen zu. Laut den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts beträgt ihr Anteil mittlerweile 40 Prozent. Aus der Perspektive des ungeborenen Kindes scheint entscheidend zu sein, ob es am Weiterleben gehindert wird, nicht wodurch. Trotzdem warnen Lebensrechtler besonders vor der Abtreibungspille. Warum?

Damit wird die Abtreibung privatisiert und vollständig in die Hände der Frauen gelegt werden. Frauen sollen in der Apotheke eine Kombipackung aus Schwangerschaftstest und Abtreibungspillen kaufen und die Abtreibung selbst durchführen. Dr. Christian Fiala nannte das auf dem FIAPACK Kongress in Brüssel “self-managed abortion” bzw. “over the counter abortion (OTC)”, also Abtreibung über die Ladentheke. Das Verfahren ist für manche Frauen traumatisierend, weil sie über Stunden in ihrem Körper den langsamen Tod ihres ungeborenen Kindes erleben, den sie selbst herbeigeführt haben. Eine chemische Abtreibung ist kein Spaziergang. Laut Beipackzettel treten sehr häufig Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen auf, häufig kommt es zu Infektionen und starken Blutungen, gelegentlich auch zu Allergien, Blutdruckabfall und dem Riss der Gebärmutter. Insgesamt ist das deutlich risikoreicher als die operative Abtreibung.

Wie umfangreich sind die Studien, die solche Komplikationen belegen?

Vor allem aus Finnland liegen sehr umfangreiche Daten vor. Die finnischen epidemiologischen Studien sind von besonderer Qualität, da durch ein einheitliches Gesundheitssystem und eine akribische medizinische Aufzeichnung sichergestellt wird, dass alle Schwangerschaften und alle medizinischen Ereignisse genau erfasst werden. Eine Studie mit mehr als 42.000 Frauen, bei denen eine Abtreibung in der siebten Schwangerschaftswoche vorgenommen wurde, dokumentierte, dass bei einer von fünf Frauen nach chemischer Abtreibung Komplikationen auftraten. Die Komplikationsrate war viermal höher als bei operativen.

Im US-Bundesstaat Georgia soll unlängst eine Schwangere aufgrund des dort geltenden Abtreibungsverbots gestorben sein. Was wissen Sie darüber?

In Georgia gilt ein Abtreibungsverbot ab der sechsten Woche – sobald ein kindlicher Herzschlag zu vernehmen ist. Diese Schwangere hat daher Zwillinge in North Carolina operativ abtreiben lassen wollen, kam dafür aber zu spät und hat stattdessen die Präparate für eine chemische Abtreibung erhalten, die sie dann allein zu Hause durchgeführt hat. Reste der gestorbenen Kinder verblieben im Uterus, was zu einer Sepsis führte. Als sie ins Krankenhaus kam, ging es ihr schon sehr schlecht – warum die Ärzte nicht gleich operiert haben, bleibt ihr Geheimnis. Das wäre medizinisch notwendig und gesetzeskonform gewesen, denn eine Abtreibung konnten sie ja gar nicht mehr durchführen. Das hätte vorausgesetzt, dass die Kinder noch leben. Der Tod der Mutter wäre vermeidbar gewesen und geht zu Lasten der Ärzte in North Carolina, die möglicherweise nicht ausreichend über das Komplikationsmanagement aufgeklärt haben, sowie der Ärzte in Georgia, die nicht operiert haben. So sind drei Menschen an einer chemischen Abtreibung gestorben. Der Tod der Mutter wird nun im US-Wahlkampf von Kamala Harris instrumentalisiert.

Aus Polen wurde Ähnliches berichtet.

Dort starb eine Frau an einem septischen Schock. Ihr Kind hatte eine Fehlbildung, eine Abtreibung war nach polnischem Gesetz, das auch ungeborene behinderte Kinder schützt, verboten. Allerdings wäre es den Ärzten durchaus erlaubt und auch angezeigt gewesen, eine Abtreibung durchzuführen, um das Leben der Mutter zu retten, vor allem, als das Kind im Mutterleib gestorben war. Das haben sie jedoch nicht getan. Obwohl die Familie der jungen Frau der Darstellung in den Medien widersprochen hatte und obwohl Mediziner und Juristen in einem offenen Brief an das europäische Parlament den Sachverhalt richtig dargestellt haben, kam es zu einer Resolution gegen Polen.

