Sechs Monate mit Leo XIV.
Sechs Monate mit Leo XIV.: Zeichen des Friedens für eine von Hass verwundete Welt
Es gibt einen roten Faden, der das Lehramt des neuen Papstes durchzieht, der ein Modell christlicher Gemeinschaft vorgeschlagen hat, in dem man Gemeinschaft lebt – missionarisch und deshalb fähig, allen zu dienen, angefangen bei den Letzten –, engagiert im Fördern von Dialog und Frieden. Eine Kirche, die sich nicht an die Mächtigen “anlehnt” und die Mission nicht mit religiösem Marketing verwechselt, sondern die weiß, Sauerteig zu sein, weil sie das Licht eines Anderen reflektiert.
Andrea Tornielli (Chefredakteur) – Vatikanstadt
Seit jenem Nachmittag des 8. Mai sind sechs Monate vergangen, als der neue Bischof von Rom, erster US-Papst und Augustiner, von der Zentralloggia des Petersdomes erschien. Es gibt einen roten Faden, der sein Lehramt durchzieht, und dieser ist der einer Kirche als Zeichen von Einheit und Gemeinschaft, die zu Gärung für eine versöhnte Welt werden soll angesichts von Kriegen, Hass und Gewalt. Es lohnt sich, einige Meilensteine dieses Lehramts nachzuzeichnen, die zeigen, wie die Verkündigung des Wesentlichen des Glaubens niemals losgelöst ist von der Zeugnisgabe der Nächstenliebe, vom konkreten Einsatz für die Letzten und vom Bau einer gerechteren Gesellschaft. Schon in seinen ersten Worten, ausgesprochen im Gruß unmittelbar nach der Wahl: “Friede sei mit euch allen! (…) Das ist der Friede des auferstandenen Christus, ein entwaffneter und entwaffnender Friede, demütig und beharrlich. Er kommt von Gott, Gott, der uns alle bedingungslos liebt. (…) Wir müssen gemeinsam suchen, wie wir eine missionarische Kirche sein können, eine Kirche, die Brücken baut, den Dialog, immer offen aufzunehmen.”
In der Predigt der Messe zur Eröffnung des Pontifikats am 18. Mai 2025 sagte er: “eine Kirche … vereint, Zeichen der Einheit und der Gemeinschaft, die zu Gärung für eine versöhnte Welt wird. In unserer Zeit sehen wir noch zu viel Zwietracht, zu viele Wunden verursacht durch Hass, Gewalt, Vorurteile, Angst vor dem Anderen, durch ein wirtschaftliches Paradigma, das die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt. Und wir wollen, in diesem Teig, ein kleiner Sauerteig der Einheit, der Gemeinschaft, der Geschwisterlichkeit sein.”
Im Herzen der Mission: Verschwinden, damit Christus bleibt
Am Tag nach der Wahl, bei der ersten Feier mit den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle, rief Leo XIV. auf zu einem “unverzichtbaren Engagement für jeden, der Autorität im Dienst der Kirche ausübt: verschwinden, damit Christus bleibt, sich klein machen, damit Er erkannt und verherrlicht werde, sich ganz einsetzen, damit niemand die Gelegenheit versäume, Ihn kennenzulernen und zu lieben.” In der Predigt vom 18. Mai sprach der Papst von “Liebe und Einheit” als die beiden Dimensionen, die Jesus Petrus anvertraut hat, und erklärte, dass diese Aufgabe nur möglich sei, weil Petrus “in seinem Leben die unendliche und bedingungslose Liebe Gottes erfahren hat, selbst in der Stunde des Versagens und der Verleugnung”. Denn, wie er zu den Jugendlichen sagte, die sich am Abend des 2. August in Tor Vergata versammelten: “Am Ursprung von uns selbst stand keine unsere Entscheidung, sondern eine Liebe, die uns gewollt hat.” Diese Liebe geht uns voraus, wie der Papst in der Katechese bei der Audienz am Mittwoch, dem 20. August erklärte, im Gespräch über Judas, der bei der Letzten Abendmahl Jesus das Brot reicht: “Jesus setzt seine Liebe fort und bis zum Ende (…) Denn er weiß, dass die wahre Vergebung nicht auf die Reue wartet, sondern sich zuerst schenkt, als ein freies Geschenk, noch ehe sie angenommen wird.”
