20. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1986
“Soziale Kommunikationsmittel und christliche Bildung der öffentlichen Meinung”
Rom, Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel
Liebe Brüder und Schwestern, die vor kurzem zum 20. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils abgehaltene ausserordentliche Bischofssynode wollte nicht nur in feierlicher Weise jenes Ereignisses gedenken, dass das Leben der Kirche in diesem Jahrhundert so tiefgreifend prägen sollte, sondern sie hat vor allem seinen Geist wieder lebendig werden lassen und seine Lehren und Entscheidungen in Erinnerung gebracht. Auf diese Weise ist die Synode eine Wiederbelebung und eine Wiederaufnahme des Zweiten Vatikanischen Konzils im Leben der Kirche gewesen.
Unter den von den Konzilsweisungen angeregten Initiativen verdient zweifellos die Einrichtung des “Welttages der Sozialen Kommunikationsmittel” besonders hervorgehoben zu werden, “um das vielgestaltige Apostolatswerk der Kirche auf dem Gebiet der Sozialen Kommunikationsmittel in allen Diözesen des Erdkreises wirksam zu kräftigen” (Inter mirifica, Nr. 18). Diese Entscheidung – die deutlich macht, welche grosse Bedeutung die Konzilsväter den Sozialen Kommunikationsmitteln beimassen – erscheint heute noch bedeutsamer, da die Massenmedien einen ständig wachsenden Einfluss verzeichnen.
Dem Wunsch des Zweiten Vatikanischen Konzils getreu, hat es die Kirche in diesen zwanzig Jahren nie versäumt, den “Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel” zu begehen und ihn jedes Mal unter ein besonderes Thema zu stellen. In diesem Jahr soll der “Welttag” der Betrachtung und Vertiefung des Beitrags gewidmet sein, den die Sozialen Kommunikationsmittel zur christlichen Bildung der öffentlichen Meinung leisten können.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Kirche mit diesem Thema beschäftigt. “Das Gespräch der Kirche – erinnerte 1971 die Pastoralinstruktion Communio et progressio – beschränkt sich nicht auf die Gläubigen, sondern bezieht die ganze Welt ein. Die Kirche muss ihre Lehre und ihr Wirken offenkundig machen: die Menschen, an deren Schicksal sie ja teilhat, haben ein Recht darauf, und sie selbst ist dazu durch ein klares göttliches Gebot verpflichtet (vgl. Mt 28,19)” (Nr. 122). Papst Paul Vl. fügte seinerseits in dem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi hinzu: “In unserer Zeit, die von den Massenmedien oder Sozialen Kommunikationsmitteln geprägt ist, kann bei der ersten Bekanntmachung mit dem Glauben, bei der katechetischen Unterweisung und bei der weiteren Vertiefung des Glaubens auf diese Mittel nicht verzichtet werden. In den Dienst des Evangeliums gestellt, vermögen diese Mittel den Bereich der Vernehmbarkeit des Wortes Gottes fast unbegrenzt auszuweiten; sie bringen die Frohbotschaft zu Millionen von Menschen. Die Kirche würde vor ihrem Herrn schuldig, wenn sie nicht diese machtvollen Mittel nützte, die der menschliche Verstand immer noch weiter vervollkommnet. Dank dieser Mittel verkündet die Kirche die ihr anvertraute Botschaft “von den Dächern”. In ihnen endet sie eine moderne, wirksame Form der Kanzel. Durch sie vermag sie zur Masse des Volkes zu sprechen (Nr. 45, in: Wort und Weisung, 1975, S. 567-568).
1. “Die öffentliche Meinung” beruht auf der gemeinsamen und kollektiven Art des Denkens und Fühlens einer mehr oder weniger umfangreichen sozialen Gruppe unter bestimmten geographischen und geschichtlich-zeitlichen Gegebenheiten. Sie zeigt an, was die Leute gemeinhin über ein Thema, ein Geschehen, ein Problem von einiger Bedeutung denken. Die öffentliche Meinung kommt dadurch zustande, dass viele Menschen das, was einzelne oder Gruppen von besonderem kulturellen, wissenschaftlichen oder moralischen Ansehen denken und sagen, sich zu eigen machen und es für wahr und richtig halten. Das weist auf die schwere Verantwortung derjenigen hin, die aufgrund ihrer Kultur oder ihres Ansehens die öffentliche Meinung gestalten oder in gewissem Masse auf ihre Formung Einfluss nehmen. Die Menschen haben in der Tat ein Recht, in Übereinstimmung mit dem, was wahr und richtig ist, zu denken und zu empfinden, denn von der Art des Denkens und Fühlens hängt das sittliche Handeln ab. Dieses wird rechtschaffen sein, wenn das Denken der Wahrheit entspricht.
