Wir feiern an Pfingsten ein Wunder
Kann man das Pfingstwunder, das wir heute feiern, psychologisch oder soziologisch erklären? Ist es gar kein Wunder, sondern eben ein rein psychologisches oder soziologisches Phänomen?
Quelle
Der Heilige Geist und die Liebe zur Kirche (catholicnewsagency.com)
Predigt: Pfingstsonntag B 2024 (Dr. Josef Spindelböck) (stjosef.at) – Sende aus deinen Geist!
Von Pater Eberhard von Gemmingen SJ
19. Mai 2024
Kann man das Pfingstwunder, das wir heute feiern, psychologisch oder soziologisch erklären? Ist es gar kein Wunder, sondern eben ein rein psychologisches oder soziologisches Phänomen? Ich möchte versuchen, das, was wir an Pfingsten feiern, ein wenig genauer darzustellen. Und ich bin der Ansicht: Wir feiern an Pfingsten ein Wunder. Das Wunder, dass die Sache Jesu Christi nach seinem Tod nicht vorbei war, sondern erst richtig losging.
Dabei vertrete ich die These: Jesus Christus ist in seinem irdischen Leben gescheitert. Er hatte keinen Erfolg. Die theologischen Autoritäten des auserwählten Volkes haben ihn als Hochstapler angesehen, der sich göttliche Autorität anmaßte. Die Pharisäer warfen ihm vor, das Gesetz Jahwes zu zerstören. Die Sadduzäer hatten Angst, dass ihr politisches Arrangement mit der römischen Besatzung zusammenbricht. Sie sahen in Jesus einen politischen Revolutionär. Pilatus beugte sich dem Gebrüll der Masse. Die Masse war von Jesus enttäuscht und war ihm nur oberflächlich nachgelaufen.
Und schließlich seine zwölf Auserwählten. Auch sie hatten Jesus wohl in seinem wesentlichen Anspruch nicht verstanden. Sie stritten um die ersten Plätze. Sie fragten ihn: Wann richtest du dein Reich auf? Und als es dann gefährlich wurde, waren sie fort. Unter dem Kreuz standen ein paar Frauen, die Jesus gefolgt waren, seine Mutter und als Einziger der Auserwählten der Johannes. Die anderen zehn hatten die Flucht ergriffen, sich versteckt. Judas hatte ein Geschäft machen wollen.
Das irdische Leben Jesu war ein Scheitern. Irdisch ist Jesus gescheitert. Seine Sache schien zu Ende. Aus und vorbei. Die Jünger versteckten sich, weil sie Angst hatten, auch festgenommen zu werden.
Und nun kommen wir zu dem Phänomen Auferstehung. Die Auferstehung Jesu hat niemand gesehen. Aber Jesus zeigte sich nach seinem Tod den Seinen in seltsamer Weise. Sie konnten es nicht glauben. Sie meinten, es sei ein Gespenst. Jesus musste sie zwingen, ihn anzufassen, vor ihren Augen zu essen und zu trinken. Schließlich waren sie davon überzeugt: Er lebt. Er lebt in einer seltsamen, neuen Weise – ganz anders als früher, aber er lebt. Er ist da.
Aber noch war das Entscheidende nicht geschehen. An Pfingsten feiern wir das erstaunliche Phänomen, dass aus den Feiglingen mutige Männer geworden sind. Sie waren plötzlich neue Menschen. Denn wenn sie nicht mutige Männer geworden wären, gäbe es heute keine Kirche. Wenn aus den unverständigen Feiglingen nicht mutige Zeugen Jesu Christi geworden wäre, wäre die Sache Jesu zu Ende gewesen, und kein Mensch würde mehr von Jesus Christus sprechen. Von den Erscheinungen des Auferstandenen war ein Funke auf sie übergesprungen. Und es waren viele Funken.
Und der Funkenflug ging weiter. Von den Zwölf auf Weitere. Denn erstaunlicherweise haben auch andere Menschen, die von Christus gehört hatten, weiter von ihm gesprochen und erzählt. Natürlich spielte auch Paulus eine große Rolle. Aber sicher nicht er allein. Er war ja ein fanatischer Jesusgegner gewesen, brachte viele Jesusanhänger ins Gefängnis. Es trieb ihn bis nach Damaskus. Aus dem fanatischen Jesusgegner wurde ein überzeugter Jesusverkünder – bis nach Rom.
Ich meine, sagen zu können: Kirche ist keine Organisation. Kirche ist ein Funkenflug. Im Grunde können junge Menschen nur von Jesus Christus überzeugt werden, wenn sie von Älteren angesteckt, angezündet werden. Das Management der Kirche ist immer schwach und fragwürdig. Weiter geht der Glaube an den Gekreuzigten nur durch Menschen, die von ihm angezündet sind. Nur wer selbst brennt, kann andere anzünden.
Und wenn wir ein wenig in die Kirchengeschichte hineinschauen, dann sehen wir die Hauptzündler: Augustinus, Benedikt, Franz von Assisi, Hildegard von Bingen, Mary Ward, Mutter Teresa. Man kann das, was wir an Pfingsten feiern, schon auch mit Psychologie und Soziologie erklären, aber wenn man wirklich offen ist, muss man doch staunen. Vielleicht haben wir Moderne verlernt zu staunen. Wenn man staunen kann, kommt man kaum darum herum, ein Wunder zu erkennen. Denn Funken sind gesprungen. Aber wie das eigene Herz mit dem Funken angezündet wird, das bleibt ein Mysterium.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.
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