St. Paul zu Reilhac
Um die Gegenwart und Zukunft verstehen zu können, muss man die Geschichte kennen

Um die Gegenwart und Zukunft verstehen zu können, muss man die Geschichte kennen
Lothar C. Rilinger
St-Paul (Reilhac) – Wikipedia
Solms (Adelsgeschlecht) – Wikipedia
Die Geschichte der Familie – Château de La Rochefoucauld
François de La Rochefoucauld (Kardinal) – Wikipedia
16. November 2025
Der folgende Beitrag ist der letzte von drei Teilen über St. Paul zu Reilhac in der nördlichen Dordogne in Frankreich. Die ersten beiden Teile können Sie Hier und Hier lesen.
Später trafen wir in Reilhac Roselyne de Vergnette und ihren Mann in ihrem uralten Chateau zu einem nachmittäglichen peau, um mehr über die kleine Kirche und über deren Renovierung zu erfahren. Reilhac liegt nicht an den Hauptverkehrswegen, so dass der Ort mit der Zeit entvölkert worden ist. Inzwischen leben nur noch zwanzig Personen dort – zu wenige, um eine Pfarrstelle einrichten zu können. Dadurch verlor auch die politische Gemeinde als Eigentümerin des Gebäudes das Interesse und kümmerte sich nicht mehr um dieses Kleinod romanischer Baukunst. Als die Schwester von Madame de Vergnette 2009 ihren sechzigsten Geburtstag beging, wurde zu ihren Ehren die letzte Messe zelebriert, danach nicht mehr, und der Staub, Schmutz und die Hinterlassenschaften der Tauben eroberten die Kirche. “Wenn nicht jedes Jahr eine Messe gefeiert wird, hätte die politische Gemeinde die Möglichkeit gehabt, den Antrag auf Entweihung zu stellen.”
Doch die Bürgermeister wollten diesen Schritt nicht gehen, sie haben darauf verzichtet, um später doch wieder Messen feiern lassen zu können. Ein Rest von Religiosität haben sie sich in diesem Kernland des Atheismus und Laizismus bewahrt, um die Kirche vor dem Verfall zu bewahren.
Die Kirche gehörte nie zum Chateau. Sie wurde vielmehr vom Templer-Orden errichtet, gleichzeitig wurde das Chateau gebaut, das als Commanderie diente. Nachdem dieser Orden aufgehoben worden war, wurde die Kirche dem Malteser-Orden als Eigentümer übertragen. Aus den Urkunden ist ersichtlich, dass die Malteser die Kirche letztmalig im Jahr 1785 visitiert hätten. Sie wollten nicht nur überprüfen, ob die Kirche gut erhalten ist, ob nichts fehlt, sondern sie hätten auch die Bewohner gefragt, ob der Priester moralisch korrekt gelebt habe. Im Zuge der Revolution wurde die Kirche konfisziert. Sie ging in das Eigentum der politischen Gemeinde über, wie der gesamte französische Kirchenbesitz – selbstverständlich entschädigungslos.
Das Chateau wurde schon im 16. Jahrhundert verkauft. 1922 hat der Großvater der Vorsitzenden des Fördervereins, Graf Solms, dessen Familie während der Revolution von Mainz nach Frankreich ausgewandert war, da er die Demokratie unterstützen wollte, das Chateau erworben.
Fast jeden Tag hat deshalb Madame de Vergnette in ihrer Kindheit und Jugend die kleine Kirche gesehen, oft ist sie in diese gegangen, um Zwiesprache mit dem Herrn zu führen. “Sie ist eine sehr schöne Kirche, vollständig romanisch. Ich fühle mich dort immer heimisch.” Auch nachdem die Kirche dem Vergessen anheimgefallen war, hat sie immer wieder Besucher diesen heiligen Ort gezeigt. Viele hätten die Kirche aufgesucht, viele, die dem Glauben indifferent gegenübergestanden hätten, und doch: Alle waren von dem Geist ergriffen, der in der Kirche herrscht. “Im Gegensatz zur gotischen Kirche, fühlt man sich in einer romanischen Kirche Gott näher.”
Der Vater von Roselyn de Vergnette und auch Graf de la Rochefoucault, dessen Tochter ebenfalls sehr engagiert für den Erhalt der Kirche kämpft, gründeten einen Förderverein, um die Kirche dem Dornröschenschlaf zu entreißen. Mit einem großen Einsatz konnten nicht nur weitere Mitglieder gewonnen werden, sondern auch Geldgeber, sodass es dem Verein, zusammen mit der Eigentümerin, gelungen ist, nicht nur die Bausubstanz zu erhalten, sondern das Gebäude auch wieder so herzurichten, dass Messen zelebriert werden können. Sogar Handwerker, die die Kirche Notre Dame de Paris wiederaufgebaut hatten, haben sich bereiterklärt, die Renovierung auf der Grundlage der alten Handwerkskunst vorzunehmen. Zum vorläufigen Abschluss der Renovierungsarbeiten ist auch der Bischof von Périgieux, Monseigneur Philippe Mousset, gekommen, um die Bedeutung dieses Momentes zu unterstreichen. “Das letzte Mal hat vor vielen Jahrhunderten in Reilhac ein Bischof die Messe gefeiert”, wie Roselyne de Vergnette mit doch ein wenig Stolz in der Stimme auf ihr Engagement zurückblicken ließ. Man weiß nicht wann, aber wahrscheinlich war zur Zeit der Kreuzzüge ein Bischof nach Reilhac gereist, da sich dort die Tempelritter sammelten, um zu Kreuzzügen ins Heilige Land aufzubrechen.
Als wir nach unserem Gespräch durch den weitläufigen Park gingen, verwies Madame de Vergnette, die noch in Rambouillet eine große Schule leitet, doch nach ihrer Pensionierung wieder vollständig in Reilhac leben möchte, auf die Motivation ihres Engagements: “Um die Gegenwart und Zukunft verstehen zu können, muss man die Geschichte kennen.” Und damit sprach sie mir aus der Seele.
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