Willkommen in MAGA-Land

Zwei Tage nach dem Attentat lässt sich Donald Trump auf dem Parteitag der Republikaner feiern. Und kürt mit J.D. Vance einen Nachfolger, der zunächst sein Vizepräsident werden soll

Quelle
Mick Mulvaney: “Ich habe keine Probleme mit Donald Trumps Politik”  | Die Tagespost (die-tagespost.de)
Trump hat alle Trümpfe in der Hand | Die Tagespost (die-tagespost.de)
Truth Social – Wikipedia
Franziska Xaviera Cabrini – Wikipedia

17.07.2024

Maximilian Lutz

Am Montagabend, kurz nach 21 Uhr, ist es dann so weit. Donald Trump, auf den sie alle gewartet haben, marschiert zum Nominierungsparteitag der Republikaner in das Fiserv Forum in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin ein. Begleitet wird er vom frenetischen Jubel der 2.400 Delegierten und den schmachtenden Klängen des patriotischen “God bless the USA”, dargeboten vom 81-jährigen Country-Altstar Lee Greenwood. Während er sich seinen Weg durch die blau-rot-weiß geschmückte Halle in Richtung der Ehrenloge bahnt, ist der Verband an seinem rechten Ohr stets gut sichtbar. Er erinnert daran, wie knapp es war, 48 Stunden zuvor.

Hätte Trump bei seiner Walkampfkundgebung in dem Städtchen Butler im Bundesstaat Pennsylvania am Samstag nicht den Kopf gedreht, hätte ihn die Kugel wohl direkt getroffen. Und er wäre wohl nicht mehr am Leben. Das Attentat des 20-jährigen Thomas Matthew Crooks, der aus gut 100 Metern Entfernung gleich mehrere Schüsse abfeuerte und einen Zuschauer tödlich traf, schockiert Amerika noch immer. Trump wurde glücklicherweise nur am Ohr verletzt und sogleich vom Secret Service vom Podium eskortiert.

“Kämpft! Kämpft! Kämpft!” – der neue Slogan der Bewegung

Und so kann er sich von den Delegierten der “Republican National Convention” als Held feiern lassen. “Kämpft! Kämpft! Kämpft!”, skandieren sie den neuen Slogan der Bewegung. Jene Worte, die Trump unmittelbar nach den Schüssen mit den Lippen formte, blutend, die Faust emporgereckt. Er schuf so das Motiv für Bilder von historischer Dimension, die sogleich um die Welt gingen.

Noch bevor Trump am Montagabend auf dem Parteitag eintrifft, haben ihn die Parteivertreter offiziell zum Präsidentschaftskandidaten für die Wahl im November gekürt. Er wird gemeinsam mit dem Senator aus dem Bundesstaat Ohio, J.D. Vance, antreten. Auf einem “Ticket”, wie es im amerikanischen Polit-Sprech heißt. Dass seine Entscheidung für den Vizekandidaten auf Vance gefallen war, kündigte er am Montag bereits vorab in seinem eigenen Sozialen Netzwerk “Truth Social” an. Vance, ein konvertierter Katholik, dessen politische Karriere erst 2021 begann, machte vor acht Jahren mit dem Bestseller “Hillbilly Elegy” von sich reden, der gemeinhin als Erklärwerk für die abgehängte Arbeiterklasse im Rostgürtel und deren Begeisterung für Trump gedeutet wurde. Der frühere Präsident hob das Buch in seiner Erklärung ausdrücklich hervor. Vance werde sich im Wahlkampf “auf die Menschen fokussieren, für die er so brillant gekämpft hat, die amerikanischen Arbeiter und Landwirte in Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Ohio, Minnesota und weit darüber hinaus”.

Mit Vance, so deuten es Beobachter, hat sich Trump auch auf einen Nachfolger für die Bewegung des “Make America Great Again” (MAGA) festgelegt. Denn der 39-Jährige wird Trump keine Wählermilieus erschließen, die dieser nicht ohnehin in der Tasche hätte.

Auch ehemalige Gegner wie Haley und DeSantis stellen sich hinter Trump

Persönlich spricht Trump am Montag noch nicht zu den Delegierten. Seine große Rede ist erst am Donnerstag geplant, dem abschließenden Tag der Parteiversammlung. Stattdessen hört er nur zu, als der Kleinunternehmer Benjamin Joseph aus Michigan am Mikrofon steht, nach ihm das Model Amber Rose. Die Medien würden Lügen über Trump erzählen, sagt sie. Auch sie habe die Lügen geglaubt, etwa dass Trump ein Rassist sei. Aber das stimme nicht. “Donald Trump und seinen Anhängern ist es egal, ob man schwarz, weiß, schwul oder hetero ist.” Trump verfolgt die Auftritte mit mildem Lächeln, wirkt sichtlich gerührt, aber auch erschöpft. Auf “Truth Social” schrieb er nach dem Attentat, es sei “Gott allein” gewesen, der “das Undenkbare verhindert” habe. Die eigene Vergänglichkeit, sie dürfte dem 78-Jährigen sicher noch nie so deutlich vor Augen geführt worden sein.

