“Wir sind die Zeiten! Ändern wir uns!”
Sozialethik – Christliche Politik ist konservativ, liberal und progressiv zugleich – aber weder rechts, noch links, schreibt Peter Schallenberg
Quelle
Wähler nicht pathologisieren
Peter Schallenberg
20.08.2024
Peter Schallenberg
Ich war zu vier Vorträgen in Sachsen unterwegs. Mein Lehrstuhl war gebeten worden, die Wahlprogramme der sechs aussichtsreichsten Parteien zur Landtagswahl aus Sicht christlicher Sozialethik zu untersuchen. Mein Thema lautete immer: Wie christlich ist die sächsische Politik? Das ist nun sicher nicht unmittelbar eine Frage, die den Heiland interessiert … Aber den Heiland interessiert sicher, was er selbst gesagt hat: “Was Ihr dem Geringsten getan hat, das habt Ihr mir getan!”
Das gesamte 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums kann als christliches Wahlprogramm dienen, mit sehr konkreten Hinweisen auf die Zuwendung zu den Menschen mit Leid und Einschränkung. “Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken” ergänzt der Heiland an anderer Stelle: Nicht die Reichen brauchen den Staat sehr notwendig, sondern die Armen und Schwachen, Witwen und Waisen in der Sprache des Alten Testaments. Und genau das ist ja der erste und wichtigste Maßstab einer christlichen Politik, in Sachsen oder in den USA oder in Ruanda: Wie werden Menschen befähigt, trotz ungleicher Lebensbedingungen und trotz Einschränkungen, ja sogar trotz Schuld und Verfehlung (“Ich war im Gefängnis, und ihr habt mich besucht”) wieder neu anzufangen, ihre Talente zu entfalten und sich in Würde in dieser Welt auf die Ewigkeit der Liebe Gottes vorzubereiten?
Konservativ, liberal und progressiv
Liebe wird durch Gerechtigkeit und Recht vorbereitet, so die bahnbrechende Idee des heiligen Augustinus: Es braucht den Staat als Zustand garantierten Rechts und seine Gesetze, um Menschen zur Liebe frei zu lassen und Fortschritte zu machen auf dem Weg zum Himmel. Daher ist christliche Politik immer konservativ, liberal und progressiv zugleich, aber weder rechts noch links: Der gute, von Gott geschaffene Kern jeder Person soll erhalten und gefördert werden zur Freiheit der Kinder Gottes und der Entfaltung der Talente, und so die Welt und die Staaten vorzubereiten auf die Wiederkunft Christi. Es kommt nicht als Christ darauf an, in einer bösen Welt zu überwintern und möglichst unbeschadet in der Ewigkeit anzukommen, sondern die oft schlechte Welt der Gottvergessenheit und der Menschenverachtung umzuwandeln und schrittweise zu verbessern.
Das geschieht im Rahmen von Staaten als Räumen gesetzlicher Ordnung. Dabei sind drei Dinge sehr wichtig für eine christliche Politik: Erstens sind Bildung und Gesundheit die zentralen Pfeiler des Sozialstaates, weil sie zur Freiheit befähigen. Zweitens steht Nächstenliebe vor Fernstenliebe, Ehe und Familie vor Staatsvolk, Heimat und nationaler Staat vor Weltstaat, ohne dass der Blick für internationale Gerechtigkeit verloren gehen darf. Drittens steht der innere Mensch vor den äußeren Institutionen, denn wie Christus sagt, kommt das Böse nicht von außen in das Herz, sondern kommt aus dem Herzen des Menschen und breitet sich außen aus.
Und in jedem meiner Vorträge erwähnte ich den wunderbaren Satz des hl. Augustinus aus seiner 80. Predigt: “Wir sind die Zeiten! Ändern wir uns, ändern sich die Zeiten!” Wir haben es in der Hand, in Sachsen und überall in dieser von Gott uns anvertrauten Welt!
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