Charlie Kirk, der Entmenschlichte
Charlie Kirk war ein Medienphänomen, dessen harter, aber respektvoller Umgang mit Andersdenkenden Millionen Menschen in den Bann zog
17.09.2025
Charlie Kirk war eine Identifikationsfigur der konservativen Rechten und ein Phänomen. Nichts vermag dies besser zu illustrieren als die Gedenkfeier, die an diesem Sonntag im “State Farm Stadium” in Glendale im US-Bundesstaat Arizona stattfinden wird. Wenn die Trauerfeier um 11 Uhr Ortszeit beginnt, wird in dem Stadium, in dem bereits dreimal der Super Bowl ausgetragen wurde, jeder der 63 000 Sitzplätze belegt sein. Damit nicht genug: Mit US-Präsident Donald Trump, Vizepräsident J.D. Vance und US-Außenminister Marco Rubio haben zudem die drei mächtigsten Männer der Vereinigten Staaten ihre Teilnahme angekündigt.
Auf den Social-Media-Kanälen, die der Gründer und Geschäftsführer von “Turning Point USA” (dt.: “Wendepunkt Amerika”) mit der Hilfe seiner Gefolgsleute bewirtschaftete (Turning Point USA beschäftigt 450 Vollzeitmitarbeiter), folgten dem 31-Jährigen, der am Mittwoch vergangener Woche während einer Veranstaltung auf dem Campus der Universität von Utah Valley durch einen gezielten Schuss in den Hals ermordet worden war, Millionen Menschen. Seit dem Attentat sind weitere Millionen hinzugekommen. Kirks Instagram-Account zählt mittlerweile mehr als 12 Millionen Follower. Auf “Facebook/Meta” sind es 8,6, auf “X” (Charlie Kirk) 5,9 Millionen. Seine “Charlie Kirk Show” verfügt auf “YouTube” über 4,78 Millionen Abonnenten, auf “TikTok” sind es 9,3 Millionen.
Charlie Kirk vertrat auch Positionen, die man als Christ nicht teilen muss
Besonders beliebt war sein Format “Prove me wrong” (dt.: “Beweise mir das Gegenteil”), mit dem er sich der Diskussion mit Andersdenkenden stellte. Wer sich die Videos in Ruhe anschaut, stellt schnell fest: Charlie Kirk vertrat durchaus Positionen, die man auch als Christ nicht teilen muss. So befürwortete er etwa die Todesstrafe und den privaten Schusswaffenbesitz. Er vertrat wirtschaftsliberale Positionen, die über das hinausgehen, was hierzulande unter dem Begriff “soziale Marktwirtschaft” gefasst würde. Er bestritt, dass der Klimawandel auch menschengemacht sei, und plädierte für die ungebremste Förderung fossiler Brennstoffe. Er war ein Unterstützer und enger Vertrauter von US-Präsident Donald Trump, der an den Universitäten, die er mit seinem Format “Prove me wrong” besuchte, rote Baseball-Caps mit dem Schriftzug “Make America great again” kostenlos an die Studenten verteilte.
Vor allem aber trat er für das Recht eines jeden Menschen auf Leben ein und verurteilte vorgeburtliche Kindstötung nachdrücklich, auch nach Vergewaltigung. Er forderte, dass Mütter die Möglichkeit haben müssten, zu Hause zu bleiben und ihre Kinder großzuziehen. Er wandte sich gegen den “Wokismus”, den er als moderne Form des Kulturmarxismus begriff, der auf die Vernichtung traditioneller Werte wie Familie, Religion und nationale Identität ziele.
Dass der charismatische evangelikale Christ, der sich selbst wie sein Gegenüber als Sünder verstand, auch ein intellektueller Kulturkämpfer war, steht genauso außer Frage wie das, was Charlie Kirk alles nicht war. Nämlich “homophob“, “Nazi”, “Faschist”, “Rassist” und “Sexist” – alles Zuschreibungen, mit denen Kirk von Linken tatsächlich “gelabelt”, “dämonisiert” und als Unmensch dargestellt wurde.
Seine Videos zeigen nur Ausschnitte der Wirklichkeit, nicht die ganze
Niemand hat das bisher besser in Worte gehoben als Großbritanniens ehemaliger Premierminister Boris Johnson, der auf “X” schrieb: “Der Mord an Charlie Kirk ist eine Tragödie und ein Zeichen der völligen Verzweiflung und Feigheit derer, die ihn in der Diskussion nicht besiegen konnten. Charlie Kirk wurde nicht wegen seiner extremistischen Ansichten getötet – denn solche hatte er nicht. Er wurde getötet, weil er Dinge gesagt hat, die früher einfach zum gesunden Menschenverstand gehörten. Er wurde getötet, weil er den Mut hatte, sich öffentlich für vernünftige Meinungen einzusetzen, die von Millionen und Abermillionen gewöhnlicher Menschen sowohl in den USA als auch in Großbritannien geteilt werden. Die Welt hat einen neuen leuchtenden Märtyrer der Meinungsfreiheit.”
