Kardinal Koch: Für die Einheit beten und konkret handeln

Die diesjährige Gebetswoche für die Einheit der Christen ist geprägt vom Ukraine-Krieg und dem Tod von Benedikt XVI. Wie der vatikanische Ökumene-Beauftragte Kardinal Kurt Koch im Interview mit Radio Vatikan betont, gebe es “zwei Wirklichkeiten”, die “unlösbar zusammengehören” und die bei der Gebetswoche zum Tragen kämen: das Gebet und das konkrete Handeln

Quelle
Kardinal Kurt Koch (353)

Mario Galgano – Vatikanstadt

Das diesjährige Leitwort, das in Minnesota erdacht wurde, stammt aus dem Buch des Propheten Jesaja: “Tut Gutes! Sucht das Recht!” (Jes 1,17). “Das zeigt mir, dass zwei Wirklichkeiten unlösbar zusammengehören: Zunächst einmal haben wir die Gebetswoche für die Einheit der Christen, die uns in Erinnerung ruft, dass das Wichtigste, was wir tun sollen, für die Einheit der Christen zu beten, da wir die Einheit nicht machen können”, so Kardinal Koch gegenüber Radio Vatikan.

Denn Menschen könnten zwar Spaltungen und Brüche verursachen, “aber nicht die Einheit”, beklagt der Schweizer Kurienkardinal. “Das zeigt die Geschichte und leider auch die Gegenwart.” Die Einheit sei hingegen “immer ein Geschenk des Heiligen Geistes” und die beste Art der Vorbereitung darauf, dieses Geschenk zu empfangen, sei das Gebet, erläutert Kardinal Koch. Und fügt an:

“Das Leitmotiv zeigt uns aber auch, dass das Gebet unterstützt werden muss durch unser konkretes Handeln, dass wir alles tun sollen und tun können für die Einheit, was uns möglich ist, um die Gerechtigkeit zu suchen. Das heißt nicht nur auf die eigenen Rechte zu schauen, sondern auch die Gaben wertzuschätzen, die der Heilige Geist anderen Kirchen-Gemeinschaften gegeben hat, also die er für alle Kirchen gegeben hat.”

Ökumene in Zeiten von Krieg

Der Krieg in der Ukraine zeige aber, dass sich die Suche nach Einheit vielen Schwierigkeiten gegenüber sehe:

“Das ist natürlich eine schreckliche Botschaft, die wir momentan in der Welt haben, dass Christen sich selber umbringen, vor allem Orthodoxe sich selber gegenseitig umbringen. Das ist das Gegenteil von dem, was die Ökumene will.”

Ökumene wolle hingegen sagen, “dass die Religion Teil der Lösung der Probleme und nicht Teil des Problems sein” soll, erläutert der Präfekt des Dikasteriums für die Einheit der Christen. Und deshalb gebe es keinen anderen Weg, als den Dialog zu suchen “und auf keinen Fall die Türen zuzuschlagen, auch angesichts von Positionen, die uns völlig fremd sind”. Kardinal Koch:

“Und hier weiter zu gehen und eben dies auch anzuerkennen, das ist ja auch die Botschaft aus Jesaja, die Frucht des Friedens ist die Frucht der Gerechtigkeit: opus justitia, pax. Das war ja auch das Leitmotiv des Pontifikats von Papst Pius XII. Friede gibt es nur auf dem Boden der Gerechtigkeit.”

“Und daneben gibt es einen zunehmenden Antichristianismus in Europa, wenn man die blasphemischen Äußerungen in verschiedenen Orten sieht…”

Die Gebetswoche für die Einheit der Christen wird jedes Jahr vom 18. bis 25. Januar begangen. Jesaja habe gelehrt, dass Gott Recht und Gerechtigkeit von uns allen verlange, und zwar zu jeder Zeit und in allen Bereichen des Lebens. Unsere heutige Welt spiegele in vielerlei Hinsicht die Herausforderungen der Spaltung wider, denen Jesaja mit seiner Botschaft entgegentrat. Dazu Kardinal Koch:

“In Europa grassieren vielleicht andere Phänomene als in Nordamerika. Bei uns ist das zunächst der Antisemitismus, der in sehr verschiedenen Ländern und vor allem auch in Deutschland wieder sehr virulent wird. Und daneben gibt es einen zunehmenden Antichristianismus in Europa, wenn man die blasphemischen Äußerungen in verschiedenen Orten sieht, auch die Attacken auf Kirchen. Das sind deutliche Zeichen.”

Antichristliche Haltung in der Politik

Aber auch in der Politik sei dies bemerkbar, führt Kardinal Koch weiter aus:

“Wenn man zum Beispiel von einem Recht auf Abtreibung redet, dann werden die Grundlagen nicht nur des christlichen Glaubens, sondern auch der menschlichen Vernunft in Frage gestellt.”

Die erste Gebetswoche der Einheit der Christen ohne Benedikt XVI. könne uns auch auf sein “ökumenische Erbe” zurückblicken lassen:

“Papst Benedikt hat sehr viel zur Ökumene beigetragen, nicht nur im Dialog mit den orthodoxen Kirchen, sondern auch im Dialog mit den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen. Zum Beispiel die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Dass sie überhaupt veröffentlicht werden konnte, ist wesentlich sein Verdienst. Er ist in der Schlussphase selbst noch nach Deutschland gereist, um die Probleme zu lösen. Darin besteht sein großes Erbe. Ökumene ist für ihn nicht eine Frage der Kirchenpolitik, sondern eine Frage des Glaubens. Einheit beruht auf jenem Geschenk des Glaubens, das jedem Christen in der Taufe anvertraut und übergeben worden ist. Und das in Erinnerung zu rufen, dass wir den Glauben, die Einheit nur finden, wenn wir uns gemeinsam im Glauben an Jesus Christus vertiefen. Seine Ökumene ist eine Christus-zentrierte Ökumene. Und ich stelle immer wieder fest, wie Repräsentanten von anderen Kirchen diese Linie gerne weiterfolgen wollen.”

vatican news, 20. Januar 2023

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