Die Mission der Kirche ist, diese Liebe zu bezeugen. Um dies zu tun, erklärte Leo XIV. am 7. Juni 2025 während der Pfingstwache: “Es bedarf keiner mächtigen Unterstützer, keine weltlichen Kompromisse, keine emotionalen Strategien. Evangelisierung ist Werk Gottes und, wenn sie manchmal durch unsere Personen hindurchgeht, dann wegen der Bindungen, die möglich macht.” Der Kirche brauche es keine Marketing-Strategien, denn Evangelisierung ist in der Tat Gott, der wirkt. Grundlegend für die Mission sei Einheit in der Vielfalt, also gelebte Gemeinschaft. Es sei ein Glaube, wie er am Sonntag, dem 5. Oktober 2025 beim Jubiläum der Weltmission verkündete, der “sich nicht mit den Mitteln der Macht und auf außerordentliche Weise aufzwingt (…) Es ist eine Errettung, die sich realisiert, wenn wir uns persönlich einsetzen und uns kümmern, mit der Mitgefühl des Evangeliums, um das Leid unseres Nächsten”. Es sei ein Glaube, der andere nicht richte, der uns nicht glaubt “perfekt” zu sein mache, auch weil, wie er beim Angelus am Sonntag, dem 24. August erklärte, Jesus “die Sicherheit der Gläubigen” herausfordere: “Er nämlich sagt uns, dass es nicht genügt, den Glauben mit Worten zu bekennen, mit Ihm Mahl zu halten und das Evangelium gut zu kennen. Unser Glaube ist authentisch, wenn er unser ganzes Leben umarmt, wenn er zu einem Kriterium für unsere Entscheidungen wird, wenn er uns zu Frauen und Männern macht, die sich im Guten einsetzen und im Liebe riskieren, so wie es Jesus getan hat.”
Frieden bezeugen
Nachdem er dies schon in jenem ersten Gruß am Tag der Wahl getan hatte, sprach Leo XIV. sehr oft vom Frieden und lud die Christen ein, ihn konkret zu bezeugen: “Gewaltlosigkeit als Methode und als Stil muss unsere Entscheidungen, unsere Beziehungen, unsere Handlungen kennzeichnen”, sagte er am 30. Mai zu Bewegungen und Verbänden der “Arena des Friedens”. Zugleich erhob der Nachfolger Petri mehrfach seine Stimme gegen die Aufrüstung, wie er es am Ende der Audienz am 18. Juni tat: “Wir dürfen uns nicht an den Krieg gewöhnen! Im Gegenteil, man muss den Reiz der mächtigen und hochentwickelten Waffen als Versuchung zurückweisen.” Am 26. Juni empfing Leo XIV. die Teilnehmenden der ROACO, der Versammlung der Werke zur Hilfe für die osteuropäischen Kirchen, und sagte: “Wie kann man glauben, nach Jahrhunderten Geschichte, dass kriegerische Handlungen Frieden bringen und nicht gegen jene zurückschlagen, die sie geführt haben? (…) Wie kann man die Friedenssehnsucht der Völker weiter verraten durch falsche Propaganda der Aufrüstung, in der vergeblichen Illusion, dass Überlegenheit die Probleme löst anstatt Hass und Rache zu nähren? Die Menschen werden zunehmend weniger unwissend über die Menge an Geld, die in die Taschen der Händler des Todes fließt und mit denen man Krankenhäuser und Schulen bauen könnte; stattdessen werden jene zerstört, die bereits errichtet sind!”
