Das Tribunal der Selbstgerechten
So schnell kann man eine grosse Zukunft hinter sich haben
Die Tagespost, 02.03.2011, von Markus Reder
Noch vor wenigen Wochen wurde Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg von Hochglanzmagazinen als “Mann des Jahres” gefeiert. Man verneigte sich vor einem, dem die politische Zukunft in Deutschland gehört. Vor einem, der anders ist. Der nicht nur einen neuen Ton, sondern auch einen neuen Stil in den biederen Berliner Budenzauber bringt. Gefeiert wurde ein Kommunikator, der seinesgleichen sucht. Politisch hochbegabt, parkettsicher, rhetorisch brillant. Kein Amt, das man Guttenberg nicht zugetraut, in das man ihn nicht hineingeschrieben hätte. Aus und vorbei. Der Überflieger ist zurückgetreten. So schnell wie Guttenberg ist noch kein Politiker aufgestiegen. So brutal noch niemand abgestürzt.
Guttenbergs Rücktritt war konsequent. Er hätte sein Amt nicht mehr so ausüben können, wie das ein Verteidigungsminister können muss – zumal in dieser Umbruchssituation bei der Bundeswehr. In den Händen derer, die ihn gestützt haben, wäre er Wachs gewesen. In den Augen der politischen Gegner ein weidwundes Wild, das man jagen muss, bis es erschöpft zusammenbricht. Dieser letzten Hatz ist Guttenberg mit seinem Rücktritt ebenso zuvorgekommen wie den Folgen möglicher Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Der Starminister hat Fehler gemacht. Schwere Fehler. Plagiate in einer wissenschaftlichen Arbeit sind alles andere als ein Kavaliersdelikt und eine massive Hypothek für die Glaubwürdigkeit eines Politikers. Guttenberg hat sich entschuldigt. Das hat jenen nicht gereicht, die seinen Kopf rollen sehen wollten. Allen voran die Opposition. Dabei trifft zu, was Angela Merkel zur Auseinandersetzung um zu Guttenberg gesagt hat: “So viel Scheinheiligkeit und Verlogenheit war selten in Deutschland”. Die “Causa Guttenberg” zeigt: Da ist etwas aus den Fugen geraten. Das macht die Angelegenheit beängstigend. Das macht sie zum Menetekel einer sich verändernden politischen Kultur. Die Kopf-ab-Mentalität der Neu-Jakobiner in Opposition und Medien ist verlogen. Ihr Moralkodex so selbstgerecht, das einem anders wird. Gnade gibt es nur für sich selbst und die eigene Sache. Was geht und was nicht, entscheidet der politische Nutzen. Ihre Tugendphrasen sind hohl, ihr ideologischer Eifer blind. Die Häme und Masslosigkeit, mit der im linken Lager auch nach seinem Rücktritt über Guttenberg hergezogen wird, macht klar: Es ging längst nicht mehr nur um Plagiate, Promotion, Anstand und Moral, sondern um politische Vernichtung ohne Wiederkehr.
Der Rücktritt Guttenbergs trifft die Union schwer. Da ist weit und breit keiner, der die Lücke füllen könnte. Daran ändert auch die schnelle Nachfolgelösung nichts. Mit Guttenbergs Abgang ist der Club der Hochqualifizierten, die der Politik – aus unterschiedlichen Gründen – den Rücken gekehrt haben, um ein Mitglied reicher. Ob einer wie Friedrich Merz oder nun zu Guttenberg: Solche Verluste sind nicht kompensierbar. Darum jubelt die Opposition über den gefallenen Baron. Guttenbergs Plagiate sind inakzeptabel. Daran gibt es nichts zu rütteln. Aber schlimmer noch ist jene verlogene Scheinheiligkeit, mit der selbsternannte Tugendwächter in Deutschland Politik machen, um die Herrschaft des Mittelmasses zu zementieren und ihre eigene Macht zu sichern.
So, der Guttenberg ist nun Geschichte. Jetzt wollen wir mal hoffen, dass wieder etwas Ruhe in die Geschichte kommt und sein Nachfolger sich um seine eigentliche Aufgaben kümmert. Das ist vor allem der Rückbau der Bundeswehr und der Abzug der Soldaten aus Afghanistan. Die Soldaten hätten dies wirklich verdient.
Markus Reder sagt es: “Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten sind keine Kavaliersdelikte”. Was er aber brandmarkt ist der “ideologische Eifer”, der sich heute etablieren möchte. So verstehen wir das.
Wieso Guttenberg zum Club der Hochqualifizierten gehören soll, ist mir aber ein Rätsel. Gerade die zusammen geklaute Dissertation nimmt dem Mann doch ausgrechnet den Kompetenznimbus.