Unterstellungen
Gänswein verteidigt Benedikt XVI. und kritisiert Synodalen Weg: “Das sind Unterstellungen”
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Im Wortlaut: Das EWTN-Interview mit Erzbischof Georg Gänswein über Benedikt XVI.
Von Rudolf Gehrig
Vatikanstadt, 15. Februar 2022 (CNA Deutsch)
In einem aufsehenerregenden Interview mit dem katholischen Fernsehsender EWTN (hier im Video) hat Erzbischof Georg Gänswein den emertitierten Papst Benedikt XVI. als “Vater der Transparenz” gewürdigt und gegen Vorwürfe in der deutschen Öffentlichkeit verteidigt. Benedikt, dem Gänswein seit vielen Jahren als Privatsekretär dient, habe die Aufarbeitung von Missbrauch innerhalb der Katholischen Kirche massgeblich vorangetrieben, so der Papst-Vertraute.
Ausführlich erläutert Gänswein im Gespräch mit Andreas Thonhauser, dem Leiter des Vatikan-Büros von EWTN, wie Benedikt XVI. auf die Veröffentlichung des Münchener Missbrauchsgutachtens reagierte und bekräftigt, wie der mittlerweile emeritierte Pontifex schon früh – und auch gegen innerkirchliche Widerstände – gegen Missbrauch vorgegangen sei.
Gleichzeitig übt Gänswein im Interview scharfe Kritik am deutschen “Synodalen Weg”. Die dort produzierten Texte seien “unfruchtbar” für den Prozess der von Papst Franziskus eingeleiteten Weltsynode über Synodalität. Der Erzbischof erinnert daran, dass die Beschlüsse der umstrittenen Debattenveranstaltung für die Kirche nicht bindend sind.
Das Interview wurde in der Nacht von Montag auf Dienstag erstmals bei EWTN und seinen Partnersendern veröffentlicht. CNA Deutsch hat den vollen Wortlaut dokumentiert.
Gänswein beklagt “Unterstellungen”
Gegenüber Andreas Thonhauser (EWTN Vatican) erklärt Erzbischof Gänswein die Umstände, die dazu führten, dass Benedikt in seiner 82-seitigen Stellungnahme zum Münchener Missbrauchsgutachten zunächst erklärt hatte, er habe an einer bestimmten Sitzung nicht teilgenommen, bei der nach Ansicht der Gutachter über die Versetzung des pädophilen Priesters “Peter H.” diskutiert wurde.
Wie CNA Deutsch berichtete, hatte der emeritierte Pontifex seine Aussage zu diesem Fall im Nachhinein berichtigt und bestätigt, zwar an dieser Sitzung teilgenommen zu haben, allerdings habe er weder Kenntnis davon gehabt, dass besagter Priester ein Missbrauchstäter ist, noch dass dieser in der Seelsorge eingesetzt wird. Am 6. Februar wurde dazu auch ein “Faktencheck” veröffentlich (hier in voller Länge), der Behauptungen widerspricht, die vorher in Medien verbreitet wurden.
Im EWTN-Interview bekräftigt Gänswein, die These, Kardianl Ratzinger habe um die Einzelheiten des Falles um “Peter H.” gewusst, sei “schlichtweg eine Unterstellung”.
Benedikt XVI. schrieb persönlichen Brief “vor Gottes Angesicht”
Zusätzlich hat Benedikt XVI. einen persönlichen Brief veröffentlicht, in dem er betont, er wolle “noch einmal meine tiefe Scham, meinen grossen Schmerz und meine aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs zum Ausdruck bringen”.
Dazu sagt Gänswein:
“Benedikt sagt, als er den Brief geschrieben hat, es soll ein sehr persönlicher Brief sein. Darum eben auch die Trennung zwischen Brief und dem Faktencheck. Damit man auch sieht, das ist mein Brief, den ich geschrieben habe, und der Faktencheck, das ist das Werk der vier Mitarbeiter, das ich natürlich kenne und auch unterschreibe. Aber dieser Brief sollte eben sein ureigenes Werk sein den er, wenn man so will, vor dem Angesicht Gottes geschrieben hat. Der letzte Absatz ist vielleicht der Schlüssel zum Ganzen. Er sagt, ich stehe eigentlich schon mehr oder weniger vor dem, der richtet über Leben und Tod, vor einem gnädigen Richter.”