Corey Comperatore hatte dagegen weniger Glück als Trump. Den 50-jährigen Feuerwehrmann, Familienvater und gläubigen Christen verletzte ein Schuss des Attentäters tödlich, als er sich schützend auf seine Angehörigen warf. Ihn würdigen die Parteitagsdelegierten mit Gebeten und einer Schweigeminute. Ansonsten wechseln sich die Ansprachen mit Predigten und musikalischen Einlagen ab. Auch die Nationalhymne darf natürlich nicht fehlen Es wäre die übliche Partei-Folklore, wenn da nicht das Attentat auf Trump über allem schwebte.

Am Dienstag feiert dann die Parteiprominenz ihren großen Auftritt, die Trump die Kandidatur im Vorwahlkampf noch streitig machen wollte. Nikki Haley, Ron DeSantis, Vivek Ramaswamy – sie alle stellen sich hinter die “MAGA”-Bewegung und beschwören die Einheit der Partei. Auch Haley, die Trump einst vielleicht am schärfsten kritisierte, spricht dem vormaligen Konkurrenten ihr “starke Unterstützung” zu, verschweigt aber nicht, dass es auch Differenzen gibt. “Man muss Trump nicht zu 100 Prozent zustimmen, um ihn zu wählen”, drückt sie es aus.

Position zum Lebensschutz sorgt für Diskussionen

Über Inhalte wird in diesen Tagen nicht mehr gestritten. Bereits gut eine Woche vor Beginn des Parteitags überarbeitete ein eigens eingerichtetes Komitee das offizielle Parteiprogramm, nachdem es zuletzt 2016 aktualisiert worden war. Am Montag nehmen es die Delegierten an. Deutlich trägt es die Handschrift Trumps, schon auf der Titelseite ist in Großbuchstaben “MAKE AMERICA GREAT AGAIN!” zu lesen. Zu den zentralen Forderungen zählt es, die Mauer an der Grenze zu Mexiko zu vollenden, die “größte Abschiebeoperation in der amerikanischen Geschichte” durchzuführen, einen “Dritten Weltkrieg” zu verhindern und Frieden in Europa und in Nahost wiederherzustellen. Zudem verspricht das Programm massive Steuersenkungen für die arbeitende Bevölkerung. Der Praxis, die Regierung als Waffe gegen das amerikanische Volk zu verwenden, müsse ein Ende bereitet werden.

Für Diskussionen sorgte im Vorfeld allerdings die in dem Papier deutlich abgeschwächte Position zum Lebensschutz. Während es zuvor hieß, ungeborene Kinder hätten “ein grundsätzliches Recht auf Leben, das nicht angetastet werden kann”, steht in der neuen Version lediglich, dass man sich “stolz für Familien und das Leben” einsetze.

Auch die Forderung nach einem Verfassungszusatz, der den Schutz ungeborenen Lebens garantiert, fehlt nun im Programm – genauso wie die Forderung nach einem landesweiten gesetzlichen Abtreibungsverbot. Stattdessen wird hinsichtlich des Lebensrechts die Rolle der einzelnen Bundesstaaten betont. Seit 2022 verfügen diese über die Kompetenz, ihre Abtreibungsgesetzgebung selbst zu regeln. Trump, so heißt es, erhofft sich von den Änderungen, auch für moderate und unabhängige Wähler anschlussfähig zu sein und seine Chancen auf einen Wahlsieg zu steigern. Mehrere Vertreter der US-Lebensrechtsbewegung begrüßten das Programm zwar, jedoch gab es auch kritische Stimmen. In Milwaukee melden sich diese aber nicht mehr zu Wort. Die Senatorin Marsha Blackburn aus Tennessee, die federführend an dem Papier mitwirkte, lobt es dafür, “Geborene wie Ungeborene” zu schützen.

Die Zeit der “alten Garde” ist vorbei

Auch J.D. Vance vertritt in Sachen Abtreibung übrigens nicht die strikte Linie der konservativen Parteimitglieder. Weder macht er sich die Forderung nach einem landesweiten Abtreibungsverbot zu eigen, noch will er den Versand der Abtreibungspille Mifepriston per Post verbieten. Da Trump Vance offensichtlich als seinen Nachfolger an der Spitze der Bewegung auserkoren hat, dürfte es noch interessant zu beobachten werden, ob alle Anhänger diese Haltung langfristig mittragen. Denn der Lebensschutz gilt vielen als Anliegen Nummer eins.

Was bleibt von den Tagen von Milwaukee? Nach dem historischen Schreckensereignis des Attentats, das ihn fast das Leben kostete, stellt Trump die Weichen für die Zukunft der Partei, programmatisch wie personell. Die Zeit der “alten Garde” der Bushs, Cheneys und Romneys scheint unwiederbringlich vorbei. Kaum etwas illustriert das anschaulicher als der Umgang der Delegierten mit dem 82-jährigen Partei-Urgestein Mitch McConnell, noch bis Januar 2025 Minderheitsführer der Republikaner im Senat, der nie auf die Trump-Linie einschwenkte. Immer wenn er ans Mikrofon tritt, wird er hemmungslos ausgebuht.

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