Überhaupt: Ist es vorstellbar, dass sämtliche noch lebenden US-Präsidenten, angefangen bei Bill Clinton, über George W. Bush und Barack Obama bis hin zu Joe Biden, einmütig die Tat verurteilten und Kirks Frau und ihre gemeinsamen Kinder ihrer Gebete versicherten, wenn Kirk das Monster gewesen wäre, als das ihn seine Gegner darstellten? Wohl kaum. Aber genau das ist geschehen. Noch ein Beleg für das Ausnahme-Phänomen, das der 31-Jährige war.
Natürlich darf man auch nicht naiv sein. Die Videos, die Charlie Kirk über seine Social-Media-Kanäle verbreiten ließ und die zeigen, wie er an Universitäten mit Studenten debattierte, sind geschnitten. Sie zeigen stets nur Ausschnitte der Wirklichkeit, nicht die ganze. Und man darf davon ausgehen, dass allzu Unvorteilhaftes dabei weggelassen wurde. Gleichwohl lassen die Zusammenschnitte keinen Zweifel daran, dass Charlie Kirk, der in der Sache hart und mitunter auch polemisch disputieren konnte, seine jeweiligen Kontrahenten als Person respektierte, ja mehr noch wertschätzte. Die Videos weisen ihn zudem als einen geduldigen Zuhörer aus, der seine Kontrahenten ihre Gedanken bis zum Ende entwickeln lässt. Einem jungen Mann, mit dem er über Abtreibung stritt, lobte er am Ende mit den Worten: Er habe nie zuvor so starke Argumente für Abtreibung gehört wie heute von ihm. Und fast immer reichten sich die Disputanten am Ende die Hände.
Deutsche Medien von respektvollem Umgang weit entfernt
Von dem respektvollen Umgang, den Kirk mit Andersdenkenden pflegte, sind deutsche Medien vielfach meilenweit entfernt. Wie sogenannte Leitmedien (etwa “Der Spiegel” oder auch die “Frankfurter Allgemeine Zeitung”) Charlie Kirk so erbarmungslos wie brutal nach seiner Ermordung verzeichnet, ja gar verleumdet haben, ist atemraubend und verrät nichts Vorteilhaftes über den “Qualitätsjournalismus” in Deutschland. Aber niemand hat es so übel getrieben wie das ZDF. In der Sendung “Markus Lanz” behauptete der Leiter des ZDF-Studios in Washington, Elmar Theveßen, vor einem Millionenpublikum allen Ernstes: “Er”, Kirk, “hat gesagt, dass Homosexuelle gesteinigt werden müssten.”
Richtig ist: In einer Folge seines Video-Podcasts wird Kirk von einer Influencerin, die behauptet, eine Christin zu sein, der ihr Glaube wichtig sei und die sich “Ms Rachel for Littles” nennt, mit der Behauptung konfrontiert, aus dem biblischen Gebot, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst (vgl. Levitikus 19,18), folge, dass auch gelebte Homosexualität okay sei. Der bibelfeste Evangelikale nimmt das zum Anlass, um die Überzeugung zu vertreten, dass die Bibel nicht geeignet sei, um politische Forderungen zu begründen, und weist seine Kontrahentin darauf hin, dass in demselben Buch, nur ein Kapitel vorher, stehe, dass der Beischlaf von Männern ein “Gräuel” sei (vgl. Levitikus 18,22), und ein Kapitel später sogar, dass Männer, die sich zu einem Mann legten, zu Tode gesteinigt werden sollten (vgl. Levitikus 20,13). Statt die Steinigung von Schwulen zu fordern, plädierte Kirk also für einen aufgeklärten Umgang mit der Bibel.
Auch sonst taugt Kirk nicht als Schwulenhasser, als den Theveßen ihn hinstellt: In Debatten mit sogenannten “Alt-rights” (Alternative Rechte), wie sich die Bewegung nennt, die sich um Influencer wie Andrew Breitbart, Steve Bannon oder Richard Spencer geschart hat, verteidigte Kirk, dass auch Homosexuelle in “Turning Point USA” Leitungsfunktionen besitzen. Auch “rassistische, sexistische und menschenfeindliche Aussagen”, die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali Kirk andichtete, sucht man in den Podcast-Folgen von “The Charlie Kirk Show” vergeblich. Charlie Kirk hat mit Andersdenkenden den Dialog gesucht und gepflegt. Hart, aber respektvoll. Seine Gegner in Deutschland dagegen haben ihre Medienmacht dazu missbraucht, ihn selbst postum noch zu entmenschlichen.
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