Die Darstellung im Tempel (Lk 2, 22ff)

Betrachtungen zum Fest der Darstellung des Herrn

Quelle

Als die vom Gesetz vorgeschriebenen Tage der Reinigung zu Ende sind, bringen Maria und Josef das Kind nach Jerusalem in den Tempel. In der Stadt lebt ein Mann namens Simeon. Er ist gerecht und fromm. Tag für Tag wartet er auf den von den Propheten versprochenen Erlöser Israels. Vom Heiligen Geist war ihm geweissagt worden, dass er nicht sterben würde, bevor er diesen Erlöser gesehen habe.

Irgendetwas lässt Simeon an diesem Tag keine Ruhe und so geht er in den Tempel. Als die Eltern das Kind Jesus hereinbringen, nimmt er es auf seine Arme und lobt Gott.

“Nun, o Gott, haben meine Augen dein Heil gesehen: ein Licht zur Erleuchtung der Heiden.“ Maria und Josef staunen über das, was Simeon über Jesus sagt. Simeon segnet die beiden und spricht zu Maria: “Viele werden einmal gegen ihn sein, anderen wird er Stütze und Anker des Lebens sein.“ Für Maria sagt Simeon voraus: “Dir selbst wird ein Schwert des Schmerzes durch die Seele dringen.“, denn er kann Jesu Schicksal schon voraussehen.

Die Sprache der Ikonen

Typisch für die koptisch-orthodoxe Ikonenkunst ist ihr Fokus: Es geht nicht in erster Linie um die genaue Darstellung der äusseren Identität einer Person, sondern ihrer Seele. Im Bild offenbart sich diese dem Betrachter. Kennzeichen der koptischen Tradition sind die frontale Ansicht des Dargestellten, ein grosser Kopf und grosse Augen, die die innere Vision der Person symbolisieren. Bei Jesus stehen sie auch für eine grosse Wachsamkeit dem Menschen gegenüber. Jede Ikone ist eine spirituelle Vision des Künstlers, die den Betrachter einlädt in diese Welt. Sie ist bildliche Darstellung oder Interpretation der unsichtbaren Natur Gottes. Dabei sind die Regeln der Ikonenkunst wie die Grammatik einer Sprache.

Ikonen werden vom Dunkeln ins Helle geschrieben. Dies steht für den Prozess der Erleuchtung, den die ganze Schöpfung durch Christus erlebt. Typisch ist auch, dass Jesus darauf nie kindliche Gesichtszüge hat.

Sehr lange Bärte stehen für die Bescheidenheit und Bedürfnislosigkeit von Eremiten. Simeons braunes Gewand weist ausserdem auf Askese, seine Absage an die Welt. Rotviolett ist sein Obergewand, Zeichen der erlangten Selbstlosigkeit.

Der Künstler Joseph Khalil

Joseph Khalil, der Künstler dieses Bildes, schreibt seine Ikonen in der Tradition von Isaac Fanous, der Mitte des letzten Jahrhunderts die neo-koptische Schule für Ikonografie in Ägypten begründete. Sie ist bekannt für ihren schlichten und klaren Stil, mit dem die ursprüngliche koptische Tradition fortgeführt und gleichzeitig modernisiert wird. Auch Fanous ging es um Idealismus statt Naturalismus.

Joseph Khalil wurde 1980 in Mina geboren und studierte dort Kunst. Heute arbeitet er als Lehrer. Den Anstoss zum Malen von Ikonen gab ihm Bischof Antonios Aziz Mina, der koptisch-katholische Bischof der Diözese Gizeh.  Die Ikonen seines Neffen, zu denen auch das Motiv “Darstellung im Tempel“ gehört, hängen in der Kapelle des Bischofshauses in der “Stadt des 6. Oktober”, einer Satellitenstadt von Kairo.

Zum Fest der Darstellung des Herrn

In der Ruhe des frühen Morgens,
in der Stille der Nacht,
da wir ganz hellhörig sind,
wach und empfindsam
für die Schöpfung
für die Welt und ihre Menschen,
in Stunden der Kontemplation,
wenn wir ganz da sind für Gott,
in Zeiten
da wir uns ganz einsetzen,
tiefes Leid und Schmerz
erfahren,
wenn die Anforderungen
des Lebens
unsere eigenen Kräfte
übersteigen,
dann vollzieht sich unsere
Hingabe
immer wieder von neuem,
wenn wir
in der Stille unseres Herzens
ganz leise
mit einem immer neuen “ja”
unserem Gott antworten.

aus Afrika

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