Sozialstaat und Reichensteuer
Die katholische Soziallehre sieht Privateigentum als sozialpflichtig . Eine Sondersteuer für Reiche lehnt sie jedoch ab
Sozialstaat und Reichensteuer | Die Tagespost
Rerum novarum
Über die perfekte Übergabe | Die Tagespost
Peter Schallenberg
21.09.2025
Peter Schallenberg
Spricht eigentlich irgendetwas für die Einführung einer “Reichensteuer”? Ist die Steuerschraube überhaupt ein sinnvolles Instrument zur Finanzierung des modernen Sozialstaates? Die Katholische Soziallehre in ihrer Einstellung zu ungleicher Verteilung von Eigentum und zu Besteuerung beruht wesentlich auf zwei Grundpfeilern: erstens auf der Beurteilung des Thomas von Aquin zu Privateigentum.
Zwar, so sagt er, wird es natürlich in der Ewigkeit bei Gott kein Privateigentum mehr geben, und daher wäre es eigentlich und idealerweise auch auf Erden nicht nötig (wie das gute Vorbild der Mönchs- und Bettelorden ohne Privateigentum zeigt), aber: Privateigentum dient zwei Zwecken, nämlich erstens der individuellen Entfaltung höchst unterschiedlicher individueller Persönlichkeiten, und zweitens der besseren Verwaltung der gemeinsamen Güter, da die heilsame Fiktion des Privateigentums (die ja spätestens im Tod endet) die besitzende Person zu besserer und sorgfältigerer Verwaltung des eigentlich allen gehörenden Eigentums motiviert und anspornt, als wenn, wie im Kommunismus, alles allen gehört (und damit de facto niemandem und vor sich hin gammelt wie öffentliche Stadtparks im Unterschied zu privaten Gärten).
Vollkommene Gleichheit weder auf Erden noch im Himmel
Erstens nimmt Thomas von Aquin (anders als die radikalen politischen Bewegungen von Waldensern bis zu Kommunisten) eine Ungleichheit der Lebensverhältnisse bis zu einem gewissen Grad hin. Ja, es ist sogar so: vollkommene mathematische Gleichheit gibt es weder auf Erden noch im Himmel, da jeder ein Individuum ist, und eine Vinzentinerin anders Gott schauen wird als ein deutscher Hochschulprofessor. Nur wird es eben (anders als bei Kain) keinen Neid mehr geben.
Und zweitens ist natürlich die moderne Frage einer Erbschaftsteuer bei Thomas von Aquin noch gar nicht im Blick; diese Frage einer gerechten und nicht zu minimalen Erbschaftsteuer steht aber notwendig auf der Agenda der modernen katholischen Sozialethik, und zwar schon wegen der notwendigen Chancengerechtigkeit für einen jeden neugeborenen Menschen.
Zweiter Grundpfeiler ist die Lehre der Sozialenzyklika “Rerum novarum” von Papst Leo XIII. aus dem Jahr 1891 (und aller folgenden Sozialenzykliken) zur Eigentumsfrage: Privateigentum ist immer sozialpflichtig zugunsten allgemeiner Aufgaben, etwa für Bildung, Gesundheit und Infrastruktur, und daher natürlich zu besteuern.
Aus Sicht der katholischen Soziallehre ist daher eine sogenannte “Reichensteuer” abzulehnen.
Schon der Name bedient abzulehnende Ressentiments wie Neid und Eifersucht, diese sind aber ganz im Gegenteil zu kanalisieren und einzusetzen als Motor und Antrieb zu immer besseren Investitionen und zu Produktivität, denn davon – von Investitionen und nicht zuerst vom Konsum – lebt der Sozialstaat und erst dies ermöglicht ihm Besteuerung.
Etwas brutal, aber anschaulich: Die Kuh, die zugunsten allgemeiner Aufgaben gemolken werden soll, darf nicht allmählich geschlachtet, sondern muss im Gegenteil sorgfältig gepflegt werden. Nur eine Erhöhung unternehmerischer Produktivität generiert genügend Steuern für notwendige Staatsaufgaben.
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