Orbáns Moskau-Reise dient nicht dem Frieden

Schwache Reisediplomatie – Neuerlich darf Wladimir Putin hoffen, Europa spalten und schwächen zu können. Davon aber hängt sein Kriegserfolg in der Ukraine ab. Ein Kommentar

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06.07.2024

Stephan Baier

Das Wichtigste ist der Frieden. Wer wollte Viktor Orbán da nicht zustimmen? Das vereinte Europa war von Anfang an eine Friedensidee – und eine Lehre aus dem katastrophalsten Krieg der europäischen Geschichte. Dass angesichts des massenmörderischen Kriegs in der Ukraine nun Ungarns EU-Ratspräsidentschaft mit einer Friedensinitiative startet, scheint da nur logisch.

Doch Orbáns Reisediplomatie, die ihn am Dienstag nach Kiew und am Freitag nach Moskau führte, hat drei entscheidende Schwachstellen: Erstens unterscheidet sie nicht zwischen Aggressor und Opfer, ja sie blendet die Frage der Gerechtigkeit völlig aus. Der 2014 begonnene und 2022 ausgeweitete Krieg Wladimir Putins gegen die Ukraine kann schwerlich damit enden, dass die Ukraine einfach aufhört, sich zu verteidigen. Denn solange Putin auf seinen ideologischen und imperialistischen Zielen beharrt, gibt es zum Widerstand keine Alternative.

Die Ratspräsidentschaft ist keine Diktatur auf Zeit

Zweitens hat Orbán seine Reisediplomatie in der Europäischen Union mit niemandem abgestimmt. Doch die halbjährlich rotierende EU-Ratspräsidentschaft ist keine Diktatur auf Zeit, in der ein einzelner Regierungschef für sechs Monate tun und lassen könnte, was er will. Die EU ist ein ausbalanciertes System, mit Institutionen und Kontrollen – und das ist gut so.

Hätte Orbán tatsächlich etwas erreichen wollen, dann hätte er sich im Vorfeld mit der EU-Kommission, insbesondere mit der Kommissionspräsidentin und dem EU-Außenbeauftragten, abgestimmt. So aber wirkt der Ungar wie ein Usurpator, der das europäische Amt missbraucht, um seine eigene Agenda zu verfolgen, die mit den Partnern in der EU nicht abgestimmt ist.

Putin will den Krieg gewinnen, nicht beenden

Schlimmer noch: Orbáns Initiative ist nicht nur unabgestimmt, sie widerspricht sogar der bisher einheitlichen EU-Ukrainepolitik. Und darum spielt sie – drittens – Putin in die Hände, dessen militärischer Erfolg gegenüber der Ukraine davon abhängt, ob es ihm gelingt, die westliche Geschlossenheit zu torpedieren. Orbáns Initiative dokumentiert eine Spaltung der Europäischen Union und stärkt damit Putins Strategie, den Krieg nicht zu beenden, sondern zu gewinnen.

Keine Äußerung des russischen Präsidenten in den vergangenen Wochen lässt auch nur im Mindesten darauf hoffen, dass er von seinen imperialistischen Zielen abzurücken bereit ist. Dem Frieden hat Orbáns Moskau-Reise, die Putin in seiner Sicht der Lage eher bestätigte, jedenfalls nicht gedient.

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