Leuchtfeuer in Zeiten der Gotteskrise

Bamberg feiert den Einzug von Kardinal Walter Brandmüller

Voller Dom, brillante Predigt: Bamberg feiert den Einzug Kardinal Walter Brandmüllers in seiner Heimatdiözese.

Die Tagespost, 21.02.2011,von Regina Einig

Im gesteckt vollen Bamberger Dom warten die Gläubigen bei frostigen Temperaturen. Am Sonntag nachmittag erleben sie ein in einer fränkischen Bischofskirche eher seltenes Fest: den feierlichen Einzug eines Kardinals, der aus ihrer Erzdiözese hervorgegangen ist. Wissenschaft und die Weltkirche haben das Denken und Wirken Kardinal Walter Brandmüllers geprägt. Sein Mut, sich mit einem offenen Brief gegen das Theologen-Memorandum zu stellen, hat ihm in der Heimat Anfeindungen eingetragen, aber auch hohen Respekt bei den Gläubigen. Aus seiner Verwunderung über die gegenwärtige Debatte um Kirchenreformen nördlich der Alpen macht er vor dem feierlichen Pontifikalamt im Gespräch mit Journalisten keinen Hehl. Entschieden verteidigt er den Zölibat. Wenn Priester das Werk Jesu Christi fortsetzten, “ist es mehr als angemessen, die Lebensform seines Meisters zu übernehmen”, erklärt der Kirchenhistoriker.

Zur Reaktion in Rom über die deutsche Debatte sagt er: “Manchmal schüttelt man dort schon den Kopf.” Klare Sprache und profunde Wissenschaftlichkeit zeichnen Brandmüllers Wortmeldungen aus. Der Kardinal spricht nicht nur fliessend Latein, er hat unter dem Namen “Ad fontes” auch eine europäische Initiative zur Förderung der alten Sprachen gegründet. Für den Kirchenhistoriker wäre es der Anfang vom Ende der abendländischen Kultur, wenn junge Geschichtswissenschaftler nicht mehr des Lateinischen und Griechischen mächtig wären und die Originalquellen der europäischen Historie nicht mehr in den klassischen Sprachen lesen und verstehen könnten. Symposien in Rom und ein Preis für besonders gelungene Artikel über den Wert der alten Sprachen sind Mittel gewesen, mit denen Brandmüller dazu beitragen wollte, dass das Abendland nicht zum Analphabeten wird.

Viele Gläubige in Deutschland sehen in Brandmüller einen Hoffnungsträger, vergleichbar dem 2005 verstorbenen Kardinal Leo Scheffzyk. Auch er bestärkte kirchentreuen Katholiken darin, den innerkirchlichen Diskurs nicht in ideologisch aufgeladenen Positionen der siebziger Jahre einzugefrieren. Sinnfällig erinnert Erzbischof Schick bei der Begrüssung an Brandmüllers Wahlspruch aus dem Lukasevangelium: “Ignem in Terram – Feuer auf die Erde”. Die Frage, wie der Funke des Glaubens in einer von lähmender Resignation geprägten Zeit wieder überspringen kann, beschäftigt nördlich der Alpen nicht wenige Christen. Von Kirchenmännern wie Kardinal Brandmüller erhoffen sie sich Hilfestellung. Viele Priester und junge Gläubige sind aus allen Landesteilen nach Bamberg gereist, um den Gast aus Rom zu hören.

Am Fürstenportal empfangen Erzbischof Ludwig Schick und das Domkapitel den gebürtigen Ansbacher Walter Kardinal Brandmüller und geleiten ihn zu den Klängen des Heinrichsliedes in die Dreifaltigkeitskapelle im linken Seitenschiff. Vor dem Allerheiligsten knieen der Purpurträger und der Ortsbischof nieder und verweilen im Gebet. Acht Kurskollegen, die mit Kardinal Brandmüller von Erzbischof Joseph Otto Kolb zur Priestern geweiht wurden, feiern diesen Ehrentag für das Erzbistum Bamberg mit. Der Bischofsstab, den der damalige Oberhirte bei der Weihe 1953 gebrauchte, kommt an diesem Sonntag wieder zum Einsatz. Erzbischof Schick schenkte ihn Kardinal Brandmüller zu dessen Bischofsweihe im November. Aus den bayerischen Diözesen sind die Ortsbischöfe von München und Freising, Regensburg, Eichstätt und Passau dabei. Auch der ehemalige Augsburger Bischof Walter Mixa konzelebriert mit.

Mit Giovanni da Palestrinas “Missa brevis” trägt das Pontifikalamt der zweiten Heimat des Kardinals und seinen Verdiensten für die Pflege der lateinischen Sprache musikalisch Rechnung, vor allem aber dem Willen der Konzilsväter. Das Zweite Vaticanum hatte die Bedeutung der Liturgiesprache Latein untermauert. Im Bamberger Dom erleben die Gläubigen am Sonntag den Glanz und die Feierlichkeit der römischen Liturgie. Mit fester Tenorstimme singt der 82-Jährige die Messtexte.