Der Papst-Vertraute ergänzt, dass sich Benedikt hierbei “nicht das erste Mal bei den Opfern des Missbrauchs entschuldigt” habe. Auf seinen Papstreisen habe er immer wieder Missbrauchsopfer getroffen, allerdings “ohne Presse”, sondern in einer Kapelle, verknüpft mit einem Gebet und persönlichen Gespräch.
Der emeritierte Papst habe immer betont, so Gänswein: “Jedes Missbrauchsopfer ist eines zu viel, das heisst, jede Tat ist eine zu viel, und sie ist letztlich auch nicht wieder gut zu machen. Das Einzige was helfen kann, ist die Bitte um Vergebung und auch die Bitte, diese Menschen unter den Schutz Gottes zu stellen.”
“Der Vater der Transparenz”
Joseph Ratzinger, der 2005 als Benedikt XVI. der Nachfolger von Johannes Paul II. auf dem Stuhl Petri wurde, habe mit Vehemenz und auch gegen innerkirchliche Widerstände die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle vorangetrieben. Der Papst-Sekretär sagt dazu im Interview:
“Ich bin seit dem Jahre 1996 in der Glaubenskongregation tätig gewesen, also ab 1996 als Mitarbeiter und dann ab 2003 als sein persönlicher Sekretär. Und ich habe gleich von Anfang an gesehen, wie seine Haltung ist. Die hat sich im Vergleich zu heute, im Vergleich zu der Zeit, als er Papst war, überhaupt nicht geändert. Ich habe festgestellt: er war von Anfang an überzeugt, es muss hier Transparenz geschaffen werden, es muss Klarheit geschaffen werden, es müssen Ross und Reiter beim Namen genannt werden, und wir dürfen nicht vertuschen. Er hat das in der Weise gemacht, dass er mit Johannes Paul II. versucht hat, dass aus dieser Überzeugung auch ein konkretes Handeln hervorgeht. Das heisst: Was muss der Vatikan, was muss die Kirche tun, um tatsächlich zu diesem Ziel zu kommen? Es hat sich ein Mentalitätswandel vollzogen. Diesem Mentalitätswandel musste sich natürlich auch auf rechtlicher Ebene ein Wandel folgen, damit man tatsächlich ein Instrument hatte, um dem Missbrauch entgegenzuwirken
Johannes Paul II. hat daraufhin die Glaubenskongregation auch zu einem Gerichtshof gemacht, wenn ich das so sagen darf, und hat ihr die Kompetenz übertragen, in dieser Angelegenheit zu handeln. Diese Kompetenz war vorher in einer anderen Kongregation. Er hat das dieser entzogen und der Glaubenskongregation übertragen. Und seit dem Zeitpunkt ist mit der Aufarbeitung, der Aufklärung vorangegangen worden.”
Der spätere Papst Benedikt habe demnach “nicht nur eine entscheidende Rolle” bei der Priorisierung der Missbrauchsaufarbeitung gespielt, fährt Gänswein fort, er sei vielmehr “der entscheidende Mann” gewesen, “der zu Transparenz wirklich nicht nur geraten hat, sondern auch zur Transparenz geschritten ist”. Wörtlich erklärt sein langjähriger Sekretär: “Man kann sagen, er ist der ‘Vater der Transparenz’.”
Ankämpfen musste der emeritierte Papst damals allerdings auch gegen innerkirchlichen Widerstand, führt der Kurienerzbischof fort.