Der Frieden-Aufruf des Bischofs von Rom betrifft sowohl die Regierungsverantwortlichen der Nationen, damit sie den Reichtum nicht “gegen den Menschen wandeln, ihn in Waffen verwandeln, die die Völker zerstören, und in Monopole, die die Arbeiter erniedrigen” (Predigt vom Sonntag, dem 21. September in der Kirche Sankt Anna im Vatikan), als auch jeden Einzelnen von uns, denn der Aufruf Jesu lautet, die Hand zu entwaffnen – aber zuerst und vor allem das Herz. Wie Leo XIV. am Ende der Marien-Wache für den Frieden am Samstag, dem 11. Oktober 2025 erklärte: “‘Steck dein Schwert weg’ ist ein Wort, das sich an die Mächtigen der Welt richtet, an jene, die über das Schicksal der Völker bestimmen: habt den Mut zur Entwaffnung! Und zugleich richtet es sich an jeden von uns, damit wir uns immer mehr bewusst werden, dass wir für keine Idee, keinen Glauben, keine Politik töten dürfen. Was vor allem entwaffnet werden muss, ist das Herz, denn wenn in uns kein Frieden ist, werden wir keinen Frieden geben.”
Die Liebe zu den Armen
In seiner ersten apostolischen Ermahnung, veröffentlicht am 9. Oktober, erklärte Papst Leo, dass wir, wenn wir denen helfen, die leiden, “uns nicht im Horizont der Wohltätigkeit befinden, sondern der Offenbarung: der Kontakt mit denen, die keine Macht und Größe haben, ist eine grundlegende Art der Begegnung mit dem Herrn der Geschichte”. Die Liebe zu den Armen sei kein “optionaler Weg”, sondern stelle das “Kriterium des wahren Kultes” dar. Beim Treffen mit den Apostolischen Nuntien am 10. Juni 2025 sagte der Papst zu ihnen: “Ich zähle auf euch, damit in den Ländern, in denen ihr lebt, alle wissen, dass die Kirche stets bereit ist zu allem aus Liebe, dass sie stets an der Seite der Letzten und der Armen steht.” Und am 13. Juli von Castel Gandolfo forderte er auf, im Beispiel des Guten Samariters nicht “vorüberzugehen”, sondern uns “das Herz durchbohren” zu lassen von “allen, die im Bösen, im Leiden und in der Armut versinken”, von “so vielen Völkern, die beraubt, geplündert und ausgebeutet sind, Opfer unterdrückender politischer Systeme, einer Wirtschaft, die sie zur Armut zwingt, eines Krieges, der ihre Träume und ihr Leben tötet”. Beim Jubiläum der Gerechtigkeitsarbeiter am 20. September lud der Papst ein, den Blick nicht abzuwenden von der “Realität vieler Länder und Völker, die Hunger und Durst nach Gerechtigkeit haben, weil ihre Lebensbedingungen so ungerecht und unmenschlich sind, dass sie inakzeptabel sind”, und erinnerte daran, dass “der Staat, in dem es keine Gerechtigkeit gibt, kein Staat ist”. Am 23. Oktober 2025 sagte der Nachfolger Petri beim Treffen mit den Volksbewegungen, dass “Ausgrenzung das neue Gesicht der sozialen Ungerechtigkeit ist. Der Abstand zwischen einer ‘kleinen Minderheit’ – 1 Prozent der Bevölkerung – und der großen Mehrheit hat sich dramatisch vergrößert. (…) Als Bischof in Peru freue ich mich, eine Kirche erfahren zu haben, die die Menschen in ihren Schmerzen, in ihren Freuden, in ihren Kämpfen und Hoffnungen begleitet.”
Die Migranten – unsere Geschwister
Leo XIV. sprach in seiner Predigt zum Jubiläum der Weltmission und der Migranten, am Sonntag, dem 5. Oktober, von der “Geschichte so vieler unserer Brüder, der Migranten”, die “nicht die Kälte der Gleichgültigkeit oder das Stigma der Diskriminierung finden dürfen!” Und in der Ansprache an die Volksbewegungen am 23. Oktober sprach er über das Thema Sicherheit: “Mit dem Missbrauch der verwundbaren Migranten erleben wir nicht die rechtmäßige Ausübung nationaler Souveränität, sondern vielmehr schwere Verbrechen, die vom Staat begangen oder toleriert werden. Es werden zunehmend unmenschlichere Maßnahmen – politisch sogar gefeiert – ergriffen, um diese ‘unerwünschten’ so zu behandeln, als wären sie Müll und keine Menschen. Der Christentum hingegen bezieht sich auf den Gott der Liebe, der uns alle Brüder werden lässt und von uns verlangt, als Brüder und Schwestern zu leben.”
vatican news – mg, 8. November 2025
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