Brauchen wir das christliche Erbe noch

Nein, befindet FDP-Generalsekretär Christian Lindner
der dieses Erbe für gestrig hält
Südkurier, 11.12.2010

Die FDP ist – abgesehen von der Linkspartei – jene Partei, die den Kirchen am fernsten steht. Ihr Programm wurzelt im Liberalismus des 19. Jahrhunderts, der die Freiheit des Einzelnen aufs Podest stellte und ihn aus den Bindungen an Kirche und Tradition lösen wollte. Die Vorstöße der Mit-Regierungspartei in diesem Jahr zielen alle in eine Richtung: Sie wollen die Kirchen auf private Vereinigungen stutzen und ihnen den Zugang zu staatlicher Förderung verwehren. Kirche ja, Kirchensteuer nein – so lautet die Marschroute. Nun dreht ein führender FDP-Mann das liberale Rad noch kräftig weiter: Christian Lindner, Generalsekretär der Bundespartei, wünscht sich die Abkehr vom christlich- jüdischen Menschenbild, das er für überholt und angestaubt hält.

Lindner ist kein Hinterbänkler. Er gilt als hoffnungsvoller Nachwuchs, als Vertreter der Generation, die eines Tages in die kleinen Schuhe von Guido Westerwelle steigt. Seine Sätze sind keine Einzeläußerung, sondern zielen auf die Zukunft der Gesellschaft und dessen, was sie im Innersten zusammenhält. Für Lindner ist das christliche Erbe nur Ballast – eine Antiquität, die für die Zukunft mehr beschwert als beflügelt. Wörtlich: „Es kommt nicht darauf an, woher jemand kommt, sondern darauf, wohin er will und dass er sich an unsere Regeln hält.“ Wirklich? Ist Herkunft so belanglos, wie der 31-Jährige meint? Nimmt man ihn beim Wort, dann kann man den Advent am besten gleich wegpacken. Maria und Josef? Nicht zukunftsfähig. Die Zehn Gebote? 3000 Jahre alt oder 4000 – nicht fortschrittskompatibel! Und der liebe Gott, der im Grundgesetz sehr zum Unwillen der FDP gleich im ersten Satz erwähnt wird? Ein Fall für den vorgezogenen Ruhestand, wenn man den Ideen des FDP-Jungsiegfried folgt.

Nur ist sein gedankliches Gebäude reichlich unfertig – eine imposante Fassade ohne überzeugende Statik. Die spannende Frage bleibt ja, was denn eine Gesellschaft zusammenhält, wenn man ihr das Korsett entzieht. Christian Lindner bringt die „republikanische Identität“ ins Spiel, die die jüdisch-christlichen Fundamente ersetzen soll. Also Grundgesetz, Demokratie und Menschenrechte. Ein Verfassungspatriotismus anstelle christlicher Gebote. Die Geschichte dieses Landes beginnt demnach erst nach 1945 – und nicht in den Hütten Abrahams und Bethlehems.

Schwächster Punkt des liberalen Philosophierens über Zukunftsrezepte: Über weite Strecken hinweg basiert das republikanische Denken auf dem christlichen Menschenbild. Manche Idee ist über Umwege auf biblischem Kompost gewachsen. Die Menschenwürde zum Beispiel, die jeder Mensch von Geburt besitzt, unabhängig von seinem sozialen oder sonstigen Status, gehört dazu. Sie ist jüdisch-christliches Erbe. Wer sie ersetzen will, müsste schon Besseres auf Lager haben als einen nebelhaften „Republikanismus“, den der FDP-General propagiert.

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