Neuer Papst, alter Brauch

Aschenkreuze auf dem Aventin

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Santa Sabina auf dem Aventin

Neuer Papst, alter Brauch: Wenn Papst Franziskus am Aschermittwoch die Bussprozession mit Stationsgottesdienst auf dem Aventin-Hügel begeht, reiht er sich in eine uralte Tradition ein. In Rom nämlich lebt seit der Spätantike der Usus fort, wonach der Bischof zum Zeichen der Einheit die Kirchen an festgesetzten Tagen der Fastenzeit besucht. Bis zum Sonntag nach Ostern ist jeweils eine andere “Stationskirche“ an der Reihe, die Gläubige am entsprechenden Tag zur Messe aufsuchen. Den ersten Stationsgottesdienst der Fastenzeit, jenen am Aschermittwoch, leitet der Bischof von Rom selbst.

Der Aventin ist der stillste der sieben Hügel Roms. Zwei grosse alte Orden sind dort ansässig, die Benediktiner und die Dominikaner, beide sind Gastgeber dieser besonderen Liturgie. Sie beginnt am späten Nachmittag in der Benediktinerkirche Sant’Anselmo und zieht in einer kurzen Prozession vorbei am Sitz des Malteser Ritterordens nach Santa Sabina, der frühchristlichen Basilika, der das Generalat der Dominikaner angeschlossen ist. Hunderte Mönche, Bischöfe und Laien intonieren gemeinsam mit dem Papst die Heiligenlitanei und rufen die Fürsprecher im Himmel um Beistand an. In ihrem Gesang durchdringen sich Geschichte und Gegenwart: Viele dieser Heiligen hatten ihre Wirkungsstätte – oder ihr gewaltsames Ende – in Rom. Die Prozession im winterlichen Abendlicht ist ein Bild für die pilgernde Kirche, die in der Fastenzeit aufbricht, sich zu reinigen und auf das österliche Heilsgeschehen vorzubereiten.

Das Aschenkreuz zum Zeichen der Umkehr und Busse empfängt bei der Messe in Santa Sabina als erstes der Papst; er muss sich zu dieser Geste niederbeugen. Danach streut er seinerseits Asche über die Häupter der Kardinäle, Asche aus verbrannten Olivenzweigen, mit denen die Gläubigen am Palmsonntag des Vorjahres symbolisch den Einzug Jesu in Jerusalem begrüssten. Die verstreute Asche markiert so manchen Kardinalspurpur mit deutlichen grauen Spuren: das Nebeneinander von Prunk und Vergänglichkeit wird bei keiner anderen Zeichenhandlung der Liturgie so deutlich wie am Aschermittwoch. Bedenke Mensch, du bist aus Staub.

Der Stationsgottesdienst war unter den Päpsten im 18. Jahrhundert aus der Mode gekommen. 200 Jahre später fuhr Johannes XXIII. am Aschermittwoch 1959 überraschend nach Santa Sabina, um die alte Tradition wieder aufzunehmen, und seither begehen die Päpste den Beginn der Fastenzeit auf dem Aventin, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Johannes Paul II. musste sich in den letzten Jahren seines Pontifikates wegen seiner Gebrechlichkeit bei der Prozession vertreten lassen. Die Aschermittwochs-Station 2013 für Papst Benedikt hingegen wurde in den Petersdom verlegt, da es seine letzte öffentliche Messe, seine letzte Predigt war und Abertausende sich von diesem Papst gleichsam liturgisch zu verabschieden wünschten. Franziskus nun ist der römische Bischof mit dem am weitesten von Rom entfernten Geburtsort. Vielleicht gerade deshalb setzt er setzt die antike Tradition auf dem Aventin ohne zu zögern fort.

rv 17.02.2015 gs

Dieser Text von Gudrun Sailer erschien zuerst in der Februar-Ausgabe 2015 der Zeitschrift „Gemeinsam Glauben“ im Verlag Herder.

 

 

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