“Christus ist kein Honigbonbon”

Eine Evangelisierungsinitiative der französischen Bischofskonferenz hat am vergangenen Wochenende 2800 Katecheten und Missionare in Lourdes versammelt

Quelle
Missionskongress in Nantes: Kein Zeugnis ohne Zeugen | Die Tagespost (die-tagespost.de)

30.10.2023

Franziska Harter

Monseigneur Leborgne, mit “Kerygma” stellen die französischen Bischöfe die Evangelisierung in den Mittelpunkt des kirchlichen Lebens. Warum gerade jetzt?

In Frankreich stehen wir innerkirchlich wie gesellschaftlich an einem Wendepunkt. Die Covid-Krise und die Missbrauchsaufarbeitung haben uns als Kirche arm gemacht, entblößt. Aber ich habe den Eindruck, dass wir gerade in dem Moment, in dem wir am ärmsten sind, auch offen für etwas Neues werden. Die Gesellschaft hat sich in einem rasanten Tempo weiterentwickelt, der Katholizismus bildet nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung. Soziologisch gesehen befinden wir uns nach einer ersten, antireligiösen oder areligiösen, Moderne nun in einer zweiten Moderne, die religiös völlig unwissend, dadurch aber viel mehr bereit ist, sich die Frage nach dem Sinn zu stellen.

Diese Gesellschaft trifft nun auf eine Kirche, die eine Arbeit der Wahrheit, Reinigung und Entäußerung hinter sich hat. Papst Franziskus spricht in “Gaudete et Exultate” von der Gefahr des Neo-Pelagianismus, der Versuchung, alles selbst machen zu wollen. Vielleicht sind wir nach diesen verschiedenen Entäußerungen bereit, den Herrn handeln zu lassen.

Warum wurde der Name “Kerygma” gewählt?

Das Kerygma, die Erstverkündigung, verweist auf den Kern des Glaubens an Jesus Christus. In “Evangelii Gaudium” formuliert Papst Franziskus es so: “Jesus Christus liebt dich, er hat sein Leben hingegeben, um dich zu retten, und jetzt ist er jeden Tag lebendig an deiner Seite, um dich zu erleuchten, zu stärken und zu befreien.” Das Direktorium für die Katechese von 2020 ruft dazu auf, uns in der Verkündigung wieder auf dieses Herz des Glaubens zu konzentrieren und davon ausgehend neue Wege für die Mission zu finden. Die Liebe Gottes ist weder ein vages Gefühl, noch eine Doktrin, sie ist ein Ereignis, in der Person Jesus Christus, der unser Fleisch angenommen hat.

Der Hebräerbrief sagt, dass er in allem unser Bruder geworden ist, um unser Leben bis in den Tod zu teilen. “Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden”, heißt es im zweiten Korintherbrief (5, 21). In diesem Vers drückt sich etwas Unermessliches, Unerhörtes aus. Durch Jesus Christus ist Gott unser Bruder in allem, außer der Sünde, damit wir seine Brüder und Schwestern in der Auferstehung und damit Söhne und Töchter des Vaters und Miterben des Heils werden. Das ist das Herz des Glaubens und es ist kein Wissen, sondern eine Erfahrung.

Was bedeutet das konkret für den, der den Glauben verkündet?

Bei den 2800 Teilnehmern an Kerygma in Lourdes habe ich einen Wandel gespürt von einem Glaubenswissen hin zu der Erkenntnis, dass dieses Wissen in erster Linie eine Erfahrung ist. Wer diese Erfahrung macht und sie benennen kann, kann auch anderen davon erzählen. Solange das Wissen äußerlich bleibt, können wir unsere eigene Erfahrung seit der Taufe nicht in Worte fassen. Wenn aber Menschen beginnen, Worte für konkrete Geschichte mit Gott zu finden, dann drängt es sie ganz von selbst zur Verkündigung!

Wie sieht nun Ihre Bilanz nach dem Treffen in Lourdes aus?

Während des gesamten Treffens war eine echte Freude spürbar. Missionsgeist erwächst aus der persönlichen und gemeinsamen kirchlichen Christusbegegnung. Mein Eindruck ist, dass die missionarische Bereitschaft der Teilnehmer durch die Erfahrung von “Kerygma” signifikant gestiegen ist. In Frankreich sind wir sehr stark durch das Laizismus-Gesetz von 1905 geprägt. Unter dem Vorwand des Respekts und einer falsch verstandenen Toleranz trauen wir uns oft nicht, die Dinge klar zu benennen. Letzte Woche habe ich das Requiem des (durch einen Islamisten; A.d.R.) ermordeten Lehrers in Arras zelebriert. Es gibt eine echte Dringlichkeit der Evangelisierung! Sind wir uns bewusst, dass Christus wirklich unser Friede ist?

Ist Christus nur ein Honigbonbon für eine müde Bourgeoisie oder die frohe Botschaft für unsere Welt? Das Kerygma ist eine Kampfeshandlung im Kampf gegen Tod und Gewalt. Gottes Liebe zu uns ist keine süßliche Gefühlsduselei, sondern Gottes Handeln in unserer Geschichte gegen die Mächte des Bösen. Ich glaube, hier entsteht gerade ein Bewusstsein für die tiefe Notwendigkeit der Evangelisierung. In aller Demut, denn wir spielen in der Welt nicht mehr die erste Rolle und haben als Moralapostel ausgedient. Aber genau das bringt uns neue Frische, die ich in Lourdes gespürt habe.

Was ist der Unterschied zwischen “Kerygma” und dem “Congrès Mission”?

Sie ergänzen sich gegenseitig. Der Missionskongress (siehe DT vom 5. Oktober) ist eine wunderbare Initiative von Getauften, die uns Bischöfe angespornt und auf den Weg gebracht hat. Das Besondere an “Kerygma” sind die drei Dimensionen, die kirchliche, die liturgische und die Dimension der Fortbildung. “Kerygma” wurde von den Bischöfen beschlossen, etwa 45 Bischöfe haben daran teilgenommen. Außerdem waren alle Richtungen innerhalb der Kirche vertreten, ebenso wie alle Altersstufen.

Daneben war die gemeinsame Liturgie grundlegend für die gesamte Veranstaltung, mit der Eucharistie im Mittelpunkt, die natürlich auch beim Congrès Mission eine wichtige Rolle spielt. Drittens haben wir Wert auf die gemeinsame Fortbildung gelegt, durch Vorträge von hochkarätigen Rednern ebenso wie durch die Workshops und die Predigten, um unser Verständnis des Kerygmas zu vertiefen.

Welchen Platz haben Laien und Klerus in der Evangelisierung?

Nach der Intuition des Zweiten Vatikanums ist es die Berufung der Gläubigen, ihre Taufe im Herzen der Welt zu leben, um so Zeichen und Zeugen der Hoffnung zu sein. Dabei sollten wir nicht in Machtverhältnissen denken und jetzt Laien an die erste Stelle setzen, wo früher vielleicht einmal Priester an erster Stelle standen. Das bringt an unserer gemeinsamen “Front” der Mission nichts. Laien sind aber an ihren verschiedenen Lebensorten die hauptsächlichen Akteure der Mission. Sie nähren sich aus dem kirchlichen Leben und hier haben die Priester ihren Platz.

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