“Ich möchte jetzt natürlich nicht aus dem Nähkästchen plaudern. Aber es gab inneren Widerstand. Und dieser Widerstand wurde ihm gegenüber auch deutlich geäussert. Aber er war überzeugt, dass dieser Widerstand mithilfe von Papst Johannes Paul II. überwunden werden kann und überwunden werden muss und auch überwunden worden ist. Gott sei Dank! Wenn man in das Archiv der Kongregation schaut, kann man eine ganze Reihe von wichtigen Dokumenten finden, die auch zusammengestellt worden sind, um zu sehen, wie Schritt für Schritt wie bei einem Mosaik tatsächlich dieses Ziel erreicht worden ist. Und dann ging es weiter: Als Papst hat er natürlich dann diese Linie weiter gezogen in einer höheren und sehr intensiven Weise. Und das ist die Linie, auf der Papst Franziskus auch weiter schreitet.”
Deutliche Kritik am “Synodalen Weg”
Kritisch äussert sich Erzbischof Gänswein gegenüber dem deutschen “Synodalen Weg”. Missbrauchsbetroffene hatten dem umstrittenen Prozess wiederholt vorgeworfen, “Missbrauch des Missbrauchs” zu betreiben.
“Es wird immer gesagt, die Missbrauchsopfer stehen im Mittelpunkt, das ist völlig richtig”, so Gänswein. “Aber es gibt das Wort vom Missbrauch des Missbrauchs. Und genau diese Gefahr wird dadurch noch mehr verstärkt. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass in dem Moment, in dem versucht wird, etwas oder jemanden zu instrumentalisieren, dass man dann also wirklich in vertuschender Weise zu einem Ziel kommen will, das nach aussen mit einer anderen Realität verdeckt werden soll, bis man meint, am Ziel angekommen zu sein.”
Der Papst-Vertraute erinnert daran, dass der “Synodale Weg” nach wie vor keinerlei Rechtswirkung besitzt und die dort getroffenen “Beschlüsse” deshalb für die Kirche nicht bindend sind. Die dort produzierten Texte bezeichnete Gänswein gar als “unfruchtbar” für den Prozess der von Papst Franziskus eingeleiteten Weltsynode. Wörtlich:
“Das ist eine Veranstaltung, die kann man machen und die können auch Texte fabrizieren. Aber die haben keinerlei Bindung. Und schon gar nicht in die Kirche hinein. Inwieweit die Ergebnisse dieser Texte fruchtbar oder nicht fruchtbar sein können für den Prozess der Weltsynode, das wird man sehen. Ich bin überzeugt davon, dass sie unfruchtbar sind. Wenn ich eine andere Kirche will, die nicht mehr auf der Offenbarung gründet, wenn ich eine andere Struktur der Kirche will, die nicht mehr sakramental ist, sondern pseudodemokratisch, dann muss ich aber auch sehen, dass das mit dem katholischen Verständnis, mit der katholischen Ekklesiologie, mit dem katholischen Kirchenverständnis nichts mehr zu tun hat.”
Brief des Papstes als “spirituelles Testament”
Erzbischof Gänswein beantwortet im aktuellen Interview auch die Frage nach dem Gesundheitszustand des emeritierten Papstes. “Er ruht in Gott und er ist gottlob immer zuversichtlich geblieben”, so Gänswein. Benedikt XVI. sei zwar “altersgemäss schwach”, aber immer noch “geistig glasklar” und habe “den Humor nicht verloren”.
Papst Benedikts persönlichen Brief an die Missbrauchsopfer könne man durchaus als sein “spirituelles Testament” bezeichnen, so Gänswein. Im EWTN-Interview sagte er:
“Es ist in bestimmter Hinsicht ein spirituelles Testament, weil er diesen Brief vor dem Angesicht Gottes geschrieben hat, und zwar als ein Mann, der glaubt; ein Mann, der – wir wissen das – in seinem Bischofswappen das Wort aus dem Johannesbrief hat: ‘Cooperatores Veritatis’, Mitarbeiter der Wahrheit. Das war sozusagen wie ein roter Faden durch sein ganzes Leben, durch sein wissenschaftliches, durch sein persönliches, aber auch durch sein priesterliches, bischöfliches und päpstliches Leben hindurch. Und diesem Motto weiss er sich verpflichtet bis heute.”
Das komplette Interview mit Erzbischof Georg Gänswein finden Sie im Wortlaut hier.
Das EWTN-Exklusiv-Interview mit Erzbischof Georg Gänswein im Video:
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