Ebenso klar spricht der Kardinal in seiner Predigt die Glaubenskrise der Gegenwart an: “Gott” spiele im Alltag vieler Menschen keine Rolle: “Man lebt, als ob es Gott nicht gäbe.” Gottvergessenheit habe sich über Stadt und Land ausgebreitet wie eine dunkle Smogwolke, die den Ausblick auf den strahlenden Himmel über ihr versperrt. Und doch sei Gottes Geist “wirklichste Wirklichkeit, wirklicher als alle Galaxien und schwarze Löcher des Universums”. Brandmüller ermutigt die Gläubigen, die Welt der Übernatur neu zu entdecken, “wenn wir Zukunft und Hoffnung haben wollen”.

Das Wort des Apostels Paulus vom Tempel Gottes, in dem der Geist Gottes wohne wird in Brandmüllers Predigt zum Leitstern inmitten einer Welt der Irrtümer und der pseudowissenschaftlichen Thesen, die den Menschen in seiner Würde verletzen. “Wir sind wahrlich keine nackten Affen, die sich von anderen Säugetieren nur dadurch unterscheiden, dass ihnen eine Laune der Evolution das Fell ausgezogen hat, und wir sind nicht von den gleichen Instinkten gesteuert, wie die Graugänse von Konrad Lorenz.” In bildkräftiger Sprache entrollt der Kardinal das Bild vom Tempel Gottes, um die Christen im Bewusstsein ihrer Würde zu stärken. Wörtlich spricht er von einem “neuen, frohen Lebensgefühl: dem Glück, Christ zu sein” und zitiert Papst Leo den Grossen: “Christ erkenne deine Würde. Du bist der göttlichen Natur teilhaft geworden”. Christsein, so Kardinal Brandmüller bestehe nicht in der Befolgung eines von aussen aufgezwungenen Katalogs von Geboten und Verboten. Es sei vielmehr die erlöste Natur der Getauften, aus der sich der Massstab für ihr sittliches Handeln von selbst ergebe.

Gegen falsche Kirchenbilder setzte Brandmüller die Kraft der Verkündigung: Nicht selten sähen selbst Katholiken in der Kirche nur eine gemeinnützige Agentur zur Weltverbesserung. “Müssten da nicht in unserer Verkündigung, in unserem kirchlichen Handeln manche Akzente neu gesetzt werden, wenn wir uns neu bewusst werden, dass die Kirche jener geheiligte Raum ist, in welchen inmitten dieser Welt der Geist Gottes wohnt und wirkt?” Gebet und Sakrament, insbesondere die Beichte, seien “die Schlüssel, die dem Herrn unser Inneres eröffnen, damit er in uns aufbauen und wirken kann”, unterstreicht der Kardinal.

Viele danken dem Kardinal nach dem feierlichen Te Deum und dem päpstlichen Segen, den er im Auftrag Benedikts XVI. spendet. Eine Welle der Herzlichkeit schlägt Brandmüller im Kreuzgang von seiten den Gläubigen entgegen. Die Botschaft ist verstanden worden.

Biografisches

Kardinal Walter Brandmüller wurde am 5. Januar 1929 in Ansberg geboren. Nach dem Abitur studierte er in Bamberg und München. Am 26. Juli empfing Brandmüller durch Erzbischof Joseph Otto Kolb das Sakrament der Priesterweihe. Er habilitierte sich 1967 über das Konzil von Pavia-Siena. 1969 wurde er zum Professor der Kirchengeschichte und Patrologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Dillingen ernannt. Nach deren Auflösung wurde er im Oktober 1970 Professor der Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Universität Augsburg. Er lehrte dort bis zu seiner Emeritierung 1997. Brandmüller ist darüber hinaus seit 1981 Mitglied des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft, zu dessen Präsident ihn Johannes Paul II. 1998 ernannte. Von 1998 bis 2006 war er auch Präsident der Internationalen Kommission für vergleichende Kirchengeschichte. Er war damit “Chefhistoriker” im Vatikan. 1997 ernannte Johannes Paul II. ihn zum Kanoniker der Peterskirche in Rom. Am 13. November empfing er in Rom die Bischofsweihe, am 20. November erhob Papst Benedikt XVI. ihn in den Kardinalsstand. In der kommende Woche stellt der Kardinal in Berlin einen Interviewband vor, den er gemeinsam mit dem Filmemacher Ingo Langner im fe-Verlag herausgegeben hat: “Vernünftig glauben – Ein Gespräch über Atheismus”.

Vernünftig-Glauben

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