In Irland hat der Tod einer schwangeren Inderin die Legalisierung der Abtreibung ins Rollen gebracht.

Savita Halapannavar war bereits in der 17. Schwangerschaftswoche, als sie mit Beschwerden in die Klinik kam. Die Ärzte diagnostizierten eine bevorstehende Fehlgeburt und entschieden, unter ärztlicher Beobachtung die Natur ihren Lauf nehmen zu lassen. Die beginnende schwere Infektion wurde dann jedoch zu spät erkannt, weil es dafür zunächst keine körperlichen Hinweise gab und die Blutwerte, die den entscheidenden Hinweis hätten liefern können, nicht in die Krankenakte eingetragen worden waren. Auch hier gilt: Das Leben der Mutter hätte in jedem Fall durch Eingreifen der Ärzte gerettet werden können und müssen, z.B. durch eine rechtzeitige Antibiotikagabe und Operation. Von dem gravierenden ärztlichen Versagen war jedoch nie die Rede. Stattdessen hieß es, die lebensschützende irische Verfassung hätte es ihnen unmöglich gemacht, Savita zu retten. Die Medienkampagne hat Irland das weltweit liberalste Abtreibungsgesetz beschert. Dazu gehört auch die chemische Abtreibung per Telemedizin, bei der kein direkter Arzt-Patientenkontakt mehr stattfinden muss. Nach online-Konsultation werden die Tabletten per Post zugestellt, was zusätzliche Risiken wie zum Beispiel Missbrauch birgt.

Wenn die Einnahme der Abtreibungspille auch für die Schwangere so gefährlich ist, wie Sie das hier darlegen, warum nimmt ihre Zahl dann derart zu?

Dazu kann ich nur mutmaßen, es spielen wohl mehrere Faktoren zusammen. Der große Unsicherheitsfaktor bei Abtreibungen sind Ärzte, die sich aus Gewissensgründen weigern, an vorgeburtlichen Kindstötungen mitzuwirken. Die Abtreibungspille ermöglicht es, Ärzte ganz aus dem Verfahren auszuschließen. Die Methode wird als einfach, sanft und sicher verkauft. Der Hersteller Exelgyn finanziert die Studien, die die positiven Ergebnisse über die Tablette liefern, sponsort den Kongress, auf dem die Studien vorgestellt werden und hält eine eigene Webseite (abortinfo.com) zur Information über die Abtreibung mit Mifepriston bereit. Die Abtreibungspille passt gut zum Narrativ der autonom handelnden Frau, die selbst über ihren Körper bestimmt, selbst entscheidet und dann eben auch selbst abtreibt.

Lebensrechtsorganisation, darunter auch die ALfA, bewerben seit einiger Zeit eine Methode, die die Wirkung der Abtreibungspille unter bestimmten Voraussetzungen aufheben können soll. Was hat es damit auf sich?

Die chemische Abtreibung erfolgt in zwei Schritten. Der erste enthält Mifepriston, ein Antigestagen. Es hebt die Wirkung des Schwangerschaftshormons Progesteron auf, das für die Erhaltung der Schwangerschaft zuständig ist. Die Idee hinter der Umkehr der Abtreibung mittels Mifepriston ist: Wenn im Körper der Frau der Progesteronspiegel erhöht wird, kann dies die Wirkung von Mifepriston unter Umständen soweit reduzieren, dass die Schwangerschaft erhalten bleibt. Auf diese Weise sind schon viele Kinder gerettet worden.

Und das ist nicht gefährlich für Schwangere?

Progesteron ist ein körpereigenes, natürliches Hormon, das dem Erhalt der Schwangerschaft dient. Es kommt seit Jahren in hochdosierter Form zum Beispiel in der Kinderwunschbehandlung zum Einsatz. Von einer gesundheitlichen Gefährdung kann daher nicht ausgegangen werden.

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