In diesem Zusammenhang muss hervorgehoben werden, daß die öffentliche Meinung grossen Einfluss auf die Art des Denkens, Empfindens und Handelns aller jener Menschen hat, die – wegen ihres jugendlichen Alters oder aus Bildungsmangel – unfähig zu einem kritischen Urteil sind. So gibt es viele, die nach der öffentlichen Meinung denken und handeln, ohne sich ihrem Druck entziehen zu können. Ebenso ist hervorzuheben, dass die öffentliche Meinung starken Einfluss auf die Gestaltung der Gesetze nimmt. Es besteht in der Tat kein Zweifel daran, dass die Einführung ungerechter Gesetze in manchen Ländern, wie zum Beispiel das Gesetz über die Legalisierung der Abtreibung, dem von einer öffentlichen Meinung zugunsten dieses Gesetzes ausgeübten Druck zugeschrieben werden muss.
2. Daraus ergibt sich die Bedeutung der Bildung einer moralisch gesunden öffentlichen Meinung über die Probleme, die unmittelbar das Wohl der Menschheit in unserer Zeit betreffen. Zu diesen Gütern zählen wir die Werte des Lebens, der Familie, des Friedens, der Gerechtigkeit und der Solidarität der Völker untereinander.
Es muss unbedingt eine öffentliche Meinung gebildet werden, die feinfühlig ist für den absoluten Wert des menschlichen Lebens, damit es in allen Stadien, von der Empfängnis bis zum Tod, und in allen seinen Formen, auch in den von Krankheiten und von körperlichen und geistigen Behinderungen gezeichneten, als menschliches Leben anerkannt wird. Es verbreitet sich in der Tat eine materialistische und hedonistische Denkweise, wonach das Leben nur dann lebenswert sei, wenn es gesund, jung und schön ist.
Es muss eine rechte öffentliche Meinung in bezug auf die Familie gebildet werden, die helfen soll, manche Denk- und Gesinnungsformen zu überwinden, die nicht dem Plan Gottes entsprechen, der die Ehe als unauflöslich und fruchtbar festgelegt hat. Leider breitet sich eine öffentliche Meinung aus, die für das Zusammenleben unverheirateter Paare, für die Ehescheidung und für die drastische Beschränkung der Geburtenzahl mit allen Mitteln eintritt. Sie muss eine Korrektur erfahren, weil sie das wahre Wohl der Menschheit schädigt, denn je gesünder und je stärker geeint die Familie ist, um so glücklicher wird die Menschheit sein.
Sodann ist es unbedingt notwendig, eine immer stärkere öffentliche Meinung für den Frieden zu bilden und für alles, was ihn aufbaut und ihn erhält, wie die gegenseitige Achtung und Eintracht der Völker untereinander, die Ablehnung jeder Form von Rassendiskriminierung und überzogenem Nationalismus, die Anerkennung der Rechte und der berechtigten Bestrebungen der Völker, die Abrüstung: zuerst die geistige Abrüstung in den Herzen und dann die der Vernichtungswaffen, schliesslich das Bemühen um friedliche Beilegung von Konflikten. Es liegt auf der Hand, dass nur eine starke öffentliche Meinung zugunsten des Friedens diejenigen aufhalten kann, die versucht sein könnten, im Krieg den Weg zur Lösung von Spannungen und Konflikten zu sehen.
“Die Staatsmänner” – heisst es in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes – ” (…) sind sehr abhängig von der öffentlichen Meinung und Einstellung der Massen. Nichts nützt ihnen ihr Bemühen, Frieden zu stiften, wenn Gefühle der Feindschaft, Verachtung, Misstrauen, Rassenhass und ideologische Verhärtung die Menschen trennen und zu Gegnern machen. Darum sind vor allem eine neue Erziehung und ein neuer Geist in der öffentlichen Meinung dringend notwendig” (Nr. 82).
