Afghanistan: Sant’Egidio fordert humanitäre Korridore
Angesichts der angespannten Lage in Afghanistan nach der Machtübernahme durch die Taliban warnt die Gemeinschaft Sant’Egidio vor einer “humanitären Katastrophe”
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Afghanistan: Zwischen Hoffnung und Angst
Angesichts der angespannten Lage in Afghanistan nach der Machtübernahme durch die Taliban warnt die Gemeinschaft Sant’Egidio vor einer “humanitären Katastrophe”. Es gelte, seitens der internationalen Gemeinschaft rasch zu handeln und “humanitäre Korridore” einzurichten, hiess es in einer Presseaussendung der katholischen Friedensorganisation am Montag in Berlin.
“Neben dem Personal, das die europäischen Truppen unterstützt haben, benötigen auch die Bevölkerung und vor allem die Frauen Hilfe, denn viele Frauen haben ihre Würde und Freiheit wiedergefunden, die Mädchen sind wieder in die Schule zurückgekehrt. Andere können nicht mehr im Land leben, weil sie Racheakte befürchten müssen.”
Humanitäre Korridore seien ein geeignetes Modell, um Flüchtlingen einen legalen Weg nach Europa zu ermöglichen und sie zugleich “auf dem Weg der Integration durch verschiedene Organisationen” zu begleiten, so Sant’Egidio. “Die Afghanen dürfen nicht in der Hoffnung auf ein anderes Leben enttäuscht werden.” Zugleich appellierte die Organisation an die bislang in Afghanistan tätigen humanitären Organisationen, ihr Engagement nicht einzustellen und “ihrer Verantwortung auch weiter nach(zu)kommen“. Das “schon zu lange leidende afghanische Volk“ dürfe nicht erneut enttäuscht werden.
Asylexperte Riedl an Regierung: “Mehr Realitätssinn”
Indes mehren sich nach der Einnahme Kabuls durch die Taliban die Kritiken an der österreichischen Haltung: So forderte zuletzt der Diakonie-Asylexperte Christoph Riedl von der österreichischen Regierung “mehr Realitätssinn”: Das Festhalten an der Abschiebepraxis sei “beinahe eine trotzige Haltung angesichts des historischen Ereignisses, das sich gerade in Afghanistan abspielt”, hiess es in einer Aussendung des evangelischen Hilfswerks am Montag. “Statt sich zu überlegen, wie man möglichst vielen Menschen helfen kann, überlegt man weiterhin, wie man Menschen nach Afghanistan abschieben kann, was völlig absurd ist.”
Die Berufung auf gültige Gerichtsentscheidung sei durch die Ereignisse überholt, betonte Riedl. “In jedem dieser Bescheide steht, dass Herat und Mazar-i-Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative darstellen.” Beide Städte sind mittlerweile von den Taliban eingenommen. Negative Asylbescheide seien folglich Makulatur. “Man kann also jedem Afghanen, der eine rechtskräftige Entscheidung vorliegen hat und theoretisch vor einer Abschiebung steht nur dazu raten, einen neuen Asylantrag zu stellen. Daraus müsste sich zumindest ein subsidiärer Schutz ergeben.” Es könne zudem in Zukunft keine neuen negativen Asylbescheide mehr geben: “Solche Bescheide sind mit Sicherheit falsch und werden von den Gerichten behoben.”
Auch ein Abkommen mit der afghanischen Regierung zur Rücknahme abgeschobener Menschen aus Afghanistan sei hinfällig: “Wer soll dieses Abkommen einhalten? Das hat eine Regierung unterschrieben, die es jetzt nicht mehr gibt.” Die Haltung der österreichischen Regierung wirke daher im internationalen Vergleich “lächerlich”: “Ich weiss nicht, wem man da etwas einreden will.”
kap – mg, 167. August 2021
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