Erdogang beim Papst
Erdogang beim Papst – Eine Einschätzung
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Franziskus empfängt türkischen Präsidenten Erdogan
Dass der Papst den türkischen Präsidenten am Montag empfangen wird, ist als Imagepflege Erdogans zu bewerten. Das sagt gegenüber Vatican News der Türkei-Experte Günter Seufert von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik.
Mario Galgano – Vatikanstadt
Zum Hintergrund: Es ist das erste Mal, dass der türkische Präsident Erdogan den Vatikan besuchen wird. Im November 2014 besuchte Franziskus die Türkei.
VN: In welchem politischen Kontext befindet sich die Türkei auf internationaler Ebene heute? Was sind die Brennpunkte dieses Landes?
Seufert: Ich kann mir vorstellen, dass der türkische Staatspräsident in den Vatikan kommt, um das Image der Türkei etwas aufzubessern. Es ist das Image eines Landes, das gerade im vergangenen Jahr 2017 in ganz Europa ganz gewaltigen Schaden genommen hat. Sie erinnern sich an die Wortgefechte der türkischen Regierung mit der deutschen Regierung. Wir wissen, dass die Niederlande immer noch keinen Botschafter in der Türkei haben. Es gibt grosse Verstimmung mit Österreich, wegen der Haltung Österreichs zur Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union und wir sehen in den letzten Wochen, seit Beginn des neuen Jahres, dass die türkische Regierung eine Charme-Offensive Richtung Europa gestartet hat, weil sie gesehen hat, dass die bisherige Politik langfristig dem Land sehr schweren Schaden zufügt, vor allen Dingen wirtschaftlicher Art.
VN: Und zum Besuch Erdogans beim Papst, gibt es dazu etwas, was sie für wichtig erachten?
Seufert: Ich denke, dass der Besuch wirklich in erster Linie darstellen soll, dass der türkische Präsident seine Beziehungen zu Europa verbessern will. Er will zeigen, dass er sich nach wie vor für die Gleichberechtigung von christlichen Minderheiten einsetzt und nach wie vor ein Mann des Dialogs ist und den interreligiösen Dialog unterstützt. Auch wenn davon in der Praxis nicht mehr viel übrig ist, denke ich, dass er an dieser Front seine Image aufbessern will. Dieser Besuch will vor allen Dingen eine Auswirkung auf Europa haben und weniger auf Israel oder andere Staaten des Nahen Ostens.
VN: Die Türkei hat mit ihren Nachbarländern ein schwieriges Verhältnis. Hinzu kommt die Frage der Kurden oder die Syrien-Frage. Wie sieht es in dieser Hinsicht aus?
Seufert: Die Türkei hat es geschafft, in den letzten Jahren – seit 2011/2012 – von dem, was man einem Modell des Nahen Osten und für die gesamte Region genannt hat, zu einem in der Region und in Europa sowie selbst in der transatlantischen Beziehung relativ isolierten Partner zu werden. 2012 hatte man gesagt, die Türkei sei das einzige produktive Land in der muslimischen Welt. Die Türkei habe es vermocht, den islamischen Glauben mit einer demokratischen und pro-europäischen Orientierung zu verbinden. Die Türkei hat damals im Nahen Osten als Brückenbauerin gewirkt. Sie hat zwischen Syrien und Israel beispielsweise vermittelt. Sie hat auf dem Balkan wie in Bosnien und Serbien vermittelt.
Aber von alledem ist heute nichts mehr übrig geblieben. Heute ist die Türkei im Nahen Osten allein und hat keine grossen Verbündeten mehr, ausser Qatar. Mit den Golfstaaten trennt sie der Konflikt über die Einordnung der Muslimbruderschaft. Das gilt auch für ihr Verhältnis zu Ägypten. In Syrien ist die Türkei auf Konfrontation mit dem syrischen Regime und natürlich mit dem Iran. In Syrien haben die USA eine ganz andere Strategie als die Türkei. Ankara tut sich schwer mit dem schiitisch-dominierten Bagdad. Daher hat die Türkei in der Region wenige Freunde. Gleichzeitig hat sie sich gründlich mit Europa verdorben. Der Beitrittsprozess zur Europäischen Union ist praktisch zum Stillstand gekommen. Es gibt dann noch eine ganze Reihe von Problemen der Türkei mit einigen Mitgliedstaaten der EU, vor allem mit jenen, die eine starke türkische Migration haben, wie Deutschland, Österreich, Belgien, die Niederlande und teilweise auch Frankreich.
VN: Der türkische Präsident hat ja in den vergangenen Wochen die Jerusalem-Frage immer wieder ins Spiel gebracht. Das schien eine Religionsfrage zu sein. Welche Rolle spielt denn die Religion in Erdogans Politik? Also da geht es um die Jerusalem-Frage und die Religionskarte.
Seufert: Ich weiss nicht, ob man da von einer Religionskarte sprechen würde. Sicher spielt die muslimische Identität der Türken eine grosse Rolle, dafür dass Erdogan sich als frommer Muslim darstellt und wahrscheinlich auch ist. Dazu spricht auch der grosse Rückhalt in der Bevölkerung. Ich denke, gerade in der Israel-Frage haben wir erlebt, dass fast alle Staaten mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung einen gemeinsamen Nenner gegen Israel und gegen die US-amerikanische Politik gefunden haben. Da hat zwar Erdogan als zurzeit Vorsitzender der Konferenz der islamischen Staaten eine Führungsrolle eingenommen, aber die Stellungnahmen aus der Türkei waren in dieser Frage nicht militanter oder radikaler als die von anderen islamischen Staatslenkern.
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