Schliesslich bedarf es dringend der Bildung einer starken öffentlichen Meinung für die Lösung der quälenden Probleme der sozialen Gerechtigkeit des Hungers und der Unterentwicklung. Das aber heisst, dass diese Probleme heute in ihrer erschreckenden Realität und in ihrem ganzen Ernst besser bekannt gemacht werden müssen, damit sich eine starke und umfassende öffentliche Meinung zu ihren Gunsten bilde, da nur unter deren kräftigem Druck die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen der reichen Länder sich dazu veranlasst sehen werden, den Entwicklungsländern zu helfen.
3. Besonders dringend ist die Bildung einer gesunden öffentlichen Meinung auf sittlichem und religiösem Gebiet. Um der Verbreitung einer Einstellung Einhalt zu gebieten, die die sittliche Permissivität und religiöse Gleichgültigkeit begünstigt, muss eine öffentliche Meinung gebildet werden, die die moralischen und religiösen Werte achtet und hochschätzt, da diese den Menschen im Vollsinn menschlich machen und dem Leben seinen voll Sinn geben: Die Gefahr des Nihilismus, also des Verlustes der im eigentlichsten Sinne menschlichen, sittlichen und religiösen Werte, liegt als ernste Bedrohung über der heutigen Menschheit.
Ferner muss eine korrekte öffentliche Meinung über Wesen, Sendung und Wirken der Kirche gebildet werden, die heute von vielen als eine rein menschliche Einrichtung angesehen wird und nicht als das, was sie tatsächlich ist: eine geheimnisvolle Wirklichkeit, die Gottes Liebe in der Geschichte verkörpert und den Menschen das Wort und die Gnade Christi bringt.
4. In der heutigen Welt sind die Mittel der Sozialen Kommunikation in ihrer Vielfalt und Verschiedenheit – Presse, Kino, Rundfunk, Fernsehen – die hauptsächlichen Gestalter der öffentlichen Meinung. Gross ist daher die moralische Verantwortung all derer, die sich dieser Mittel bedienen oder ihre Inspiratoren sind. Sie müssen in den Dienst des Menschen und damit der Wahrheit und des Guten, also der bedeutendsten und notwendigsten Werte des Menschen, gestellt werden. Jene, die beruflich auf dem Gebiet der Sozialen Kommunikation tätig sind, müssen sich daher verpflichtet fühlen, eine öffentliche Meinung zu bilden und zu verbreiten, die der Wahrheit und dem Guten entspricht.
Durch engagierten Einsatz auf diesem Gebiet müssen sich die Christen auszeichnen, wohl wissend, dass ihr Mitwirken bei der Bildung der öffentlichen Meinung zugunsten der Gerechtigkeit, des Friedens, der Brüderlichkeit, der religiösen und sittlichen Werte nicht wenig zur Verbreitung des Reiches Gottes beiträgt, das ein Reich der Gerechtigkeit, der Wahrheit und des Friedens ist. Sie können sich durch die christliche Botschaft, die das Gute und das Heil des Menschen zum Ziel hat, anregen lassen, ihren Brüdern behilflich zu sein bei der Bildung von Meinungen, die korrekt und richtig sind, weil sie mit dem Liebes- und Heilsplan für den Menschen übereinstimmen, den Gott in Jesus Christus geoffenbart und verwirklicht hat. Denn der christliche Glaube und die Lehre der Kirche sind eben deshalb, weil sie auf Christus, den Weg, die Wahrheit und das Leben, gegründet sind, für die Menschen auf ihrem Gang durch die Geschichte Licht und Kraft.
Ich schliesse diese Botschaft mit einem besonderen Segen für alle, die im christlichen Geist der Bereitschaft zum Dienst an der Wahrheit und zur Förderung der sittlichen und religiösen Werte auf dem Gebiet der Sozialen Kommunikation arbeiten. Ich versichere sie meines Gebetes und möchte sie bei dieser Arbeit anspornen, die Mut und Konsequenz erfordert und ein Dienst an der Wahrheit und an der Freiheit ist. Es ist ja die Wahrheit, die die Menschen frei macht (vgl. Joh 8,32). Wer für die Bildung einer öffentlichen Meinung arbeitet, die der Wahrheit entspricht, arbeitet also für eine zunehmende Freiheit.
Aus dem Vatikan, am 1986
IOANNES PAULUS II
Inter-Mirifica: Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel
Pastoralkonstruktion-Communio-et-progressio: Über die Instrumente der sozialen Kommunikation
Evangelii-nuntiandi: Apostolisches Schreiben Papst Paul VI.: Über die Evangelisierung in der Welt von heute
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