Lehrling ohne Meister

“Ach, da kommt der Meister! / Herr, die Not ist gross/ Die ich rief, die Geister, / Werd’ ich nicht mehr los.”

Von Stefan Rehder

Die Tagespost, 16. Oktober 2015

“Ach, da kommt der Meister! / Herr, die Not ist gross/ Die ich rief, die Geister, / Werd’ ich nicht mehr los.” Anders als in Goethes Ballade “Der Zauberlehrling” gibt es im realen Leben keinen Zaubermeister, der den bioethischen Sündenfall korrigieren könnte, mit dem der Mensch die Zeugung seinesgleichen ins Labor verlegte. Dazu ist nur einer in der Lage: Der Lehrling selbst.

Die Chancen, dass er zur Besinnung kommt, stehen schlecht. In weniger als vier Jahrzehnten ist um die künstliche Befruchtung herum eine gigantische Industrie entstanden. Deren Angebotspalette reicht heute von der Samen- und Eizellspende über das “Social Freezing”, dem Einfrieren von Eizellen ohne medizinische Indikation, bis zur Fahndung nach vererbbaren Krankheiten und der Geschlechtsselektion mittels Präimplantationsdiagnostik. Ihre perverse Krönung findet sie gegenwärtig in der Produktion sogenannter “Rettungskinder”, die als Zellspender für erkrankte Geschwister fungieren sollen, sowie in Arrangements von Leihmutterschaften, die vor allem bei Homosexuellen mit Kinderwunsch hoch im Kurs stehen. Marktforscher schätzen das Volumen für das globale Geschäft mit der Laborzeugung derzeit auf rund 9,3 Milliarden Dollar und prognostizieren einen Anstieg auf 21,6 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2020.

Auch wenn dieser Entwicklung kein politischer Masterplan zugrunde liegt und die Politik sich nicht einmal als treibende Kraft geriert, sind es letztlich doch Regierungen und Parlamente, die für den status quo verantwortlich zeichnen. Denn sie haben es nicht nur über Jahrzehnte sträflich versäumt, die entstehenden Märkte rechtlich zu regulieren und Wissenschaftler in die Schranken zu weisen. Mit den Steuergeldern ihrer Bürger haben sie auch so bedenkenlos wie bereitwillig jene Technologien gefördert, die den Offerten der Babymacher zugrunde liegen oder subventionieren sie – wie etwa Deutschland künstliche Befruchtungen – bis auf den heutigen Tag.

Dabei handelt es sich bei der sogenannten Kinderwunschbehandlung – wie schon der Name anzeigt – gar nicht um eine Heilbehandlung, sondern um die eines Wunsches. Wer sich einer künstlichen Befruchtung unterzieht, ist – selbst im seltenen Erfolgsfall – hinterher so unfruchtbar wie zuvor. Dass für die Behandlung eines Wunsches die Solidargemeinschaft der Krankenversicherten haften soll, leuchtet kaum ein. Dies umso weniger, je genauer man die Kundschaft der Reproduktionsmediziner unter die Lupe nimmt. Selbstverständlich gibt es immer auch noch vom Schicksal gebeutelte Paare, die daran zu zerbrechen drohen, dass ein oder gar beide Teile zeugungsunfähig sind. Doch überwiegen längst jene, die Kinder lange Zeit verhütet oder gar abgetrieben haben, weil sie zu ihren Karriereplänen oder Lebensabschnittsgefährten nicht zu passen schienen. Nun, da sie es scheinen, streikt die Biologie.

Dass ausgerechnet die sonst auf Eintracht mit der Natur so bedachten Grünen lesbischen Paaren nun mittels technisierter Zeugung zu Kindern verhelfen wollen (DT, 14.10.) zeigt, wie erschöpft ihr Wille zur kritischen Reflexion ist. Anders die Kirche. Wer ihre Lehre von der Einheit von Zeugungs- und Geschlechtsakt nicht verwirft, handelt sich keines der Probleme ein, die Staat und Gesellschaft mühsam zu meistern hätten.

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